WirtschaftsWoche: Sie kritisieren die personelle Aufstockung der neuen Bundesregierung. Aber ist es nicht üblich, dass eine neue Regierung neue Stellen schafft?
Natürlich dreht sich immer wieder das Personalkarussell. Dass Staatssekretäre oder Spitzenbeamte den goldenen Spazierstock bekommen, ist unschön, aber leider üblich. Aber hier ist die Qualität aber eine andere. Insgesamt werden 209 Stellen neu geschaffen, das ist in dieser Größenordnung schon außergewöhnlich. Spitzenreiter ist Horst Seehofer, der sich fast 100 neue Stellen genehmigt. In den vergangenen Jahren ist nicht gleich am Anfang der Legislaturperiode so massiv eingestellt worden – und schon gar nicht in so hohen Positionen.
Werden die neuen Mitarbeiter wirklich gebraucht?
Man muss eingestehen, dass durchaus neue Aufgaben formuliert worden sind, etwa das neue Heimatministerium. Aber es sind nicht annähernd so viele neue Aufgaben wie Stellen. Zudem sind die Begründungen der Politiker sehr fadenscheinig. Olaf Scholz gönnt sich 41 neue Mitarbeiter, weil er jetzt Vizekanzler wird. Solche Mitarbeiter existieren jedoch schon im Auswärtigen Amt, Sigmar Gabriel war ja ebenfalls Vizekanzler. Die entsprechenden Mitarbeiter könnte Scholz eigentlich übernehmen. Die Betreuung des Vizekanzlers ist ja unabhängig vom Ministerium.





Was hätte stattdessen passieren sollen?
Ich hätte erwartet, dass die Regierung erstmal anfängt zu arbeiten und sieht, wo wirklich Not am Mann ist. Stattdessen ist es genau andersherum passiert. Man hat sich die Wünsche der Politik angeschaut und dann das Personal dazu eingestellt. Das ist ein Hauruck-Verfahren, das den Steuerzahler sehr viel Geld kostet.
Wie viel Geld?
Durch die zusätzlichen Stellen in den Ministerien werden die Personalausgaben der Regierung jährlich um 20 Millionen Euro zulegen. Insgesamt werden 37 neue Beamten-Posten allein in der teuren Besoldungsgruppe B geschaffen. Hätte die neue Jamaikaregierung sich das so erlaubt, wäre die Häme groß gewesen. Die FDP und auch die Grünen würden endlos durch den Kakao gezogen. Die neue Große Koalition hat gar keine Scham, hier zuzulangen.
Wie erklären Sie sich das?
Es sind neue Protagonisten am Werk, Seehofer etwa oder Scholz, die sehr viel Personal mitbringen, das ihnen schon seit Jahren treu ergeben ist, sei es in Bayern oder in Hamburg.
Wie zufrieden oder unzufrieden sind Sie allgemein mit der neuen Bundesregierung?
Ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass der Koalitionsvertrag alles andere als zufriedenstellend ist. Es gibt nur eine Seite: Mehrbelastungen und Mehrausgaben. In dieser Legislaturperiode haben wir Mehrausgaben von 50 bis 60 Milliarden Euro, je nach Institut und Schätzung. Was uns hingegen völlig fehlt, sind Entlastungen.
Was ist mit der Abschaffung des Soli?
Ich glaube nicht daran, dass der Solidaritätszuschlag ab 2021 abgebaut wird. Wenn man die Bürger wirklich und wahrhaftig entlasten wollte, könnte man auch schon jetzt damit beginnen. Stattdessen hat die neue Große Koalition viele teure Maßnahmen beschlossen: Die Mütterrente oder das Baukindergeld etwa sind nicht notwendig.
Was haben Sie denn gegen das Baukindergeld? Es soll doch dringend benötigten Wohnraum schaffen und Familien entlasten – genau das also, was Sie fordern.
Das ist eine schöne Überschrift, die wir bei vielen Subventionen haben, die aber letztlich nicht wirkt. Wir haben tatsächlich Wohnungsnot, vor allem in Ballungsgebieten, aber da wird das Baukindergeld überhaupt nicht helfen. Das Baukindergeld ist maximal auf zehn Jahre ausgelegt. Wir haben aber schon jetzt das Problem, dass wir mehr Wohnungen und Häuser brauchen. Eine so langfristig angelegte Maßnahme kann kurzfristig überhaupt nicht greifen. Außerdem wissen wir, dass Subventionen vom Staat schnell eingepreist werden. Das kennen wir von der Eigenheimzulage. Die Preise werden genau um die Fördersumme steigen. Aus Sicht der Verbraucher ist das Baukindergeld deshalb für die Katz.
Das klingt ja alles sehr kritisch. Gibt es auch irgendetwas, wo Sie in Hinblick auf die neue Legislaturperiode optimistisch sind?
Nein. Das ist eine Neuauflage der Großen Koalition, von der ich wie viele andere desillusioniert bin. Es ist ein Hangeln von Problem zu Problem. Mir fehlt eine Priorisierung. Aber letzten Endes gewähre ich jedem Minister seine 100 Tage, um Akzente zu setzen. Dann werde ich entscheiden, ob ich bei meiner jetzigen Meinung bleibe.