Bund-Länder-Finanzreform „Das Spielen auf Zeit muss aufhören“

Seit Jahren wird über die Neuordnung der Finanzbeziehungen von Bund und Ländern verhandelt. Während die Union keinen Zeitdruck sieht, warnt die SPD vor den Folgen, sollte es nicht vor der Sommerpause zu Lösungen kommen.

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Die Flaggen der 16 Bundesländer: Die Ministerpräsidenten wollen mit den Verantwortlichen im Bund noch einen Versuch unternehmen, die Bund-Länder-Finanzbeziehungen zu reformieren. Quelle: dpa

Berlin Angesichts der immer schwieriger erscheinenden Einigung in den Bund-Länder-Finanzbeziehungen findet kommenden Donnerstag ein weiteres Treffen der Ministerpräsidenten mit den Verantwortlichen im Bund statt. Es könnte die letzte Gelegenheit sein, sich in den Verhandlungen über die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzen und insbesondere die Reform des bundesstaatlichen Finanzausgleichs noch in dieser Legislaturperiode zu einigen.

Glaubt man Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) wird es jedoch so schnell nichts mit einer Reform werden. „Ich halte die Chance für eine Einigung bis zur Bundestagswahl für gering“, sagte der CDU-Politiker kürzlich den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Die Länder hätten anderthalb Jahre nichts getan und dann einen ineffektiven Vorschlag präsentiert, den der Bund nun akzeptieren solle. „So geht man nicht miteinander um. Das hat keinen Sinn.“ Die Positionen lägen „weit auseinander“.

Schäuble lehnt den Ländervorschlag für eine Reform der föderalen Finanzbeziehungen ab. Die 16 Ministerpräsidenten fordern ab 2020 rund 9,6 Milliarden Euro mehr vom Bund. Schäuble findet das zu viel, er bietet maximal 8,5 Milliarden. Außerdem ändere der Ländervorschlag nichts an der Intransparenz des Finanzausgleichs, findet Schäuble.

Die SPD hält die Blockaden auf beiden Seiten für inakzeptabel und drückt aufs Tempo. „Derzeit ist die Liste der offenen Punkte in den Verhandlungen zwischen Bund und Ländern viel zu lang. Dabei sind Lösungen vor der Sommerpause dringend erforderlich“, sagte der Chefhaushälter der SPD-Bundestagsfraktion, Johannes Kahrs, dem Handelsblatt. Der Bundestag und die Länderparlamente berieten ab dem Herbst über Ausgaben und Einnahmen der kommenden Jahre. „Ohne Klärung in den diesen grundsätzlichen Fragen sind diese Haushaltsbeschlüsse der Parlamente auf Sand gebaut.“

Kahrs bezeichnete die zukünftige Gestaltung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen als „eines der größten und drängendsten Probleme unseres Landes“. Doch obwohl eine Große Koalition immer das Versprechen beinhalte, die großen Themen und Probleme eines Landes zu meistern, beobachte man trotz weit fortgeschrittener Wahlperiode beobachtet auf diesem Feld nur Stillstand.


„Keine bessere Gelegenheit als unter dieser Großen Koalition“

Hamburg Erster Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) glaubt noch n eine Einigung vor der Sommerpause. Scholz ist Verhandlungsführer der SPD-regierten Bundesländer. „Positionen von Bund und Ländern liegen mittlerweile sehr nah beieinander“, sagte Scholz der „WirtschaftsWoche“.

Der bisherige Länderfinanzausgleich sowie der Solidarpakt Ost laufen 2019 aus, deshalb müssen Nachfolgeregeln gefunden werden. „Allen Beteiligten sollte bewusst sein, dass wir zur Umsetzung Grundgesetzänderungen benötigen“, betonte der SPD-Politiker. „Es kommt keine bessere Gelegenheit als unter dieser Großen Koalition. Jetzt sind die Mehrheiten vorhanden, die wir brauchen.“

Kahrs listete mehrere Themenbereiche auf, bei denen es zwischen Bund und Ländern keine Fortschritte gebe. Ungeklärt seien etwa die Zukunft der Bund-Länder-Finanzbeziehungen, der Regionalisierungsmittel, der Erbschaftsteuer, des Solidaritätszuschlags, die künftige Ausgestaltung der Steuerverwaltung sowie die Einrichtung einer Verkehrsinfrastrukturgesellschaft.

Die Bürger erwarteten zu Recht, dass Bund und Länder Lösungen für die vielen offenen Fragen finden, „statt sich über Monate in Detailfragen oder taktischen Spielchen zu verfangen“, betonte Kahrs. „Das derzeitige Spielen auf Zeit muss aufhören.“ Der Bundestag und die Länderparlamente brauchten endlich einen Entwurf, der diskutiert werden könne.

Kritisch sieht Kahrs zudem, dass sich Schäuble und die Länder untereinander geeinigt hätten, die Verhandlungen um die zukünftige Ausgestaltung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen zunächst ohne eine Beteiligung des Bundestages zu führen. „Das wird die Umsetzung der komplexen Maßnahmen-Pakete im parlamentarischen Raum nicht einfacher machen“, sagte der SPD-Politiker.


Fachleute von Bund und Ländern einig über Flüchtlingskosten

Verschiedene Medien berichteten derweil, dass sich die Experten von Bund und Bundesländern auf ein Modell zur Verteilung der Flüchtlingskosten geeinigt hätten. In Verhandlungskreisen hieß es laut Reuters am Freitag, die Chefs der Staatskanzleien der Länder hätten die Forderung aufgegeben, dass sich der Bund mit zehn Milliarden Euro und damit zur Hälfte an den Länderkosten für die Versorgung und Unterbringung der Flüchtlinge beteiligen solle. Im Gegenzug komme der Bund ihnen etwa bei den Kosten für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge entgegen. Den Kompromiss müssen Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten der Länder noch am Donnerstag bei einem Sondertreffen absegnen.

Über die Einigung hatte zuerst "Der Spiegel" berichtet. Das Nachrichtenmagazin berichtete, die Ländervertreter hätten sich am Mittwoch bei einem Treffen mit Kanzleramtschef Peter Altmaier und Haushaltsstaatssekretär Werner Gatzer mit vier Milliarden Euro des Bundes begnügt. Nach Reuters-Informationen aus Teilnehmerkreisen kommt ihnen der Bund dafür an drei Stellen entgegen: Für drei Jahre wolle der Bund die Unterbringungskosten anerkannter Asylbewerber komplett übernehmen, sagte ein Teilnehmer des Treffens. Dazu stelle der Bund dieses Jahr 400 Millionen Euro bereit, 2017 900 Millionen Euro und 2018 weitere 1,3 Milliarden Euro.

Außerdem stocke der Bund in diesem Jahr einmalig seinen Zuschuss an die Länder für unbegleitete Minderjährige von 350 Millionen Euro auf eine Milliarde Euro auf. Schließlich werde den Ländern bereits in diesem Jahr eine Milliarde Euro zur Verfügung gestellt, die eigentlich erst für 2017 geplant gewesen sei.

Der Konflikt belastet bereits seit Monaten die Verhandlungen zwischen Bund und Ländern über andere Finanzthemen. Am Rande des Flüchtlingsgipfels kommende Woche könne es auch zu einer Beilegung des Koalitionsstreits über die Erbschaftsteuerreform kommen, hieß es im Regierungsbündnis. Hier hatte CSU-Chef Horst Seehofer überraschend Nachforderungen gestellt, nachdem sich die Experten von CDU, CSU und SPD eigentlich bereits im Februar auf die künftigen Steuerprivilegien von Betriebserben geeinigt hatten. Die Reform drängt, weil das Bundesverfassungsgericht für die Gesetzesneuregelung eine Frist bis Ende Juni gesetzt hatte.


CDU-Ministerpräsident warnt vor Scheitern der Finanzreform

Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich hatte zuvor vor einem Scheitern der Finanzreform gewarnt. „Die Bund-Länder-Finanzbeziehungen sind eines der letzten Politikfelder, auf dem die deutsche Einheit nicht gänzlich vollzogen ist“, sagte der CDU-Politiker kürzlich der „Rheinischen Post“.

Wenn man wolle, dass die ostdeutschen Länder Teil der gesamtstaatlichen Lösung seien, dürfe es keinen Solidarpakt III geben, mahnte Tillich. „Dieser wäre aber die Konsequenz, wenn sich Bund und Länder nicht auf die Finanzreform einigen. Ich kann nicht glauben, dass der Bund ernsthaft einen Solidarpakt III anstrebt.“ Tillich beharrte darauf, dass die Länder ab 2020 vom Bund pro Jahr 9,7 Milliarden Euro benötigen.

Schäuble warf den Ländern vor, dass ohnehin sehr komplizierte System des Bund-Länder-Finanzausgleichs noch komplizierter machen zu wollen. „Man kann nicht mehr erkennen, wer etwas bezahlt und wer etwas bekommt. Es gibt für ein Land keinen Anreiz mehr, seine Lage so zu verbessern, dass es keine Leistungen der anderen braucht.“ Außerdem wäre der Ausgleich zwischen stärkeren und schwächeren Ländern nur noch eine Sache des Bundes und nicht mehr eine zwischen den Ländern. „Das ist gegen den Geist des Grundgesetzes.“

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel schlägt nun ein gesamtdeutsches Fördersystem nach dem Auslaufen des Solidarpakts, das vor allem dem wirtschaftlichen Aufbau in Ostdeutschland dienen soll. Gabriel begründete seinen Vorstoß am Freitag mit großen Einkommens- und Struktur-Unterschieden im gesamten Land. „Daher brauchen wir ein gesamtdeutsches Fördersystem, das den gesellschaftlichen Zusammenhalt in unserem Land auch nach Auslaufen des Solidarpaktes 2019 stärkt.“

Strukturschwache Regionen seien besonders vom demografischen Wandel betroffen, sagte der SPD-Chef. „Wir müssen dafür sorgen, dass sie bei Innovationen, Digitalisierung und in der Globalisierung nicht weiter zurückfallen und den Anschluss an die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung schaffen.“

Anlass für Gabriels Vorstoß ist die Veröffentlichung eines Gutachtens zum Thema „Aufgaben, Struktur und mögliche Ausgestaltung eines gesamtdeutschen Systems zur Förderung von strukturschwachen Regionen ab 2020“, das Bund und Länder in Auftrag gegeben hatten. Darin wird ein umfassendes System zur Regionalförderung vorgeschlagen, um bei der Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse in ganz Deutschland voranzukommen. Einige bisher auf Ostdeutschland begrenzte Programme zur Förderung von Innovationen könnten dabei auf alle strukturschwachen Regionen in Deutschland ausgeweitet werden.

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