Bundesagentur für Arbeit BA-Chef Weise soll die Bundeswehr umkrempeln

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Agentur für Arbeit: Heute Quelle: dpa

Auch der Bundesrechnungshof prangert alljährlich die öffentliche Verschwendung in der Verwaltung an. Milliarden Euro ließen sich sparen, wären die Behörden nur etwas effizienter. So gesehen, könnten die Kontrolleure mit den Arbeitsagenturen eigentlich zufrieden sein. „Ohne Weises Reformen wäre der zentrale Maßstab der BA doch immer noch die Frage, wie viel Geld sie ausgeben kann, und nicht, wie Arbeitslosen wirkungsvoll geholfen wird und ob dabei auch wirtschaftlich mit Beitragsmitteln umgegangen wird“, sagt Peter Clever, der Vorsitzende des BA-Verwaltungsrates und Vertreter der Arbeitgeberseite.

Von 2006 bis heute ist der Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung von 6,5 auf 2,8 Prozent gesunken. Das entlaste die Beitragszahler um 30 Milliarden Euro jährlich, rechnet Clever vor. Aber hat das nicht mit der Konjunktur zu tun? Der Lage auf dem Jobmarkt? Nicht nur, sagt der Verwaltungsrats-Chef. „Ich schätze, dass rund zehn Milliarden Euro auf die Reformen innerhalb der BA zurückgehen.“

An der Spitze der Bundesagentur musste Weise aus den Hartz-Gesetzen Alltag basteln, was für altgediente Sozialhilfeempfänger eine echte Zäsur bedeutete. Genauso einschneidend waren aber auch die Revolutionen, die der BA-Chef der altgedienten Anstalt selbst verpasste: Führungspositionen vergibt Weise nur noch auf Zeit, nach fünf Jahren muss sich jeder Vorgesetzte neu behaupten. Angestellte werden nach Leistung bezahlt, bis zu 20 Prozent des Gehaltes macht die Variable aus. Dafür halten sich Mitarbeiter an strenge Vorgaben.

Mehr als 50 Reformprojekte

Einmal im Monat tagt der Vorstand im Lagezentrum der BA, dem „Machtzentrum der Behörde“, wie Weise sagt. Ein hoher, dunkel vertäfelter Raum, in dem Neonröhren und die Klimaanlage leise surren. Ringsum sind alle Flächen mit Stellwänden zugebaut. Jedes einzelne von Weises Reformprojekten ist hier aufgepinnt, derzeit sind es mehr als 50.

Das wichtigste aller Schaubilder hängt in der Mitte: Weise tippt mit dem Finger auf eine Kurve, die sich nach oben schwingt. „Phase drei: Innovationen im Markt“, steht darüber, das Arbeitsprogramm für die nächsten zwei Jahre. Was man in etwa so übersetzen kann: Weise will überprüfen, ob seine Vermittler wirklich 50 arbeitsmarktpolitische Instrumente brauchen. Er will den Jobcentern, an denen auch die Kommunen beteiligt sind, straffe Ziele verpassen. Er überlegt, mit welcher Strategie die Bundesagentur den Fachkräftemangel beseitigen kann, der die Unternehmen gerade jetzt im Aufschwung besonders bedrückt. Und ganz nebenbei testet er gerade, ob sich japanische Kanban-Bestellkarten auch für das Einkaufsmanagement in Behörden eignen. Nur mal so, laut gedacht.

Das Musterbüro der Bundesagentur für Arbeit findet sich hoch oben in der Zentrale im 15. Stock. Ein Großraumbüro, das einzige im ganzen Haus. Vermutlich würde es längst mehrere geben, wenn der Brandschutzbeauftragte nicht gestreikt hätte: Man dürfe im Gebäude keine Wände einreißen. Die Mitarbeiter im 15. Stock tun jetzt das, was sie in jedem anderen Großraumbüro in Deutschland vermutlich auch täten: Sie üben subtilen Protest. Eine Kollegin hat einen roten Papp-Pfeil auf ihren Monitor geklebt. „Bitte Ruhe“, steht darauf.

Gelegentlich kann es vorkommen, dass der Vorstandsvorsitzende persönlich auftaucht, die Schranktüren aufreißt und in die Regale schaut. Die sehen auf den ersten Blick aus, wie Büroschränke nun einmal aussehen: Papier, Lineale, Stifte. Abgesehen davon vielleicht, dass es hier ungewöhnlich aufgeräumt ist. Was an den Kanban-Karten liegt.

Wann immer ein Häufchen Blöcke nun zur Neige geht, lösen die Mitarbeiter mit diesen Kärtchen automatisch eine Nachbestellung aus. Das Prinzip könnte neuer Standard in der Verwaltung werden. Überhaupt geht es hier viel um Standards: Im Musterbüro legen die Mitarbeiter fest, wie ein aufgeräumter Schreibtisch im BA-Reich aussieht, was in eine Schublade gehört oder wie man ein Regal einsortiert. Ihre Erkenntnisse schicken sie als Newsletter an die Kollegen.

Es gibt viele Standards in der BA. Und die Wirtschaft feiert sie dafür. Im Juni erhielt die Bundesagentur den Internationalen Controller-Preis 2010. Als erste Behörde überhaupt. Nur den Mitarbeitern ging die Vorgabenflut auf die Nerven. Im vergangenen Sommer noch hatte der Vorsitzende des Hauptpersonalrats einen empörten Brief an Weise geschrieben. „Es muss Schluss sein mit dem Zahlenfetischismus“, klagte Eberhard Einsiedler. Und bekam sogar ein wenig recht. Statt 174 müssen die BA-Mitarbeiter heute nur noch 60 Kennzahlen beachten.

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