Generationen von Finanzministern haben darauf hingearbeitet, doch erst Wolfgang Schäuble (CDU) wird das Glück zuteil, (zumindest) den Entwurf eines ausgeglichenen Bundeshaushalts zu präsentieren. An diesem Freitag übermittelte sein Ministerium die Eckwerte für den Regierungsentwurf des Bundeshaushalts 2015 an Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Die wichtigste Botschaft lautet dabei: Zum ersten Mal seit 1969 sollen die Ausgaben vollständig durch Einnahmen gedeckt sein. 299,7 Milliarden Euro stehen im nächsten Jahr zur Verfügung, gut eine Milliarde mehr, als für 2014 vorgesehen sind. Auch für die folgenden Jahre bis 2018 plant Schäuble ohne weitere Schuldenaufnahme.
Allerdings – und dies ist der Wehrmutstropfen – will die große Koalition keinen Beitrag zur Tilgung der immensen Schulden leisten, die sich inzwischen auf 1300 Milliarden Euro allein für den Bund türmen.
Darin unterscheidet sich die schwarz-rote Koalition von der schwarz-gelben Vorgängerin, die bei der letzten Finanzplanung vor einem Jahr immerhin einen ersten Tilgungsbeitrag von 15 Milliarden Euro bis 2017 beabsichtigte.
Bei der heutigen Regierung aus CDU, CSU und SPD schlagen dagegen zahlreiche Mehrausgaben zu Buche. 23 Milliarden Euro für prioritäre Maßnahmen muss Schäuble in seinem Finanztableau für diese Legislaturperiode unterbringen. Daher war in Schäubles Haushaltsabteilung Kreativität angesagt, um trotzdem einen ausgeglichenen Haushalt hinzukommen, ohne die Steuern anzuheben.
Aus diesem Grunde will die Regierung den Bundeszuschuss für die gesetzlichen Krankenkassen 2015 von 14 auf 11,5 Milliarden Euro senken (in diesem Jahr auf 10,5 Milliarden). Kritiker betrachten dies als einen Griff in die Sozialkassen - dabei allerdings verkennend, dass es sich bei den 14 Milliarden Euro GKV-Zuschuss um eine Maßnahme aus der schweren Wirtschaftskrise 2009 handelt, die nur nicht befristet wurde und deshalb seither als Besitzstand der Krankenversicherung gilt.
Verstöße gegen den Koalitionsvertrag
Bei den prioritären Maßnahmen trickst Schäuble ebenfalls, indem er einige davon so weit wie möglich in die Zukunft schiebt. Bei der Eingliederungshilfe von Behinderten zum Beispiel verabredete die große Koalition, die Gemeinden um fünf Milliarden Euro jährlich zu entlasten. Bis das entsprechende Bundesteilhabegesetz in Kraft tritt, soll zumindest eine Milliarde Euro pro Jahr fließen.
Nun versuchen seine Beamten, die verabredete Mittelaufstockung so lange wie möglich zu verzögern. Erst „ab 2018 werden Länder/Kommunen durch ein Bundesteilhabegesetz jährlich um fünf Milliarden Euro bei den Eingliederungshilfen für Menschen mit Behinderung entlastet“, steht in einem internen Vermerk, der der WirtschaftsWoche vorliegt. Das aber wäre nach der laufenden Legislaturperiode – und damit eigentlich ein Verstoß gegen den Koalitionsvertrag.
In diesem Jahr – der Haushalt musste wegen des Regierungswechsels noch einmal auf den Weg gebracht werden – will die Bundesregierung noch 6,5 Milliarden Euro neue Schulden machen. Immerhin wäre dies der niedrigste Wert seit 40 Jahren. Und ohne die Einlage von 4,3 Milliarden Euro für den Euro-Rettungsfonds ESM wären es sogar nur 2,2 Milliarden Euro.
Die Euro-Krise überschattet also nach wie vor den Staatshaushalt, und zwar über die ESM-Einlage hinaus. Denn noch immer ist ein weiterer Schuldenschnitt für Griechenland nicht auszuschließen, und ein solcher würde diesmal die öffentlichen Gläubiger treffen.
Dann aber würde Schäuble das gleiche Schicksal wie seine Amtsvorgänger erleiden, die allesamt kurz vor der Null-Schulden-Linie strauchelten, zuletzt Peer Steinbrück 2009 wegen der Weltfinanzkrise. Aber vielleicht hat Schäuble das letzte Quentchen Fortüne, das auch ein Finanzminister braucht.