Bundeshaushalt 2023 „Bei den weiteren Ausgabewünschen sehe ich wenig Spielraum“

Otto Fricke, haushaltspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. Quelle: imago images

FDP-Haushaltsexperte Otto Fricke lehnt eine weitere Verschuldung im Bundeshaushalt 2023 ab. Staatshilfen gegen die explodierenden Energiepreise bei einer Gasmangellage sollen jedoch möglich sein.

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WirtschaftsWoche: Herr Fricke, nun steht die Höhe der neuen Gasumlage fest: 2,419 Cent pro Kilowattstunde. Für durchschnittliche Haushalte werden mehrere Hundert Euro Zusatzkosten fällig. Kanzler Olaf Scholz kündigt deshalb weitere Hilfszahlungen für den Winter an - ist das mit der FDP so schon abgesprochen worden?
Otto Fricke: Die Haushaltsberatungen des Bundestages beginnen am 6. September. Der Entwurf des Kabinetts – und nicht nur der des Finanzministers – ist Basis der Verhandlungen bis Ende November. Und die bis dahin erkennbar notwendigen Hilfen werden Teil des Haushalts, aber natürlich nur im Rahmen der Verfassung.

Gibt es im Haushalt noch Luft für weitere Staatshilfen?
Der Kabinettsentwurf hat an vielen Stellen Vorsorge getroffen, sowohl für die Hilfen für diejenigen, die sie benötigen, als auch für den Verzicht auf Steuererhöhungen, die durch die kalte Progression erfolgen würden. Wenn die Haushälter in den kommenden Monaten so vernünftig verhandeln, wie beim Haushalt 2022 wird es ausreichend Luft geben.

Kann angesichts der zahlreichen Ausgabewünsche Ihrer Koalitionspartner die Schuldenbremse im kommenden Jahr überhaupt eingehalten werden?
Die Frage kann man auch andersherum stellen: Welche zusätzlichen Ausgabewünsche sind im Rahmen der Verfassung überhaupt noch möglich? Da sehe ich allerdings wenig Spielraum, denn Vorrang müssen logischerweise die notwendigen Hilfen haben, die sich insbesondere beim Thema Energie ergeben.

Muss man angesichts der drohenden Gasmangellage und der Kriegsfolgen für 2023 nicht doch von einer weiteren außergewöhnlichen Notlage ausgehen, die ein weiteres Aussetzen der Schuldenbremse rechtfertigen würde?
Als Haushälter, aber auch Jurist, bin ich bei der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine „außergewöhnliche Notlage“ vorliegt, sehr vorsichtig. Hier gibt es noch keine Rechtsprechung und viele Diskussion zwischen Politik, Ökonomen und Juristen. Es wird viel davon abhängen, ob und wann eine Gasmangellage vorliegt. Was aber nicht geht, ist jetzt schon alle Anstrengungen bei der tatsächlichen Einsparung von Gas einzustellen, bloß weil eine solche Mangellage theoretisch möglich ist.

Die Linken bei SPD und Grünen plädieren für eine höhere Verschuldung.
Über Verschuldung bei steigenden Zinsen den vermeintlich politisch und gesellschaftlich einfacheren Weg zu gehen, verbietet sich. Ein Hinweis sei mir dennoch erlaubt, weil Liberale bei Fragen der Not nie Ideologen sind: Sollte sich im Winter, aus welchen Gründen auch immer, herausstellen, dass es weiterer Haushaltsmittel für den Bereich Energie bedarf, stehen dem Gesetzgeber und der Regierung viele Mittel zur Verfügung, um angemessen zu reagieren.



Ihre Koalitionspartner aus SPD und Grüne kritisieren die Vorschläge von Bundesfinanzminister Christian Lindner zur steuerlichen Entlastung als unsozial - gab es keine Verständigung darüber?
Da ich natürlich nicht alle Gespräche innerhalb der Bundesregierung der letzten Monate kenne, kann ich nur vermuten, dass es hier mehr um grundsätzliche politische Unterschiede der Ampelparteien geht. Einen Gesetzentwurf, der denjenigen anteilig deutlich mehr Entlastung gibt, die weniger Steuern zahlen, als unsozial zu bezeichnen, ist entweder sehr fantasievoll, taktisch oder ideologisch bedingt.

Die gegenseitigen Vorwürfe innerhalb der Koalition nehmen zu - was ist nach einem Jahr Ampel-Koalition noch vom viel beschworenen Neuanfang übriggeblieben?
Ich bin der dienstälteste Abgeordnete meiner Fraktion und ich habe unterschiedlichste Koalitionen mit vielfältiger, gegenseitiger Kommunikation erlebt. Ich bin überzeugt, dass es wichtig ist, die Unterschiede der Koalitionspartner auch nach außen darzustellen. Eine Demokratie braucht den Diskurs in der Sache, er ist am Ende der Dünger für eine Politik, die so auch besser gedeihen kann.

Also alles gut?
Worauf wir achten müssen, ist der Ton und die Wortwahl. Ich bin deshalb froh, dass ich mit meinen Haushälterkollegen Dennis Rohde (SPD) und Sven-Christian Kindler (Grüne) zwar hart und lang in der Sache streite, aber selbst nach einer Bereinigungssitzung von 14 Stunden am nächsten Tag noch gerne mit ihnen in die Bundespressekonferenz gehe.

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Kaum jemand redet über das Sparen - was wäre Ihr wichtigster konkreter Vorschlag?
Da jede Regierung am Anfang neues Personal benötigt, auch die Ampel, muss im Haushalt 2023 eine sogenannte pauschale Stellenkürzung erfolgen, die aber im Ergebnis eine konkrete Einsparung zur Folge hat. Einen zweiten kleinen Punkt verfolge ich schon seit mehr als zehn Jahren: die Streichung der Druckkosten für behördliche Vorlagen und damit auch für den Druck des Bundeshaushaltes; digital reicht.

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