
„Aus Bürgerdialog wird Merkelmonolog“ steht auf dem Transparent, das ein Demonstrant am Mittwochabend in Richtung der Heidelberger Stadthalle reckt. Doch genau das Gegenteil trifft zu auf die Veranstaltung, bei der Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit 100 Bürgern die Frage „Wie wollen wir lernen?“ diskutieren soll. In Wahrheit ist es ein Bürgermonolog. Und das ist nicht viel besser.
Zwei Wochen nach dem ersten Bürgergespräch in Erfurt findet in Heidelberg der zweite „Dialog über Deutschlands Zukunft“ statt, bei der die Bundeskanzlerin mit den Teilnehmern „fünf oder zehn Jahre in die Zukunft denken will“. Für die 90-minütige Veranstaltung hat das Bundeskanzleramt die Themen „Lernen“, „Internet“ und „Gemeinsinn“ festgelegt. Vage genug, dass die Teilnehmer der Kanzlerin praktisch jedes ihrer Probleme und Problemchen schildern können, von den Gefahren des „Gefällt mir“-Buttons auf Facebook über die fehlende Anerkennung der Gesellschaft für „Familienmanagerinnen“ bis hin zur Frage, warum im Jura-Studium nicht mehr in Gruppen gearbeitet wird. Die Kanzlerin quittiert die meisten Wortmeldungen mit „Sehr gut“ oder „Das nehmen wir auf“ und ruft dann eilig den nächsten auf. Interessierte Nachfragen stellt sie selten, auf Diskussionen lässt sie sich gar nicht ein. Merkel scheint das Ungefähre dieses Diskussionsformats zu gefallen. 90 Minuten für 100 Bürger, da erwartet keiner klare Standpunkte oder Festlegungen.
Keine echten Denkanstöße
Die meisten Anliegen sind entweder zu klein oder zu groß, um zu einem echten Denkanstoß für die Bundesregierung zu werden. Eine weißhaarige Dame erzählt mit Begeisterung von den Computerkursen für alte Menschen in ihrer „Akademie für Ältere“ und lässt Merkel ratlos, was die Politik denn nun damit zu tun habe. Ein „Sehr gut“ von der Kanzlerin gibt es aber trotzdem. Eine Frau vom Kinderschutzbund findet, „dass man Bildung nicht dem Hickhack der Länder überlassen sollte“. Die Bundesregierung hat schon Mühe, das Kooperationsverbot mit den Ländern in der Hochschulpolitik wieder zurückzudrehen. Dass die Abschaffung des Bildungsföderalismus der nächste Schritt ist, erscheint eher unwahrscheinlich.