Die erste Verteidigungsministerin Deutschlands macht erst seit 14 Jahren Politik, seit zehn Jahren in Berlin. Sie rennt über die meisten Widerstände hinweg, die sich ihr bieten. Das Buch erklärt, wie das System von der Leyen funktioniert. Diese Art der Annäherung lässt aber auch manche Lebensetappe im Verborgenen.
Der frühe Tod ihrer Schwester Benita wird nur gestreift, Röschen ist damals 13 Jahre alt und fortan das einzige Mädchen unter fünf Albrecht-Brüdern. Und bis zum Schluss rätselt die Leserin etwas, wie aus der sehr unentschlossenen Studentin erst der Archäologie, dann der Volkswirtschaft und schließlich der Medizin, wie aus der Mutter, die noch mit Mitte 30 Geld des Vaters für den Babysitter bekam, innerhalb weniger Jahre eine so zielstrebige Ministerin werden konnte.
Braucht die Bundeswehr mehr Geld?
Die Bundesregierung hat bisher nicht vor, die Finanzmittel für die Bundeswehr wesentlich aufzustocken. Im Haushaltsplan für 2015 gehört der Verteidigungsetat zu den wenigen Posten, bei denen gekürzt wurde - wenn auch nur um 0,5 Prozent. Bis 2018 ist eine leichte Steigerung von 32,3 auf 36,86 Milliarden Euro vorgesehen. Angesichts der Ausrüstungslücken bei der Bundeswehr wird jetzt der Ruf nach einer deutlich stärkeren Erhöhung lauter. Was spricht dafür und was dagegen?
Quelle: dpa
Deutschland will mehr Verantwortung in der Welt übernehmen. Bei den Verteidigungsausgaben liegt es aber weit hinter den wichtigsten Nato-Partnern zurück. Während der Bundesregierung Armee und Ausrüstung nur 1,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts wert sind, investieren die USA 4,4 Prozent in ihr Militär, Großbritannien 2,4 Prozent und Frankreich 1,9 Prozent. Erklärtes Nato-Ziel ist es, zwei Prozent des BIP für die Verteidigung auszugeben. Das bekräftigte das Bündnis auch bei seinem Gipfeltreffen in Wales Anfang September - mit dem Einverständnis von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).
Zumindest bei der Beschaffung von Ersatzteilen gibt es eine Finanzlücke. Die Mittel dafür wurden 2010 gekürzt. Militärs beklagen, dass die Bundeswehr heute noch darunter zu leiden hat.
Auf die Bundeswehr kommen immer wieder neue Aufgaben hinzu. Die Nato will ihre Reaktionsfähigkeit im Krisenfall verbessern. Der Kampf gegen den islamistischen Terrorismus wird möglicherweise noch Jahre dauern. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hat den Vereinten Nationen auch ein stärkeres Engagement Deutschlands bei Blauhelmeinsätzen in Aussicht gestellt. Das alles geht nicht ohne modernes, robustes und gut gepflegtes Material.
Die Bundeswehrreform wurde nach dem Prinzip „Breite vor Tiefe“ entworfen. Das heißt: Die Truppe soll alles können und braucht dafür in jedem Bereich die entsprechende Ausrüstung. Das kostet. Bleibt man bei diesem Prinzip, muss auch Geld dafür zur Verfügung gestellt werden.
Das Rüstungsproblem der Bundeswehr ist nicht in erster Linie ein finanzielles Problem, sondern ein Managementproblem. Das macht sich schon daran bemerkbar, dass im vergangenen Jahr insgesamt 1,5 Milliarden Euro des Verteidigungsetats gar nicht ausgeschöpft wurden.
Das Prinzip „Breite vor Tiefe“ widerspricht den Bestrebungen von Nato und EU, innerhalb der Bündnisse Aufgaben zu teilen. Diese Bemühungen kommen bisher allerdings nur schleppend voran. Man könnte sich stärker dafür einsetzen, um zu einem effizienteren Rüstungssektor zu kommen.
Je mehr verschiedene Militärgeräte es gibt und je geringer die Stückzahlen, desto größer ist auch der Wartungs-, Instandhaltungs- und Ausbildungsaufwand. Deswegen könnte eine stärkere Spezialisierung der Bundeswehr Kosten sparen.
Bei der Beschaffung neuer Rüstungsgüter kommt es regelmäßig zu Verzögerungen und Kostensteigerungen, denen man durch ein besseres Vertragsmanagement entgegenwirken kann. Nur einige Beispiele: Der Kampfhubschrauber „Tiger“ sollte im Dezember 2002 ausgeliefert werden. Daraus wurde Juli 2010. Auf den Transporthubschrauber NH90 musste die Bundeswehr sogar neun Jahre länger warten als ursprünglich vorgesehen. Die Kosten für die Fregatte 125 haben sich im Laufe der Entwicklung von 656 Millionen auf 758 Millionen Euro erhöht. Der Preis für ein Transportflugzeug A400M stieg wegen einer nachträglichen Reduzierung der Stückzahl von 124,79 auf 175,31 Millionen Euro.
Ins Regieren verliebt
Vieles jedoch erklärt sich über diesen Vater, der 1976 Ministerpräsident wird. Tochter Ursula ist 17. „Mein Vater war ins Regieren verliebt und eher zufällig in der CDU“, wird die Tochter im Buch zitiert. Das gilt auch für sie. Auch ihr Vater beherrschte die politische Umarmung. „Wie ihr Vater setzt sie ihre Interessen oft lächelnd durch. Wie ihr Vater findet sie Parteipolitik langweilig“, heißt es im Buch. Parteitage steht sie so durch.
Inzwischen ist sie, die Populäre, sogar stellvertretende Chefin der CDU. Doch bei Abstimmungen fährt sie bei den Delegierten regelmäßig das schwächste Ergebnis ein. Ihr Vater inszeniert bereits in den 1970er Jahren seine Familie öffentlich, die Kinder spielen kleine Theaterstücke vor und singen im Fernsehen Jagdlieder. Seine Tochter zeigt ihre Familie mit den sieben Kindern später auf ähnliche Weise vor. Neider im Politikbetrieb sehen in ihr eine Spezialistin für Eigenwerbung. In der Bevölkerung geht sie als moderne, geerdete Ministerin durch. Röschen polarisiert.
Von der Leyen fällt zudem wegen ihrer großbürgerlichen Herkunft auf. Viele Politiker sind Aufsteiger, oft aus kleinbürgerlichen Verhältnissen. Sie stammt aus wohlhabendem Hause, wurde in Brüssel geboren und ging dort zur Schule. Sie studierte in London und lebte im kalifornischen Stanford. Kontakte knüpfte sie nicht in endlosen Hinterzimmerrunden einer Partei. Schon als Jugendliche lernte sie Hans-Dietrich Genscher oder Vicco von Bülow alias Loriot kennen – zu Hause.
Das System von der Leyen hat viel mit dieser Herkunft zu tun. Sie selbst hat ihre politischen Ideen und Projekte immer mit ihrer Biografie verknüpft. Wenn sie sich für die Vereinigten Staaten von Europa einsetzt oder für eine aktivere Rolle der Bundeswehr in Krisengebieten, vergisst sie nicht, ihre eigenen Jahre im Ausland als bewusstseinserweiternde Erlebnisse zu erwähnen.
Streitet sie fürs Elterngeld oder Krippenplätze, garniert sie die Forderungen mit Erfahrungen als siebenfache Mutter. Vereinbarkeit von Familie und Beruf ? Sie spricht über ihren an Demenz erkrankten Vater. Ihr Einsatz für die Quote in Führungspositionen – undenkbar ohne Hinweis auf eigene Erfahrungen als junge Ärztin.
Vergebliche Hoffnung auf Bellevue
Und weil es so viele „Herzensthemen“ sind, die von der Leyen mit Eifer vorbringt, streift sie leichter als andere Politiker Niederlagen ab. Wer erinnert sich noch daran, dass ihre Rentenpläne nur wenig gediehen, dass ihr Bildungspaket für Kinder als Hartz-IV-Familien kein durchschlagender Erfolg war oder dass sie vergeblich hoffte, als Bundespräsidentin ins Schloss Bellevue einzuziehen?
„Als allgegenwärtige Sozialreformerin aus dem braven Bürgertum passt von der Leyen in keine Norm“, schreiben Dausend und Niejahr. „Progressiv im Handeln, konservativ in der persönlichen Lebensführung, immer offensiv und zuweilen glamourös in der Außendarstellung.“
In einem Foto-Interview ohne Worte antwortet von der Leyen auf die Frage, worauf sie bei Männern als Erstes achte, mit einem Klaps auf den Hintern. Sie leiht sich Klamotten der Töchter und geht schon mal mit der Familie und samt Personenschutz ins nahe Freibad. Auf dem roten Teppich tauscht sie Küsschen mit Frauenschwarm George Clooney aus, in einer TV-Show hüpft sie Schauspieler Hugh Jackman auf den Arm.