
Auch ihn umarmt sie. Bei der Trauerfeier für ihren Vater Ernst Albrecht nimmt Ursula von der Leyen Sigmar Gabriel in den Arm. Es ist Dezember 2014, der SPD-Chef hat ihr als Tochter des früheren Ministerpräsidenten von Niedersachsen sein Beileid ausgesprochen. Im Bundeskabinett sind die Verteidigungsministerin von der CDU und der Wirtschaftsminister von der SPD Konkurrenten, ja Widersacher.
Nur drei Monate vorher hat Sigmar Gabriel über sie gespottet: „Selbst wenn sie im Kopierraum des Verteidigungsministeriums steht, schaut sie in die Ferne und lässt sich fotografieren.“ Das war als Bosheit gegen die Chefin im Berliner Bendlerblock gedacht, die sich schon mal im Morgengrauen in Top-Gun-Manier ablichten lässt, wenn sie Soldaten vor dem Abflug verabschiedet. In einer Talkshow fragt er die aufgekratzte Ministerin unfein, ob sie vielleicht etwas geraucht habe. Von der Leyen dagegen schwärmt immer wieder vom tollen Verhältnis zu Gabriel, alles prima. Fragt man Gabriel, grummelt er oder zuckt mit den Schultern.

Gabriel und von der Leyen wissen beide: Sie könnten womöglich als Kanzlerkandidaten ihrer Parteien antreten, Gabriel 2017 noch gegen die Amtsinhaberin Angela Merkel – oder später gegen seine Landsfrau aus Niedersachsen.
Kann Ursula von der Leyen Kanzlerin? Könnte sie es überhaupt werden? Die Frage, was nach Merkel kommt, beschäftigt Journalisten und so liegt nahe, eine Biografie über die derzeit interessanteste Persönlichkeit im Berliner Politikbetrieb zu schreiben.
Die beiden "Zeit"-Redakteure Peter Dausend und Elisabeth Niejahr haben ihre Sicht in „Operation Röschen. Das System von der Leyen“ überzeugend aufgeschrieben. Sie sind der ungewöhnlichsten Ministerin im Land nahe gekommen – das ist sehr unterhaltsam und erklärt viel über Politik. Eine zweite Biografie über von der Leyen soll in Kürze erscheinen.
Stolze Zahl an Feinden
Dausend und Niejahr präsentieren keine klassische Lebensgeschichte. Sie ergründen, wie diese zierliche Person in der Politik so kometenhaft aufsteigen konnte. Es ist das Psychogramm einer Furchtlosen, die in eigener Sache unterwegs ist. Sie lässt sich kaum auf Konflikte über Werte und Interessen ein, sie stellt ihre Politik als intelligente Problemlösung dar. Wer anderes denkt, ist eben nicht so schnell im Kopf oder hat sich noch nicht genug mit einem Thema beschäftigt.
So will Ursula von der Leyen die Bundeswehr attraktiver machen
Die Bundesregierung will die Bundeswehr zu einem der attraktivsten Arbeitgeber Deutschlands machen. Hier wichtige Punkte des gebilligten Gesetzentwurfs.
Prämien und Zuschläge
Um hoch qualifiziertes Personal zu binden, soll auch die Bundeswehr künftig Prämien und Zuschläge auszahlen können. Diese sollen 20 Prozent der ersten Stufe des Grundgehalts betragen, über einen Zeitraum von vier Jahren.
Für die 42.450 Zeitsoldaten mit Mannschaftsdienstgraden sollen Aufstiegschancen verbessert werden. Statt bisher 20 Prozent von ihnen sollen künftig bis zu 50 Prozent die höchste Laufbahnstufe erreichen können.
Durch eine Nachversicherung sollen die Renten für Zeitsoldaten verbessert werden. Damit sollen sie zivilen Arbeitnehmern gleichgestellt werden.
Bisher können nur Soldaten mit Kindern unter 18 Jahren oder für die Pflege eines Angehörigen Teilzeit arbeiten. Künftig soll es keine Beschränkungen mehr geben.
Erstmals wird es bei der Bundeswehr eine gesetzlich geregelte Arbeitszeit von 41 Stunden in der Woche und Regeln für die Vergütung von Überstunden geben.
Der Wehrsold soll zum 1. November 2015 um 60 Euro erhöht werden. Das entspricht rund sieben Prozent des derzeitigen Solds von 777 bis 1146 Euro pro Monat.
Für besonders schwere Jobs, etwa Minentaucher oder Arbeitsplätze im Bunker, sollen 20 teilweise seit Jahren unveränderte Zuschläge um bis zu 40 Prozent erhöht und drei neue Erschwerniszulagen eingeführt werden. Davon sollen insgesamt 22.000 Soldaten und 500 Zivilbeschäftigte profitieren.
Das stößt Parteigänger wie Gegner vor den Kopf. Als Solistin lebt sie allein davon, dass sie gesellschaftliche Mehrheiten mobilisieren kann. Solidarität aus ihrer Partei kann sie kaum erhoffen. Der Grüne Jürgen Trittin, auch er ein Niedersachse und nur vier Jahre älter als sie, lästert bei der Vorstellung des Buches am Mittwochabend in Berlin anerkennend: „Die Zahl ihrer Feinde in der Union ist wahrscheinlich größer als die in anderen Parteien.“ Das bedeute aber nicht, dass sich CDU und CSU nicht doch hinter ihr scharten, wenn's drauf ankomme. Dann nämlich, wenn sie nach Merkel die wäre, die das Kanzleramt halten kann.
Ursula Gertrud von der Leyen, geborene Albrecht, in der Familie Röschen genannt, ist eine Umarmerin. Die 56-Jährige tut das nicht nur öffentlichkeitswirksam bei Kindern und alten Menschen. Es ist auch ihre politische Strategie, die sie bei Widersachern einsetzt. Die hält sie so auf Abstand und überfordert sie. Sie spricht nie von Gegnern.
Ein Bischof regte sich einst über das von ihr eingeführte Elterngeld auf, sie lässt durchblicken, dass sie wohl beide das Beste für Familien wollten, der ältere Herr vielleicht nur noch nicht alles bedacht habe. So macht sie das auch mit Herrschaften in der CDU, wenn die gegen Quoten oder „Vätermonate“ beim Elterngeld wettern.