Bundeskartellamt Schärfere Waffen gegen digitale Plattformen

Ausgestattet mit neuen Kompetenzen überprüft das Bundeskartellamt derzeit Vergleichsportale. Bei möglichen Verstößen kann die Behörde aber nichts machen. Ein Unding, finden die Grünen und fordern eine Gesetzesänderung.

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Millionen Verbraucher informieren sich über Vergleichsportale im Internet - und schließen dann Verträge über hohe Summen ab. Nun prüfen Wettbewerbshüter erstmals Check24 und Co. Echte Durchgriffsrechte hat die Behörde aber nicht. Quelle: dpa

Berlin Am ersten November ist es so weit: Die kleine Sondierungsgruppe der möglichen Jamaika-Partner aus CDU,CSU, FDP und Grünen berät neben etlichen anderen Themen auch über die künftige Verbraucherpolitik. Einen ersten Handlungsbedarf haben die Grünen schon ausgemacht.

Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Renate Künast fordert für das Bundeskartellamt mehr Kompetenzen beim Verbraucherschutz. Die Internetwirtschaft sei ein „wichtiger und problematischer Markt“, sagte Künast dem Handelsblatt: „Ein Update des Wettbewerbsrechts ist hier überfällig, um zu verhindern, dass digitale Plattformen immer größer werden und ihre Marktmacht beim Datenschutz oder anderswo missbrauchen können.“ Künast plädiert für eine „bessere Verzahnung“ von Verbraucherschutzrecht, Wettbewerbsrecht und dem Datenschutz. „Eine Neuausrichtung der digitalen Verbraucherrechte und ihrer Durchsetzung ist nötig“, sagte sie.

Im Rahmen der Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) hatte die Behörde erst im Frühjahr zusätzliche Kompetenzen erhalten. Mit der am Dienstag eingeleiteten Untersuchung von Vergleichsportalen nutzt das Kartellamt erstmals diese neuen Befugnisse als „Verbraucherschutzbehörde“ für das Internet. Allerdings beschränken sich diese lediglich darauf, mögliche Missstände aufzudecken. Eigene Entscheidungs- und Durchsetzungsbefugnisse im Verbraucherschutz, etwa das Abschöpfen widerrechtlicher Gewinne, hat das Amt nicht. Im Zweifel müssen anschließend Gerichte aktiv werden. Die bisherige Stärkung des Amtes im Sinne des kollektiven Verbraucherschutzes  sei daher „nur ein erster Schritt“, sagte Künast.

Die aktuelle genannte Prüfung der Vergleichsportale, um mögliche Verstöße gegen verbraucherrechtliche Vorschriften zu ermitteln, begrüßte Künast. Viele Verbraucher vertrauten auf die Angaben der Portalbetreiber und richteten ihre Kaufentscheidung maßgeblich daran aus. „Wer sich aber nur auf Vergleichsportale verlässt, ist manchmal selber verlassen“, sagte die Grünen-Politikerin. „Deshalb sollten die Portale hohen Transparenzanforderungen hinsichtlich Preis, Zustandekommen des Rankings sowie ihrer Marktabdeckung gerecht werden.“ Für Verbraucher müsse erkennbar sein, welche Leistung ein Portal biete und welche nicht. In diese Richtung zielt auch die Prüfung durch das Bundeskartellamt. Im Zentrum sollen Portale für Reisen, Energie Versicherungen, Finanzdienstleistungen und Telekommunikation stehen.

Kartellamtspräsident Andreas Mundt betonte, Millionen von Verbrauchern informierten sich täglich mit Hilfe von Vergleichsportalen im Netz. Dabei gehe es um Buchungen über hohe Beträge und weitreichende Vertragsabschlüsse. „Wir müssen sicherstellen, dass die Verbraucher sich dabei auf die Zuverlässigkeit, die Objektivität und die Transparenz der Portale verlassen können“, sagte der Chef der Wettbewerbsbehörde.

Offen ist aber, was passiert, wenn die Behörde tatsächlich Missstände aufdecken sollte. Denn sie könne zwar die Vorgänge untersuchen und mögliche Verstöße beim Verbraucherschutz beim Namen nennen, habe aber vom Gesetzgeber bislang keine Möglichkeiten eingeräumt bekommen, dagegen vorzugehen, hieß es in Bonn. Hier setzen die Überlegungen der Grünen an. In einem Entschließungsantrag der Fraktion vom März wird etwa gefordert, die Kompetenzen des Bundeskartellamts auf den wirtschaftlichen Verbraucherschutz auszuweiten, mit der Möglichkeit, bei Verstößen gegebenenfalls auch Sanktionen zu verhängen.

Die Behörde könne damit „missbräuchliches Verhalten gegenüber Verbraucherinnen und Verbrauchern auch ohne den Nachweis einer marktbeherrschenden Stellung ahnden“, heißt es in dem Antrag. „Es soll vor allem dort aktiv werden, wo behördliche Kompetenzen nötig sind, um Verstöße effektiv aufdecken und sanktionieren zu können. Die Verbraucherbeschwerden könnten, so der Plan der Grünen, nach wie vor von den Verbraucherzentralen gesammelt werden „und in den gegebenen Fällen an das Bundeskartellamt weitergeleitet werden“.

Die Absicht der Grünen, das Bundeskartellamt zu einer echten Verbraucherschutzbehörde auszubauen, scheiterte seinerzeit vor allem am Widerstand von CDU und CSU. Möglich war nur eine Minireform des Kartellrechts. Behördenchef Mundt sprach denn auch seinerzeit mit Blick auf die Eingriffsmöglichkeiten von einem „ersten Schritt“. Zugleich äußerte er die Erwartung, dass die Diskussion über die Befugnisse seiner Behörde nach der Bundestagswahl weitergehen werde.

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