Bundesnetzagentur Kandidaten manövrieren sich ins Aus

Die Besetzung des Chefpostens bei der Bundesnetzagentur gerät zur Posse. Bisher sah es nach einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Noch-Präsident Matthias Kurth und dem CDU-/CSU-Kandidaten Gernot Reichle aus. Jetzt werfen sich beide aus dem Rennen.

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Eigentlich schien es so, als sei die Wahl von Gernot Reichle zum neuen Präsidenten der Bundesnetzagentur nur noch Formsache. CDU und CSU hatten sich auf den Abteilungsleiter im Bundesverkehrsministerium verständigt. Auch Kanzlerin Angela Merkel hatte sich für Reichle ausgesprochen. Als Experte für Technologie, Verkehr und Telekommunikation gilt der Regierungsbeamte als Idealbesetzung für die Nachfolge von SPD-Mann Matthias Kurth. Unter mehreren Ministern aus beiden Lagern hatte Reichle im Bundeswirtschaftsministerium und im Bundesverkehrsministerium gearbeitet. Da schien ein hohes Maß an Zustimmung bei der Wahl gewiss, die für nächsten Montag anberaumt ist.

Reichles Frau arbeitet bei der Telekom

Über ein Detail könnte Reichle jetzt doch noch stolpern. Seine Frau, Gabriele Höffgen-Reichle, arbeitet seit zwei Jahren bei der Deutschen Telekom. Ausgerechnet zu dem Konzern, der besonders stark von den Regulierungsentscheidungen der Bundesnetzagentur betroffen ist, gibt es also in der Familie Reichle ein Abhängigkeitsverhältnis.

Als Mitarbeiterin in der Personalabteilung ist Reichles Ehefrau zwar nicht mit Regulierungsfragen beschäftigt. Doch der künftige Präsident einer Bundesbehörde tritt sein Amt mit dem Makel an, nicht ganz so unabhängig gegenüber den betroffenen Unternehmen zu sein, wie es das Gesetz vorschreibt. Das könnte viele Mitglieder im Beirat der Bundesnetzagentur davon abhalten,  Reichle ihre Stimme zu geben. Möglich ist deshalb durchaus, dass die Unionsfraktion schon vorher Reichle zurückzieht und mit einem ganz anderen Kandidaten in die Beiratssitzung zieht.

SPD fehlt die Alternative

Die Kandidatenkür gerät vollends zur Posse, weil auch der SPD eine Alternative fehlt. Kontrahent Kurth, der insgeheim auf eine weitere Amtszeit hofft und von FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle eine entsprechende Zusage bekommen haben soll, muss sich ein neues politisches Betätigungsfeld suchen. Regierung und Opposition haben völlig übersehen, dass eine weitere Verlängerung seiner Amtszeit überhaupt nicht möglich ist. Das Gesetz über die Bundesnetzagentur sieht vor, dass die Amtszeit eines Präsidenten nur ein einziges Mal verlängert werden darf. SPD-Mann Kurth hat aber schon zwei Verlängerungen bekommen – muss also im Februar aus dem Amt ausscheiden.

Nur knappe Regierungsmehrheit

CDU, CSU und FDP verfügen derzeit nur über die äußerst knappe Mehrheit von einer Stimme im Beirat der Bundesnetzagentur. Diese Mehrheit wackelt, sobald das inzwischen von den Grünen und der SPD regierte Baden-Württemberg einen Vertreter in den  Beirat entsendet. Das Gremium, das  sich aus Mitgliedern von Bundestag und Bundesrat zusammensetzt, besitzt das Vorschlagsrecht bei der Wahl eines neuen Präsidenten. Vom Bundeswirtschaftsminister – also Philipp Rösler - wird er schließlich ernannt.

Der Präsident der Bundesnetzagentur ist einer der einflussreichsten Wirtschaftspolitiker im Lande. Die Intensität des Wettbewerbs in wichtigen Branchen wie der Telekommunikation, dem Energiesektor sowie Post und Bahn hängt von seinen Entscheidungen ab. Ob es einen Blackout durch die  Energiewende gibt oder entlegene Landstriche ohne einen schnellen Internetanschluss auskommen müssen, bestimmt letztlich die in Bonn ansässige Superbehörde. Und dabei steht der Präsident immer vor einer Gratwanderung. Forciert er durch verbraucherfreundliche Entscheidungen den Preiswettbewerb, schlägt das direkt auf die Gewinne durch, und die betroffenen Unternehmen stellen Infrastruktur-Investitionen zurück. Erleichtert er Infrastruktur-Investitionen, besteht die Gefahr, bis heute vorhandene Monopolstrukturen zu konservieren.

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