
Die wichtigste Prüfung für angehende Spitzenpiraten hat Julia Schramm bereits bestanden: Die 26-Jährige hat schon etliche Shitstorms durchlebt. So war ein Sturm an Beschimpfungen über sie hineingebrochen, als sie zu Jahresbeginn ihre Verlobung mit dem Berliner Abgeordneten der Piraten Fabio Reinhardt via Twitter bekanntgab. „21. Jahrhundert und dann heiraten, wie rückständig ist das denn?“, schrieb Reinhardts-Abgeordnetenkollege Gerwald Claus-Brunner. Doch solche Kritik an der „Konterrevolution des Spießbürgers“ amüsiert die Feministin Schramm eher: In der Folge nannte sie sich kokett „Politikergattin“.
Möglicherweise läuft Schramm ihrem Politikergatten in Sachen Prominenz bald den Rang ab. Beim morgigen Bundesparteitag in Neumünster kandidiert sie für den Bundesvorsitz und fordert damit den amtierenden „Piraten-Kapitän“ Parteichef Sebastian Nerz heraus. Die Führungsfrage wird das spannendste Thema neben einigen grundsätzlichen Fragen.
Streit um Dauer der Amtszeit
Bislang wird der Vorstand stets nur für ein Jahr gewählt, doch diese Praxis gerät in die Kritik. „In einem Jahr schafft man kaum etwas“, sagt Jens Seipenbusch, der von 2009 bis 2011 Parteichef war. Er fordert eine Verlängerung auf zwei Jahre.
Denn statt ihre Inhalte weiterzuentwickeln, verlieren die Piraten auf den Parteitagen viel Zeit mit Personalfragen. Und die im kommenden Jahr anstehende Bundestagswahl wird diese Debatte verschärfen: Nach der geltenden Satzung müssten die Piraten 2013 kurz vorher ihre Parteispitze schon wieder neu wählen.





Julia Schramm will trotzdem nicht an der Einjahresperiode rütteln: „Eine Verlängerung der Amtszeit des Bundesvorstands halte ich für falsch“. Stattdessen schlägt sie vor, im kommenden Jahr einfach nach der Bundestagswahl über den Vorstand zu entscheiden.
Denn auch wenn es gute Argumente für eine längere Amtszeit gibt, würden manche Kandidaten sich darauf gar nicht einlassen. Immerhin machen sie die Vorstandsjobs ehrenamtlich und mit der zunehmenden Popularität ist auch die Arbeitsbelastung enorm gestiegen. Neben Job oder Studium noch eine der aktuell populärsten deutschen Parteien zu führen scheint auf Dauer kaum noch möglich.
Dominante Führung unerwünscht
Diese Erfahrung hat auch Marina Weisband gemacht. Die politische Geschäftsführerin ist in der Öffentlichkeit zum Gesicht der Piraten geworden, doch trotz der Popularität, die sie auch innerhalb der Partei genießt, tritt Weisband nicht wieder an. Sie will eine Auszeit nehmen und ihr Psychologie-Studium abschließen – und heiraten.
Sicherlich kann sie trotzdem auch künftig in Talkshows für die Piraten sprechen, Christopher Lauer ist dafür das beste Beispiel.
Der Berliner Abgeordnete war vor Weisband Geschäftsführer und hat sich im Vorjahr vergeblich um den Parteivorsitz bemüht. Denn viele Piraten wollen keine zu dominante Parteiführung und bevorzugten den zurückhaltenden Nerz. Das führt zu der kuriosen Situation, dass wohl viel mehr Menschen den einfachen Abgeordneten Lauer kennen, als den im Fernsehen wenig präsenten Parteichef.
Ob die Konstellation auf Dauer funktioniert? Dieser Fragen müssen sich die Piraten jetzt stellen.