Bundespräsident Steinmeier „Die Bundeswehr muss sich auf härtere Zeiten einstellen“

Frank-Walter Steinmeier überreicht Boris Pistorius die Ernennungsurkunde zum Bundesminister der Verteidigung. Quelle: imago images

Bundespräsident Steinmeier sieht die Bundeswehr unter dem neuen Verteidigungsminister Pistorius vor großen Herausforderungen. Deutschlands Russlandpolitik vor Beginn des Ukrainekriegs reflektiert er kritisch.

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Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier verteidigt Deutschlands Engagement für die Ukraine, doch er sieht die Bundeswehr unter dem neuen Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) vor großen Herausforderungen. „Die Bundeswehr muss sich auf härtere Zeiten einstellen. Landesverteidigung und Bündnispflichten bekommen ein ganz anderes Gewicht“, sagte Steinmeier im Interview mit der WirtschaftsWoche. „Spätestens jetzt sehen wir, dass wir entschlossen in unsere Armee investieren müssen, um Sicherheit in unsicherer Zeit garantieren zu können.“

In der Sorge, dass Deutschland mit der Lieferung schwererer Waffen selbst zur Kriegspartei werden könnte, wägt Steinmeier ab. „Selbstverständlich muss sich jeder verantwortliche Politiker auch mit der Frage beschäftigen, wann und unter welchen Umständen es zu einer dramatischen Ausweitung des Konfliktes kommen könnte. Das gehört in die Abwägung, ebenso wie die Folgeneinschätzung über den Preis mangelnder Unterstützung“, sagte der Bundespräsident der WirtschaftsWoche. Ob es mit Blick auf weitere Waffenlieferungen eine Grenze gibt, die die Bundesrepublik nicht überschreiten dürfe, sagte Steinmeier: „Wenn es diese Grenzen geben sollte, wäre es nicht klug, darüber zu reden.“

Der ehemalige Kanzleramtschef und Außenminister reflektiert kritisch Deutschlands Russlandpolitik vor dem Beginn des Angriffskriegs: „Es war ein Fehler, nicht früh genug erkannt zu haben, wie fundamental der russische Staatschef Wladimir Putin seinen Blick auf die Welt revidiert hat, und dass er für seine imperialen Ziele den politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Ruin seines Landes riskiert. Er hat den Westen zu seinem Feind erklärt. Und daraus müssen wir unsere Schlüsse ziehen“, sagte Steinmeier weiter.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier skizziert Deutschlands neue Rolle in der Globalisierung: selbstbewusst, aber pragmatisch gegenüber unbequemen Partnern – und wehrhafter als früher.
von Sonja Álvarez, Max Haerder

Aus den Fehlern im Umgang mit Russland müssten auch Lehren für den Umgang mit China gezogen werden. Deutschland sollte „in sensiblen Bereichen nicht mehr abhängig sein von nur einem einzigen Partner weltweit“, mahnte der Bundespräsident. Im Vergleich zu Russland sei die Abhängigkeit von China „um ein Vielfaches größer und komplizierter“: „Hier kommt es darauf an, mehr Partner zu gewinnen, unsere Lieferanten und Kunden zu diversifizieren“, sagte Steinmeier der WirtschaftsWoche. „Weitere Partner, auch in Asien zu gewinnen, bedeutet nicht das Ende unserer Beziehungen mit China. Es ist ein Gebot der Vorsorge.“

Angesichts der geopolitischen Risiken sieht Steinmeier auch die Exportnation Deutschland vor einer Zeitenwende: „Wir erleben gerade eine neue Phase der Globalisierung. Wir benötigen eine neue Philosophie für diese Globalisierung“, sagte der Bundespräsident im Interview. „Eine breitere Zusammenarbeit, die mehr Staaten und Regionen gleichberechtigt einbindet, ist in dieser neuen Globalisierung wichtiger denn je, aber auch anspruchsvoller denn je, weil das 21. Jahrhundert von der Multipolarität vieler starker, selbstbewusster Nationen geprägt sein wird.

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Das bedeutet für unser Land: Je stärker wir uns vernetzen, desto erfolgreicher werden wir sein“, erklärte Steinmeier. „Wer aber in diesen unsicheren Zeiten einen verstärkten Rückzug ins Nationale fordert, wer naiven Vorstellungen von Autarkie frönt, der muss sich den Vorwurf des Protektionismus gefallen lassen“, sagte der Bundespräsident. „Abschottung dient nicht dem Weltfrieden, sondern gefährdet ihn. Mit Abschottung erwirtschaftet man keinen Wohlstand“, erklärte Steinmeier.

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