
Berlin So hatte sich Bundespräsident Christian Wulff den Abschluss seiner Reise in die Golfregion wohl nicht vorgestellt. Nach einem Zeitungsbericht erwartet das deutsche Staatsoberhaupt in seiner Heimat nun eine Debatte über seine Aufrichtigkeit. Dem deutschen Staatsoberhaupt wird vorgeworfen, das niedersächsische Parlament über seine Beziehungen zu einem Unternehmer nicht ausreichend informiert zu haben.
Den Anstoß für die Zweifel an Wulffs Ehrlichkeit gab ein Bericht der "Bild"-Zeitung (Dienstagsausgabe). Demnach hatte Wulff 2008 ein Darlehen von der Ehefrau des Unternehmers Egon Geerkens für ein Einfamilienhaus angenommen. Zwei Jahre später wurde Wulff, damals noch niedersächsischer Ministerpräsident, in einem anderen Zusammenhang vom niedersächsischen Landtag gefragt, ob er geschäftliche Beziehungen zu Egon Geerkens unterhalten habe. Wulff verneinte dies damals.
Formal ist das richtig, denn Wulff hatte ja lediglich geschäftliche Beziehungen zu Geerkens Ehefrau Edith Geerkens. So argumentiert auch das Bundespräsidialamt. Wulff sei kein Fehlverhalten vorzuwerfen, hieß es in einer Erklärung. Er habe von der Ehefrau des Geschäftsmanns das Darlehen für den Kauf eines privaten Einfamilienhauses erhalten. Der jetzige Bundespräsident habe deshalb zu Recht auf eine entsprechende Abgeordneten-Anfrage geantwortet, dass er keine geschäftlichen Beziehungen zu Herrn Geerkens habe. „Dementsprechend wurde die unmissverständliche Anfrage wahrheitsgemäß verneint“, heißt es in der Erklärung.
SPD und Grüne zweifeln jedoch dennoch an der Aufrichtigkeit des heutigen Staatsoberhaupts.
Der Vorsitzende der Grünen-Landtagsfraktion in Hannover, Stefan Wenzel, fühlt sich getäuscht. „Wulff hat vielleicht korrekt geantwortet, was die Geschäftsbeziehungen mit Geerkens angeht“, sagte er der Nachrichtenagentur Reuters. „Aber es wäre aufrichtig gewesen, auf den Kredit der Unternehmergattin hinzuweisen.“ Schließlich sei es ja eigentlich um die geschäftlichen Beziehungen zwischen den Familien Wulff und Geerkens gegangen. Nach Medienberichten umfasst der Kredit 500.000 Euro.
„Für einen Bundespräsidenten gelten ganz besondere Maßstäbe“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, in Berlin. Wulff müsse ein großes Interesse daran haben, die Fragen aufzuklären.
Die CDU im niedersächsischen Landtag schlug sich dagegen auf die Seite von Wulff. „Es hat seinerzeit eine konkrete Frage an die Landesregierung gegeben, auf die ebenso konkret geantwortet worden ist“, erklärte der Fraktionsvorsitzende Börn Thümler.
Auch CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt stellte sich vor Wulff. Vor der CDU/CSU-Fraktionssitzung wies Dobrindt den Vorwurf zurück, Wulff habe wegen eines privaten Kredits ein Glaubwürdigkeitsproblem. Der Bundespräsident habe zu den Vorwürfen Stellung genommen. „Es gibt nichts, was irgendwie zu kritisieren wäre“, sagte er. „In dieser Stunde“ seien keine Vorwürfe angebracht.
Während sich vor der Fraktionssitzung keine CDU-Politiker zu dem Thema äußern wollten, reagierte auch SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier vorsichtig. „Es ist immerhin das Staatsoberhaupt, da verbieten sich Spekulationen“, sagte er vor der SPD-Fraktionssitzung. Er gehe davon aus, dass Wulff die Vorwürfe aufklären werde.
Auch FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle wollte sich zu den Vorwürfen gegen Wulff nicht äußern. Es sei „gute Übung“, dass über den Bundespräsidenten öffentlich nicht diskutiert werde.
Trittin: Das ist nicht mehr aus der Welt zu bringen
Auslöser der Befragung im Landtag war 2010 nicht der Kredit der Unternehmergattin, sondern ein USA-Urlaub des Ehepaars Wulff. Der damalige Regierungschef hatte den Winterurlaub im Privathaus der Geerkens in Coral Springs in Florida verbracht. Auf dem Flug in die USA hatte er sich von der Economy-Klasse in die komfortablere Business-Klasse heraufstufen lassen, ohne die Mehrkosten zu zahlen. Dies war publik geworden und Auslöser der Fragen der Landtagsopposition.
Edith Geerkens sagte der Online-Ausgabe der Illustrierten „Stern“, der von ihr gewährte Zinssatz von vier Prozent habe dem von Banken entsprochen. Das Darlehen sei nach Angaben der Frau nicht zum Kauf eines Hauses, sondern privat zur freien Verfügung gestellt worden, berichtete der „Stern“. Ihr Mann Egon Geerkens sagte „Spiegel Online“: „Die Bankenkrise begann und man wusste doch nicht, wem man eigentlich noch Geld leihen konnte.“ Eine Geschäftsbeziehung mit Wulff habe er nicht, das Geld stamme von seiner Frau.
„Im Frühjahr 2010 ist dieses Privatdarlehen durch eine Bankfinanzierung mit niedrigerem Zinssatz abgelöst worden“, heißt es in der Erklärung von Wulffs Sprecher Olaf Glaeseker. Mit Edith Geerkens sei Wulff seit vielen Jahren befreundet. Wulff ist nach eigenen Angaben seit Jugendzeiten mit Egon Geerkens eng verbunden.
Der Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Jürgen Trittin, verwies auf die Täuschungsvorwürfe und erklärte: „Das ist - glaube ich - auch nicht mehr aus der Welt zu bringen.“