Bundesregierung Haushalt und Finanzen bestimmt den kommenden Koalitionsausschuss

Neuer Schwerpunkt im Koalitionsausschuss mit neuer Besetzung. Kann das die Dauerstreitthemen Grundsteuer und Grundrente voranbringen?

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Die Spitzen von Union und SPD wollen den Kurs der Koalition neu auszurichten. Quelle: dpa

Berlin Die Spitzen von Union und SPD wollen nach den herben Verlusten bei der Europawahl und personellen Veränderungen bei den Sozialdemokraten den Kurs der Koalition neu auszurichten. Zentrales Thema bei ihrem Koalitionsausschuss am Sonntagabend ist der Haushaltsentwurf für 2020 und die Finanzplanung für die kommenden Jahre.

Union und SPD hatten angekündigt, nach der Europawahl und mit Blick auf die im Herbst anstehenden Landtagswahlen in den ostdeutschen Bundesländern Brandenburg, Sachsen und Thüringen die bisherige Schwerpunktsetzung des Bundeshaushalts überprüfen zu wollen.

Mit diesen Haushalts- und Finanzplanungen der nächsten Jahre sind weitere Themen verbunden, die entweder im Koalitionsvertrag stehen oder sonst ein Handeln der Regierung notwendig machen, wie eine Neuordnung der Grundsteuer oder eine Grundrente. Zudem will die Koalition das Mobilfunknetz möglichst schnell ausbauen und auf den Standard 5G bringen, was in den nächsten Jahren ebenfalls haushaltsrelevant werden soll.

Der Koalitionsausschuss, der sich regelmäßig mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) trifft, kommt erstmals in neuer Besetzung zusammen. Nach dem Rücktritt von Andrea Nahles als SPD-Fraktions- und -Parteivorsitzende werden nun von SPD-Seite der kommissarische Fraktionschef Rolf Mützenich sowie die drei Interims-Parteivorsitzenden Malu Dreyer, Manuela Schwesig und Thorsten Schäfer-Gümbel erwartet.

In den festgefahrenen Streit um eine Reform der Grundsteuer brachte die Aussicht auf eigene Länderregelungen neuen Schwung. Dem Vernehmen nach konnten sich Finanzminister Olaf Scholz (SPD) und das Land Bayern zwar bereits auf einen Kompromiss verständigen. Dieser scheint aber wegen Gegenwehr aus anderen Ländern noch keine Grundlage für eine Gesamteinigung innerhalb der großen Koalition zu sein.

Den Angaben zufolge sieht die Einigung zwischen Bayern und Scholz die Möglichkeit für umfassende Öffnungsklauseln für alle Bundesländer vor, was Scholz bisher abgelehnt hatte. Dafür wäre dann zwingend eine Änderung des Grundgesetzes notwendig.

Überraschend hatte Merkel bei einer Tagung des Deutschen Mieterbunds in Köln angekündigt, dass die Bundesregierung in der kommenden Woche mit großer Wahrscheinlichkeit einen Gesetzentwurf vorstellen wolle, der dann allerdings noch schwierige parlamentarische Beratungen und Erörterungen im Bundesrat zu bestehen haben dürfte.

Ob das Thema tatsächlich Gegenstand der Beratungen des Koalitionsausschusses wird, ist allerdings offen. Das Bundesverfassungsgericht hatte wegen veralteter Bemessungsgrundlagen eine Neuregelung der Grundsteuer bis Ende 2019 verlangt.

Kurz vor dem Treffen am Sonntagabend forderte Sozialminister Hubertus Heil (SPD) die Union zu Verhandlungen über die geplante Grundrente auf. Ab Montag könnte man mit den Verhandlungen loslegen, und in diesem Sommer zu einer Lösung kommen, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Samstag). Zugleich pochte er auf eine Grundrente, bei der es anders als im Koalitionsvertrag vereinbart keine Bedürftigkeitsprüfung gibt. Das lehnt die Union bisher kategorisch ab.

Die Koalitionsfraktionen von Union und SPD kündigten bei ihrer Klausurtagung vergangene Woche an, als eines der nächsten Projekte den Ausbau des Mobilfunknetzes vorantreiben zu wollen. Dazu solle eine neue Mobilfunk-Infrastrukturgesellschaft des Bundes für den Bau von Mobilfunkmasten in unversorgten Regionen eingerichtet werden.

Der Bund soll mit der neuen Gesellschaft dort eingreifen, wo der privatwirtschaftliche Ausbau nicht funktioniere und weiterhin weiße Flecken bestünden. Gleichzeitig wolle man den Sprung zum nächsten Mobilfunkstandard 5G schaffen. Diese Vorhaben werden den Angaben zufolge in Teilen bereits im kommenden Jahr haushaltswirksam.

Und nach monatelangem Streit wollen die Fraktionen nun doch an der Abschaffung des Solidaritätszuschlags für lediglich 90 Prozent der Steuerzahler festhalten, wie im Koalitionsvertrag vereinbart. Dieser Schritt solle ab 2021 greifen, wie aus einem Beschluss hervorgeht. Der Fiskus würde damit auf rund zehn Milliarden Euro Steuereinnahmen pro Jahr verzichten, was etwa der Hälfte des heutigen Aufkommens aus dem Soli entspricht.

Zuletzt war aus der Union die Forderung nach einer kompletten Abschaffung des Soli gekommen. Unionsfraktionsvize Carsten Linnemann (CDU) forderte die SPD in der „Rheinischen Post“ (Samstag) auf, im Gegenzug für den Verzicht der Union auf die vollständige Soli-Abschaffung ihrerseits eine Grundrente mit Bedürftigkeitsprüfung zu akzeptieren.

FDP und Arbeitgeberverband Gesamtmetall forderten die völlige Abschaffung des Solis als rechtlich geboten. Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion im Bundestag, Marco Buschmann, sagte der dpa: „Der Soli belastet nicht nur die Bürger, sondern auch die kleinen und mittleren Betriebe.“

Der Hauptgeschäftsführer des Metall-Arbeitgeberverbandes, Oliver Zander, sagte dpa, wenn die große Koalition nicht einmal mehr dafür die Kraft aufbringe, das seit fast drei Jahrzehnten wiederholte Versprechen einzuhalten und den Soli vollständig abzuschaffen, sei das ein glatter Wortbruch und ein Armutszeugnis zugleich. „Das Bundesverfassungsgericht wird diese Ungerechtigkeit aus der Welt schaffen.“

Mehr: Die Mieten in Deutschland steigen. Die SPD will eine drastische Lösung anbieten.

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