Bundesregierung und VW-Skandal „Auf Schmusekurs mit der Autoindustrie“

Von Justizminister Maas kam im Zuge des VW-Skandals der Vorschlag, eine Schlichtungsstelle einzurichten. Doch die Regierung kommt mit dem Vorhaben nicht voran. Entsprechend groß ist der Unmut in der Opposition.

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Sein Ministerium hat die Idee einer Schlichtungsstelle für Neuwagen-Käufer ersonnen. Doch ob das Vorhaben tatsächlich realisiert wird, steht in den Sternen. Quelle: Reuters

Berlin Die Bundesregierung kommt bei der Einrichtung einer Schlichtungsstelle für Neuwagenkäufer nicht voran. Das geht aus einer dem Handelsblatt vorliegenden Antwort der Regierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Bundestagsabgeordneten Renate Künast hervor.

In der Antwort heißt es mit Blick auf das von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) im Zuge des VW-Skandals im Januar angekündigte Vorhaben: „Die Bundesregierung ist mit ihren Beratungen zu einer unabhängigen Verbraucher-Schlichtungsstelle im Bereich des Neuwagenkaufs noch nicht zu einem abschließenden Ergebnis gelangt. Es ist deshalb nicht möglich, einen konkreten Zeitplan anzugeben.“

Die Schlichtungsstelle, so die Idee, soll dabei helfen, Beschwerden von Kunden bei Neuwagenkäufen außergerichtlich beizulegen. Künast kritisierte, dass die Verbraucher nunmehr auf eine solche außergerichtliche Streitbeilegung „bis zum Sankt Nimmerleinstag“ warten könnten.

Verbraucher hätten Rechte. „Dazu gehört das Recht auf Transparenz, wahrheitsgemäße Produktangaben und Schadensersatz“, sagte Künast dem Handelsblatt. „Doch die Bundesregierung tritt diese Rechte mit Füßen und fährt stattdessen auf Schmusekurs mit der Autoindustrie.“ Durch den Abgasskandal hätten „nicht nur große Teile der deutschen Automobilindustrie das Vertrauen der Verbraucher verspielt, sondern auch die Bundesregierung“.

Dass seitens der Regierung das Thema Schlichtungsstelle offenbar keine besondere Priorität zu haben scheint, verwundert insofern, als die Vorbereitungen dazu schon sehr lange laufen. Entsprechend zuversichtlich gab sich der parlamentarische Staatssekretär im Justizministerium, Ulrich Kelber (SPD), im April. Damals sagte er dem Handelsblatt: „Ich gehe davon aus, dass wir noch in diesem Jahr den Beschluss für eine solche Schlichterstelle vorliegen haben.“ Man sei bereits in Gesprächen mit der Branche. Derzeit würde noch geklärt, wie die Unabhängigkeit und Finanzierung der Schiedsstelle sichergestellt werden könnten, betonte Kelber seinerzeit.

Bereits im Dezember 2015 hatte Kelber im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz des Bundestags eine außergerichtliche Schiedsstelle angekündigt. „In dieser können Beschwerden von Kunden im Zusammenhang mit Neuwagenkäufen, aber auch andere Beschwerden im Kfz-Bereich geschlichtet werden“, hieß es damals in einem Papier, das an die Ausschussmitglieder ging.

Die Anforderungen an die Schlichtungsstelle sind seit dem im April in Kraft getretenen Verbraucherstreitbeilegungsgesetz hoch. So soll die Stelle etwa einen unabhängigen Beirat gründen. Dazu müssen allerdings möglichst viele Branchenvertreter die Stelle unterstützen.

Doch schon damals deuteten sich Umsetzungsschwierigkeiten an. Zumindest für den Bereich Neuwagenkauf sah man seinerzeit beim Verband der Automobilindustrie (VDA) wenig Bedarf für eine Schlichtungsstelle. Grundsätzlich gebe es im Zusammenhang mit dem Kauf von Neuwagen wenige Probleme, weil eine umfangreiche Herstellergarantie greife, sagte damals ein Sprecher des Verbands.

Die Verbraucherschützer hingegen drängten damals schon auf eine schnelle Schaffung der Schlichtungsstelle, weil damit vergleichsweise unbürokratisch ein Streit zwischen Kunden und Autokonzern beigelegt werden kann.

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