Bundesregierung verfehlt Pläne Sag zum Impfziel leise Servus

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) präsentiert ein Plakat für eine neue Impfkampagne während einer Pressekonferenz nach einem Treffen im Kanzleramt. Quelle: dpa

Erst lief es gut für die Ampel und ihre Ziele zur Immunisierung der Bevölkerung gegen Corona. Nun distanzieren sich Gesundheitsexperten von den selbst gesetzten Marken – oder machen Versäumnisse der alten Koalition aus.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

In dieser Woche hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) eine neue Impf-Werbekampagne vorgestellt, einer der Slogans lautet: „Impfen hilft. Auch allen, die es nicht mehr hören können.“ Impfen, Impfen, Impfen ist weiterhin die Losung und immer noch die angestrebte Lösung: 80 Prozent der Menschen im Land sollten bis zum Monatsende Januar wenigstens ihre erste Spritze erhalten haben. Das hatte der Kanzler Anfang des Jahres als Ziel ausgegeben. Auch als Mahnung an jene, die die von ihm ebenfalls geforderte Impfpflicht gegen das Coronavirus nicht für notwendig oder angemessen halten.

Die neue Kampagne der Regierung soll es nun richten. Doch bis 31. Januar kann sie keinen großen Unterschied mehr machen; das Ziel wird verfehlt werden. Ohnehin kommt die neue Werbung eher spröde gestaltet daher, so spannend wie ein Autobahnraststätten-Wertbon.

Schaut man nach Frankreich, wird klar, dass etwas mehr Wumms und Esprit der Kampagne gut tun könnte. Ein Motiv beim Nachbarn zeigt das pralle Leben – ein ausgehfeines Paar kurz vor dem Kuss, darüber gelegt der Satz „Ja. Impfen kann erwünschte Nebenwirkungen haben.“

Zugegeben, an der drögen deutschen Kampagne allein wird es nicht liegen, dass erneut ein Ziel der Regierung gerissen wird und sich nun auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) von der Maßgabe still von ihr verabschiedet, sich zumindest sehr skeptisch zeigt. Es werde sehr, sehr schwer, ließ er bereits wissen.

Auch der FDP-Gesundheitsobmann im Bundestag, Andrew Ullmann, sieht 80 Prozent bis Ende Januar nicht mehr haltbar. Der Arzt sagt, die Ampel habe jedoch alles ihr Mögliche getan fürs Impfen. „Dafür musste eine ganz neue Impf-Infrastruktur aus dem Boden gestampft werden, weil die Vorgängerregierung nahezu alle Impfzentren geschlossen hat.“ Und er lobt den Gesundheitsressortchef Lauterbach. Dieser habe „gute Arbeit geleistet und ich bin mir sicher, dass er auch weiterhin eine gute Impfkampagne managen wird“. 

Doch die Zahlen sind nicht ganz so freundlich wie die Worte. Bis 26. Januar sind nun nach den offiziellen Zahlen 61,2 Mio. Menschen oder 73,6 Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft. Rund 42,6 Mio. Menschen haben inzwischen die dritte zusätzliche Auffrischimpfung bekommen. Aktuell also liegt die die Zahl der Erstgeimpften bei 62,8 Millionen oder 75,6 Prozent der Menschen im Land. Gar nicht geimpft sind 20,3 Millionen oder 24,4 Prozent der Bevölkerung. Darunter sind allerdings auch vier Millionen kleine Kinder zwischen null und vier Jahren, für die bislang kein Vakzin zugelassen ist.

Das interessiert WiWo-Leser heute besonders

Geldanlage Das Russland-Risiko: Diese deutschen Aktien leiden besonders unter dem Ukraine-Krieg

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine belastet die Börsen. Welche deutschen Aktien besonders betroffen sind, zeigt unsere Analyse.

Krisenversicherung Warum Anleger spätestens jetzt Gold kaufen sollten

Der Krieg in der Ukraine und die Abkopplung Russlands von der Weltwirtschaft sind extreme Inflationsbeschleuniger. Mit Gold wollen Anleger sich davor schützen – und einer neuerlichen Euro-Krise entgehen.

Flüssigerdgas Diese LNG-Aktien bieten die besten Rendite-Chancen

Mit verflüssigtem Erdgas aus den USA und Katar will die Bundesregierung die Abhängigkeit von Gaslieferungen aus Russland mindern. Über Nacht wird das nicht klappen. Doch LNG-Aktien bieten nun gute Chancen.

 Was heute noch wichtig ist, lesen Sie hier

Bis 31. Januar, dem kommenden Montag, werden die Ankündigungen nicht mehr eingeholt.  Zunächst hatte Scholz Mitte November angekündigt, er wolle bis Weihnachten 30 Millionen Dosen Drittimpfungen, so genannte Booster, verabreicht wissen. Am 15.  Dezember gab der frisch gewählte Kanzler das Ziel 30 Millionen Erst-, Zweit- und Booster-Impfungen bis zum Ende des Jahres 2021 aus. Auch gezählt ab Mitte November. Dann wurde das Ziel gar schon bis Weihnachten erreicht.

Dann jedoch begannen sich Ziele und Zustände voneinander zu entfernen. Die zunächst aufgerufene Marke von 80 Prozent Erstgeimpften bis zum 7. Januar verfehlte die Regierung komplett. Und die neue, noch geltende Zielmarke bis Ende Januar 2022 ist auch zu ambitioniert. Im Ressort des  Bundesgesundheitsministers werden Prognosen zum Monatsende auf Nachfrage gar nicht mehr gemacht. Dort verweist man aufs Bundeskanzleramt.

Nach den Zahlen des Robert-Koch-Instituts (RKI) werden im Schnitt weniger als 50.000 Erstimpfungen am Tag verabreicht oder innerhalb von sieben Tagen mehr als 300.000. In diesem Maßstab weiter gerechnet ist der Anteil von 66,6 Millionen zumindest einmal Immunisierten nicht mehr zu schaffen.

Scholz' Ziel von 80 Prozent würde bei gleichbleibendem Tempo womöglich erst Ende April erreicht. Logistisch scheint es durchaus möglich, täglich mehr als 200.000 Menschen eine erste Impfung zu verabreichen. Im April, Mai und Juni 2021, als freilich noch sehr viele Impfzentren geöffnet hatten, wurden durchgehend fast doppelt so viele Menschen pro Tag die erste Dosis verabreicht.

Dennoch will der Bundestagsabgeordnete Ullmann als Liberaler keine Impfpflicht als letztes Mittel gegen die Vakzin-Unwilligen oder vielleicht Bequemen einführen, wie sie am Mittwoch im Bundestag debattiert wurde. Arzt Ullmann sieht seine eigene Profession in der Pflicht: „Wir schlagen ein medizinisches, professionelles und persönliches Aufklärungsgespräch vor. Dieses soll verpflichtend für alle ungeimpften Bürger in unserem Land stattfinden.“ So könne Falschnachrichten und Sorgen in der Bevölkerung am besten begegnet werden, glaubt er. Ärztinnen und Ärzte könnten hier am besser überzeugen als Politikerinnen und Politiker. 

Und womöglich auch effektiver als jede Werbekampagne.

Mehr zum Thema: Die Debatte zur Einführung einer Impfpflicht gegen das Coronavirus stockt. Doch überfüllte Intensivstationen und immer neue Freiheitseinschränkungen sind keine Notwendigkeit, wenn die Politik endlich entschlossen handelt. 

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%