Der designierte Vorsitzende Christian Lindner versucht es zunächst mit verbaler Erneuerung. Die FDP brauche nun "eine Phase der Besinnung und Neuorientierung". Es sei "nicht alles" falsch gewesen, aber bisher habe man zu sehr auf sprachliche Schärfe gesetzt und darüber die Inhalte vernachlässigt. Deshalb: "Ein ‚Weiter-So‘ kann es nicht geben." Und schlägt gleichwohl genau dies vor. Keine Änderung in der Europapolitik, denn da stehe die Partei "in der Tradition von Walter Scheel und Hans-Dietrich Genscher".
Eine Mittellage versucht Michael Theurer, Europaabgeordneter aus Baden-Württemberg. Eine europakritische Partei hält auch er in Deutschland nicht für regierungsfähig. Aber ansonsten gehe es um die Frage: "Traditionspartei oder progressive Reformpartei?" Auch liberale Wähler wollten einen funktionierenden Staat, aber die FDP habe man in den vergangenen Jahren mit den falschen Attributen verbunden: "Wir standen für Lobbyismus statt für Liberalität, für Freibetrag statt Freiheit, für Klientel statt klare Kante." Bis zur Europawahl im Mai müsse die Partei wieder "den Nerv der Bürger treffen".
Die AfD kann mit Zuversicht auf die Wahl zum Europäischen Parlament blicken. Nicht nur, dass ihre Mitglieder und Anhänger berauscht sind, weil sie bereits ein halbes Jahr nach der Parteigründung so knapp an die Fünf-Prozent-Hürde herangekommen sind. Auch die politischen Rahmenbedingungen entwickeln sich günstig: Bei der nächsten Abstimmung sind Euro und Europa automatisch die Hauptthemen, die sich nicht einfach verdrängen lassen. Auch dürften bis dahin die nächsten Zahlungswünsche aus dem einen oder anderen Krisenstaat eingetrudelt sein, die der AfD neue Munition liefern. Und schließlich gilt bei der Abstimmung für Straßburg nicht die Fünf-Prozent-Klausel. Drei Prozent genügen. Die 4,7 Prozent vom vergangenen Sonntag würden da bereits für vier Abgeordnetensitze reichen.
Auf die Minihürde richten sich auch die Hoffnungen der FDP. Zwar wird ein Kampf um die wenigen sicheren Listenplätze und den optimalen Spitzenkandidaten entbrennen. Aber dass die Liberalen auch im nächsten Europaparlament vertreten sein werden, daran zweifeln nicht mal anti-liberale Untergangspropheten.