Zur Abfederung der hohen Energiepreise fällt auf Erdgaslieferungen und Fernwärme ab Oktober weniger Mehrwertsteuer an. Der Bundestag beschloss, dass der Steuersatz wegen der Energiekrise vorübergehend von 19 auf 7 Prozent gesenkt wird. Das soll bis Ende März 2024 gelten.
Die Gaspreise stiegen immer weiter, begründete Finanzminister Christian Lindner (FDP) die Steuersenkung. „Und der Staat darf nicht Profiteur davon sein, dass für die Menschen das Leben teurer wird.”
Die Ampel-Koalition forderte die Energielieferanten auf, die Steuersenkung in voller Höhe an die Verbraucher weiterzugeben. „Dass sie an die Verbraucherinnen weitergegeben wird, das kann der Staat leider nicht garantieren”, räumte die Finanzpolitikerin der Grünen, Katharina Beck, ein. „Und außerdem entlastet man diejenigen, die viel verbrauchen und tendenziell mehr Geld haben, als die, die wenig verbrauchen und tendenziell weniger Geld haben.” Trotzdem sei das Gesamtpaket richtig.
Das bedeutet die Senkung konkret
Nach Rechnung des Vergleichsportals Verivox müssten die Preise bei voller Weitergabe an die Verbraucher um 7,3 Prozent sinken. Für eine Familie mit einem Gasverbrauch von 20.000 Kilowattstunden bedeute das eine Entlastung von 366 Euro im Jahr.
Die oppositionelle Union kritisierte, bei einer Verdrei- oder Vervierfachung des Gaspreises sei das nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Unter dem Strich könne es sogar passieren, dass ein Haushalt selbst mit dem niedrigen Steuersatz durch die hohen Preise noch mehr Mehrwertsteuer zahle als zuvor bei niedrigen Preisen und höherem Steuersatz.
Etwa die Hälfte aller Wohnungen in Deutschland wird mit Gas beheizt, rund 14 Prozent der Haushalte, vor allem Mieter in Ostdeutschland, nutzen Fernwärme. Insgesamt nimmt der Staat nach Rechnung des Finanzministeriums durch die Steuersenkung bis 2024 rund 13 Milliarden Euro weniger ein.
Eigentlich wegen der Gasumlage eingeführt
Ursprünglich war die Steuersenkung auf den Weg gebracht worden, damit der Staat nicht an der umstrittenen Gasumlage für alle Gaskunden mitverdient. Diese Umlage sollte helfen, angeschlagene Gasimporteure zu stützen, die ihr Geschäft bisher auf billiges russisches Gas aufgebaut hatten. Am Donnerstag beschloss die Bundesregierung jedoch, die Gasumlage zu kippen und die drei betroffenen Unternehmen auf anderem Weg zu stabilisieren. An der Mehrwertsteuersenkung hält die Ampel-Koalition trotzdem fest, um die Verbraucher weiter zu entlasten.
Die Energiespar-Vorgaben der Bundesregierung
- Durchgangsbereiche wie Flure, Foyers oder Technikräume werden nicht mehr geheizt – außer, es gibt dafür sicherheitstechnische Gründe.
- Öffentliche Gebäude werden nur noch bis höchstens 19 Grad geheizt - bei körperlich leichter und überwiegend sitzender Tätigkeit. Bisher lag die empfohlene Mindesttemperatur laut Ministerium bei 20 Grad. Für Arbeitsräume, in denen Menschen leichte Tätigkeiten „überwiegend im Stehen oder Gehen” oder mittelschwere und überwiegend sitzende Tätigkeiten verrichten, gilt eine Obergrenze von 18 Grad. Für mittelschwere Tätigkeiten überwiegend im Stehen oder Gehen sind es 16 Grad und für körperlich schwere Tätigkeiten 12 Grad. Für Kliniken, Pflegeeinrichtungen oder andere soziale Einrichtungen gilt die neue Regelung nicht.
- Boiler und Durchlauferhitzer dürfen nicht mehr für die Warmwasserbereitung am Waschbecken genutzt werden – es sei denn, das ist aus hygienischen Gründen vorgeschrieben.
- Die Beleuchtung von Gebäuden und Denkmälern aus rein ästhetischen oder repräsentativen Gründen wird ausgeschaltet. Ausgenommen sind kurzzeitige Beleuchtungen bei Kulturveranstaltungen und Volksfesten.
- Die Verordnung schreibt nicht vor, dass zum Beispiel in Büros die Raumtemperaturen verringert werden müssen – es werde aber ermöglicht, dass Arbeitgeber auch im gewerblichen Bereich rechtssicher weniger heizen dürfen und Gelegenheit haben, dem Beispiel der öffentlichen Hand zu folgen. Dies sei Grundlage für Selbstverpflichtungen von Betrieben und betrieblichen Vereinbarungen zur Energieeinsparung.
- Klauseln in Mietverträgen, die eine bestimmte Mindesttemperatur vorsehen, werden vorübergehend ausgesetzt.
- Private Pools, ob drinnen oder draußen, dürfen nicht mehr mit Gas und Strom geheizt werden.
- Gasversorger und Besitzer größerer Wohngebäude müssen ihre Kunden beziehungsweise Mieter frühzeitig informieren – über den erwarteten Energieverbrauch, dessen Kosten und Einsparmöglichkeiten. Das soll spätestens zum Beginn der Heizsaison passieren.
- Leuchtreklame und Werbetafeln werden von 22.00 Uhr abends bis 16.00 Uhr am Folgetag ausgeschaltet – wenn dies nicht zur Verkehrssicherheit nötig ist wie etwa an Bahnunterführungen. Der Gedanke dahinter: Weil es tagsüber ohnehin hell ist, soll die Beleuchtung erst am Nachmittag wieder für sechs Stunden eingeschaltet werden dürfen.
- Ladentüren oder sonstige „Eingangssysteme” zu beheizten Geschäftsräumen im Einzelhandel dürfen nicht mehr dauerhaft offen stehen – außer das ist für das Offenhalten eines Fluchtwegs erforderlich.
Lindner verteidigte auch das 200 Milliarden Euro schwere Hilfspaket, mit dem die Bundesregierung unter anderem Preisdeckel auf Strom und Gas finanzieren will. Es sei Deutschlands Antwort auf den Energiekrieg des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Putin wolle den Wohlstand in Deutschland erschüttern, damit die Bürger weniger solidarisch mit der Ukraine seien. Doch damit werde er scheitern, betonte Lindner.
Wird der „Doppelwumms” zum „Schuldenwumms”?
Unionsfraktionsvize Mathias Middelberg kritisierte, zum jetzigen Zeitpunkt sei das von Kanzler Olaf Scholz „Doppelwumms” getaufte Paket „nichts anderes als ein Schuldenwumms”. Denn was die Regierung damit finanzieren wolle, sei völlig unklar, es gebe keinerlei Kalkulation oder Berechnungsgrundlage.
Tatsächlich gibt es für die geplanten Preisdeckel noch kein Konzept. Eine Kommission soll die Gaspreisbremse mit Mitte Oktober entwickeln. Offen ist etwa, ob nur ein Grundverbrauch künstlich billig gehalten wird oder die gesamte Gasnutzung. Kritiker befürchten, dass es dann keinen Anreiz zum nötigen Gassparen mehr gibt.
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