




Der Weg für das umstrittene PKW-Maut-Gesetz ist frei. Experten von Union und SPD einigten sich in der Nacht zum Dienstag auf Änderungen an dem Vorhaben, so dass das Gesetz am Freitag vom Bundestag beschlossen werden kann. Die SPD setzte dabei zudem durch, dass der Bundestag per Entschließungsantrag auch die Ausdehnung der LKW-Maut auf alle Bundesstraßen vorantreiben soll. Der modifizierte Gesetzentwurf und der Antrag liegen der Nachrichtenagentur Reuters vor. Der Entwurf muss noch von den Fraktionen gebilligt werden. Der Bundesrat muss nicht zustimmen, soll sich abschließend aber Anfang Mai damit befassen.
Hauptänderungspunkt am Entwurf ist der Preis für Kurzzeitvignetten für ausländische Fahrzeughalter: Die Zehn-Tages-Vignette soll nun statt einem Betrag von zehn Euro in drei Beträgen von fünf, zehn und 15 Euro gestaffelt werden. Bei der geplanten Zweimonatsvignette sind es statt 22 Euro nun 16, 22 und 30 Euro je nach Größe und Schadstoffausstoß des Autos. Damit soll der EU-Kommission eine Zustimmung erleichtert werden, die hier auf Änderungen gedrängt hatte und die bisherigen Preise im Vergleich zur Jahresvignette für zu hoch erachtete. Zusammen mit einigen weiteren Änderungen etwa zum Datenschutz soll das Gesetz nun am Freitag von der Koalition im Bundestag beschlossen werden.
Was bei der Pkw-Maut auf die Autofahrer zukommt
Deutsche sollen für das knapp 13.000 Kilometer lange Autobahnnetz und das 39.000 Kilometer lange Netz der Bundesstraßen Maut zahlen. Pkw-Fahrer aus dem Ausland nur auf den Autobahnen.
Alle inländischen Autobesitzer müssen eine Jahresmaut zahlen, die vom Konto abgebucht wird. Sie richtet sich nach Größe und Umweltfreundlichkeit des Autos. Im Schnitt kostet sie 74 Euro, maximal 130 Euro. Benziner sind günstiger als Diesel.
Für Ausländer gibt es neben der genauso berechneten Jahresmaut auch zwei mögliche Kurzzeittarife: Eine Zehn-Tages-Maut für 2,50, 4, 8, 14 oder 20 Euro sowie eine Zwei-Monats-Maut für 7, 11, 18, 30 oder 40 Euro.
Inländer sollen für Mautzahlungen durch eine geringere Kfz-Steuer wieder entlastet werden - auf den Cent genau. Bei besonders schadstoffarmen Autos (Euro 6) soll die Steuer nun sogar stärker sinken als es dem zu zahlenden Mautbetrag entspricht.
Mautpflichtig sind auch Wohnmobile. Motorräder, Elektroautos, Wagen von Behinderten und Krankenwagen sind mautfrei.
Statt an Klebe-Vignetten sollen Mautzahler über das Nummernschild ihres Autos zu erkennen sein. Kontrolliert werden soll dies in Stichproben durch einen elektronischen Kennzeichen-Abgleich. Daten sollen nur hierfür erfasst und schnell wieder gelöscht werden.
Wer keine Maut zahlt und erwischt wird, muss eine Geldbuße zahlen. Eine genaue Höhe nennt der Gesetzentwurf vorerst nicht. Geldbußen sollen auch im Ausland eingetrieben werden.
Inländer, die nachweisen wollen und können, dass sie in einem Jahr nicht auf Autobahnen und Bundesstraßen gefahren sind, können die Maut zurückfordern. Nachweis könnte ein Fahrtenbuch sein.
Verkehrsminister Alexander Dobrindt will, dass die Abgabe für alle Nutzer von Autobahnen erhoben wird. Für inländische Fahrzeughalter gilt sie formal auch auf Bundesstraßen. In Deutschland registrierte Halter sollen aber entsprechend der Maut-Kosten bei der Kfz-Steuer entlastet werden, so dass unter dem Strich nur Ausländer zahlen. Sie müssen automatisch eine Jahresvignette kaufen, die nach Größe und Schadstoffausstoß des Autos bemessen ist. Im Schnitt wird sie bei um die 74 Euro liegen. Dobrindt plant, die Maut ab 2016 zu kassieren. Nach Abzug von Kontroll- und anderen Verwaltungskosten rechnet er mit Einnahmen von jährlich 500 Millionen Euro.
So bekommen Autofahrer die Maut zurück
Eigentlich wollte Dobrindt keine Schlupflöcher lassen und für das gesamte Straßennetz Maut kassieren. Nach Protesten aus grenznahen Regionen sollen Pkw-Fahrer aus dem Ausland nun nur noch für die Autobahnen zahlen. Das wäre theoretisch auch für Fahrer aus dem Inland denkbar gewesen. Dann hätte sich für sie aber keine allgemeine Mautpflicht einführen lassen, weil man auch jenseits der Autobahnen quer durch die Republik reisen kann. Daher kamen für Inländer die Bundesstraßen hinzu. Es bleiben aber immer noch 178.000 Kilometer Landes- und Kreisstraßen, die rechtlich betrachtet gratis sind.
Alle inländischen Autobesitzer sollen eine Jahresmaut zahlen, die im Schnitt 74 Euro kostet. Möglich sein soll aber, das Geld nachträglich per Antrag komplett zurückzufordern - wenn man glaubhaft macht, dass der Wagen in den zurückliegenden zwölf Monaten gar nicht auf Autobahnen und Bundesstraßen unterwegs war. Diese Beweispflicht sei ein „unzumutbarer Aufwand“, warnt der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv), Klaus Müller. Das lasse befürchten, „dass ich womöglich auf das Geld, das mir zustünde, schlicht verzichte“.
Die genauen Erstattungsregeln stehen noch nicht fest. Ein Element könnte sein, in einem Fahrtenbuch festzuhalten, wann man von wo nach wo gefahren ist und wie viele Kilometer es waren. Das ließe Rückschlüsse auf die benutzten Straßen zu. Das Verkehrsministerium macht kein Hehl daraus, dass dies nicht ganz unkompliziert wäre. Doch auch bei anderen allgemeinen Gebühren liege die Beweislast nun einmal bei dem, der eine Ausnahme geltend macht. Dobrindt betont aber auch ausdrücklich: „Das ist eine Härtefallregelung und wird auf ganz wenige Fälle anwendbar sein.“
Die Verbraucherzentralen sehen durchaus Interesse an Erstattungen. Es gebe „einen großen Anteil“ von Menschen, die nur auf Landstraßen und innerstädtisch fahren, etwa ältere Leute oder wenn ein Zweitwagen nur zum Einkaufen dient. Das Ministerium hat dagegen per Gutachten ergründet, dass nur weniger als ein Prozent der Autofahrer völlig ohne Bundesstraßen auskommt, die ja auch innerhalb vieler Orte verlaufen. Überhaupt sei es unrealistisch, sagt Dobrindt ironisch, dass sich viele überlegten: „Ja klar, das rote Auto wird nur noch für Autobahnen und Bundesstraßen verwendet und das schwarze Auto ausschließlich für die Kommunalstraßen.“ Auch dass viele eigens Aufzeichnungen machten, um 35 Euro Maut zurückzufordern, sei abwegig.
Wie groß das Schlupfloch werden könnte, muss sich zeigen. Angesichts von 44 Millionen zugelassenen Pkw wären ziemlich schnell Tausende Fälle zusammen. Verbraucherschützer Müller fordert denn auch Nachbesserungen, damit Nicht-Mautpflichtige tatsächlich verschont bleiben. Manche könnten sich indes die Mühe sparen, da ihnen ohnehin keine Mehrbelastung entstehen soll. Denn Inländern soll die Maut durch Reduzierungen der Kfz-Steuer voll ausgeglichen werden. Anderen könnte es dagegen ums Prinzip gehen.
Ausländer können dem Gesetzentwurf zufolge auch für zehn Tage oder zwei Monate buchen können. Mit dem neuen Staffelsystem soll sichergestellt werden, dass eine Kurzzeitvignette umgerechnet auf den Tag nicht mehr als das siebenfache einer Jahresvignette kostet. Die Änderung wurde auf Hinweis aus der EU-Kommission und Drängen der SPD vorgenommen. Als größte Hürde gilt nach wie vor, dass das Vorhaben noch auf mögliche Diskriminierung von Ausländern geprüft werden soll. Letztlich wird das Gesetz wohl vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) beurteilt.
Die SPD sieht die PKW-Maut auch deswegen insgesamt skeptisch. Sie hatte aber dem von der CSU vorangetriebenen Vorhaben im Koalitionsvertrag letztlich zugestimmt. Wichtiger ist den Sozialdemokraten die Ausweitung der LKW-Maut auf alle Bundesstraßen. Dies hatte Dobrindt für 2018, also nach der nächsten Bundestagswahl, angekündigt. Mit einem Entschließungsantrag der Koalition im Bundestag will die SPD nun sicherstellen, dass das Kabinett bis Juli 2016 einen Gesetzentwurf dazu beschließt.
Ferner ist im Antrag verankert, dass 65 Prozent der Investitionsmittel des Verkehrsministeriums in den Erhalt von Straßen, Schienen und Wasserwegen fließt, der Neubau also nachrangig ist. Die Mittel für neue Verbindungen müssten dann zu 80 Prozent in Projekte überregionaler Bedeutung fließen, heißt es in dem Antrag, den der Bundestag ebenfalls am Freitag beschließen soll.