Bundestag Widerstand gegen AfD-Vorsitz im Haushaltsausschuss

Der Bundestag lässt zwei AfD-Abgeordnete bei der Besetzung wichtiger Parlamentsposten durchfallen. Ein dritter Abgeordneter könnte nun ebenfalls leer ausgehen. Grund: Sein angeblicher Hang zu Verschwörungstheorien.

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Bundestag: Widerstand gegen AfD-Vorsitz im Haushaltsausschuss Quelle: picture alliance / Michael Kappe

Berlin Geht die SPD in die Regierung, lenkt das die Scheinwerfer auf die AfD. Denn die von Alexander Gauland und Alice Weidel geführte Fraktion wäre dann Oppositionsführerin. Nach den ungeschriebenen Regeln des Bundestages könnte sie dann den Vorsitz im Haushaltsausschuss für sich beanspruchen. Doch möglicherweise geht sie leer aus. Damit würde die AfD zum dritten Mal einen wichtigen Posten im Parlament verweigert bekommen.

Im Fall des Haushaltsausschusses will die AfD den Vermögensberater Peter Boehringer für den Vorsitz nominieren. Doch der Kandidat stößt wegen früher Äußerungen auf Widerstand in der SPD. „Ich persönlich kann mir derzeit nicht vorstellen, dass Herr Boehringer Vorsitzender des Haushaltsausschusses wird“, sagte der SPD-Bundestagsabgeordnete und Haushaltspolitiker Johannes Kahrs dem Handelsblatt. „Deswegen werden wir darüber in der SPD und mit den anderen Parteien reden müssen.“

Hintergrund sind Medienberichte, wonach Boehringer, der im rechts-esoterischen Kopp-Verlag Sachbücher publiziert hat, als Anhänger von Verschwörungstheorien gilt. Im September 2015 etwa schrieb der AfD-Politiker auf seiner Facebook-Seite von einer „irreversiblen Umvolkung in der BRD“ und sprach von einem „permanenten Austausch des deutschen Staatsvolks durch zu 98 Prozent illegalen Eindringlingen aus weitgehend muslimischen Herkunftsstaaten“.  Die Bundesregierung nannte er eine „supranationalen Befehlen gehorchende BRD-Führungsclique“, die „inzwischen krimineller als die kommunistische der DDR“ sei.

Kahrs sagte, es sei zwar gute Praxis, dass die größte Oppositionsfraktion den Vorsitz im Haushaltsausschuss bekomme. Und er habe ich bisher nicht vorstellen können, dass sich das ändere. Aber: „In der aktuellen Lage“, fügte er mit Blick auf Boehringer hinzu, „muss man sowohl über die bisherige Praxis als auch über die Personalvorschläge der AfD reden.“

Mit ihren Vorschlägen hatte die AfD auch bei der Besetzung anderer Posten kein Glück. Zwei AfD-Abgeordnete ließ der Bundestag durchfallen. Den Kandidaten für das Amt des Bundestagsvizepräsidenten, Albrecht Glaser, sogar endgültig. Der Ältestenrat des Parlaments vereinbarte am Donnerstag, keinen weiteren Wahlgang mit Glaser durchzuführen. Bis auf AfD und Linke waren sich darüber die anderen Fraktionen einig.

Die Bedenken richteten sich dem Vernehmen nach nicht gegen die AfD als solche, sondern Glaser persönlich. Er hatte den Muslimen in Deutschland das im Grundgesetz verbriefte Recht auf Religionsfreiheit abgesprochen, weil seiner Auffassung nach der Islam selbst keine Religionsfreiheit kennt.

Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion, Britta Haßelmann, sagte der „Mitteldeutschen Zeitung“: „Die Wahlergebnisse für Glaser in drei Wahlgängen mit jeweils mehr als 540 Nein-Stimmen zeigen deutlich, dass der Kandidat in freier und geheimer Wahl der Abgeordneten nicht mit Unterstützung rechnen kann. Eine erneute Kandidatur erscheint klar aussichtslos. Das wird auch die AfD erkennen müssen.“ Diese hat es bisher abgelehnt, einen anderen Kandidaten zu benennen.

Gescheitert ist auch der AfD-Kandidat für das Parlamentarische Kontrollgremium. Der brandenburgische Abgeordnete Roman Reusch verfehlte am Donnerstag im Plenum die erforderliche Mehrheit. Statt der notwendigen 355 Stimmen erhielt der AfD-Parlamentarier lediglich 210 Stimmen. Das neunköpfige Gremium ist für die Kontrolle der Geheimdienste verantwortlich. Die Abgeordneten tagen regelmäßig unter strenger Geheimhaltung in einem abhörsicheren Raum.

Dass die AfD nun vorerst außen vor bleibt, sorgt in der Partei für Verärgerung. 13 Prozent der Wähler würden damit ausgegrenzt, beklagte der AfD-Vorsitzende Alexander Gauland. Er kündigte an, Reusch erneut ins Rennen zu schicken: „Wenn man Krieg haben will in diesem Bundestag, dann kann man auch Krieg kriegen.“ Reusch selber sprach von „Kindergartenspielchen“, und Fraktionsgeschäftsführer Jürgen Braun sagte: „Wir könnten wohl auch Mutter Teresa oder den Dalai Lama aufstellen und er würde nicht gewählt.“

Reusch arbeitete zuletzt als Leitender Oberstaatsanwalt. In seiner früheren Position als Leiter der Intensivtäterabteilung in Berlin hatte er mit der Forderung nach härteren Strafen für kriminelle Jugendliche aus Einwandererfamilien für Aufsehen gesorgt.

Auch die bisherige Vorsitzende des Haushaltsausschusses, Gesine Lötzsch (Linke), äußerte Vorbehalte gegen Boehringer. „Für mich ist wichtig, dass der Vorsitzende den Ausschuss auch nach außen vertritt, zum Beispiel im Kontakt mit internationalen Organisationen, Botschaftern und Delegation anderer Parlamente“, sagte Lötzsch dem Handelsblatt. „Nach dem, was ich über Boehringer weiß, kann ich mir nicht vorstellen, dass er dies so tun würde, dass ich mich darin wieder finden könnte.“

Sie sei daher gespannt, zu welchem Ergebnis die Parlamentarischen Geschäftsführer der Fraktionen bei Ausschussverteilung kommen. „Erst dann wissen wir, ob die AfD den Vorsitz im Haushaltsausschuss überhaupt bekommt“, so Lötzsch. Der Vorsitzende müsse vom Ausschuss gewählt werden.

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