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Bundestagspräsident Schäuble wirbt für Ursula von der Leyen als Kommissionschefin

Der Bundestagspräsident rät dem Europaparlament, von der Leyen als EU-Kommissionschefin zu akzeptieren. Zufrieden mit der Art und Weise ihrer Kür ist er nicht.

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„Es ist Luft nach oben, was die Klugheit des Verfahrens angeht.“ Quelle: dpa

Schäuble Im Streit um die Nominierung von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen als EU-Kommissionschefin hat Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble das Verfahren kritisiert, aber gleichwohl für seine CDU-Parteifreundin geworben. „Ich glaube, dass Ursula von der Leyen eine gute Kommissionspräsidentin werden kann – ob sie aber gewählt wird, weiß ich nicht“, sagte er der „Augsburger Allgemeinen“. Er riet dem Europaparlament, den gefundenen Kompromiss der Staats- und Regierungschefs zu akzeptieren.

„Wir können uns in dieser Welt der großen Sorgen und Nöte nicht wochenlang damit beschäftigen, wer welche Position in Europa bekommt“, erklärte Schäuble. „Wir brauchen mehr Schwung in Europa, wir können nicht so lahmarschig weitermachen, Europa muss Probleme lösen, damit die Welt nicht noch mehr aus den Fugen gerät.“

Er teile aber die Kritik, dass der Weg zur Nominierung von der Leyens befremdlich und überraschend gewesen sei. Die Entscheidung im kleinen Kreis der Staats- und Regierungschefs zu treffen, sei keine gute Idee gewesen, sagte Schäuble. „Es ist Luft nach oben, was die Klugheit des Verfahrens angeht.“

Besonders der Koalitionspartner SPD hatte sich darüber verärgert gezeigt. Die Partei zwang Kanzlerin Angela Merkel (CDU) deshalb, bei der Abstimmung im Rat der EU-Staats- und Regierungschefs über die Personalie als Einzige dem Aufstieg ihrer Weggefährtin nicht zuzustimmen, sondern sich zu enthalten.

Aber auch in der Unionsfraktion im Bundestag stößt das Verfahren auf Unmut. „Ursula von der Leyen war keine Spitzenkandidatin bei der Wahl zum EU-Parlament, dass sie nun Kommissionspräsidentin werden soll, ist zumindest befremdlich“, sagte das Fraktionsvorstandsmitglied Axel Fischer (CDU) derselben Zeitung. „Mit diesem Vorschlag hat sich der (Europäische) Rat bewusst gegen das Parlament gestellt und dessen Wünsche ignoriert.“

Wie die SPD haben auch die Grünen das Verfahren kritisiert und sich skeptisch zu von der Leyen geäußert. „Es gibt für uns jedenfalls keinen guten Grund, warum wir von der Leyen wählen sollten“, sagte die Grünen-Fraktionsvorsitzende im Europaparlament, Franziska „Ska“ Keller, der „Passauer Neuen Presse“.

Der Parteivorsitzende der Grünen in Europa, Reinhard Bütikofer, nannte als eine zentrale Bedingung, die seine Fraktion für von der Leyen formulieren sollte, ein Initiativrecht des Europaparlaments für Gesetze. „Das hat Manfred Weber dem Parlament versprochen, wenn er Kommissionspräsident würde. Das wollen wir jetzt auch, wo das sonst jemand wird“, sagte der Europaabgeordnete dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Der CSU-Politiker Weber war Spitzenkandidat der christdemokratischen Parteienfamilie EVP, die bei der Europawahl stärkste Kraft geworden war. Im Rat der Staats- und Regierungschefs war er aber so wenig durchsetzbar wie der sozialdemokratische Kandidat, der Niederländer Frans Timmermans.

Als weitere mögliche Bedingungen für von der Leyen nannte Bütikofer unter anderem: dass das Europaparlament bei außenpolitischen Entscheidungen stärker eingebunden wird, dass eine CO2-Steuer eingeführt wird und dass im Mittelmeer wieder eine EU-Seenotrettungsmission aufgenommen wird.

Die EU-Staats- und Regierungschefs hatten die deutsche Verteidigungsministerin am Dienstag für den EU-Spitzenposten ausgewählt. Dabei übergingen sie die Vorgabe einer Mehrheit im EU-Parlament, nur einen der Europawahl-Spitzenkandidaten zum Kommissionschef zu wählen, also Weber oder Timmermans. Deshalb ist eine Mehrheit für von der Leyen im Parlament unsicher. Die scheidenden EU-Spitzen - Kommissionschef Jean-Claude Juncker und Ratschef Donald Tusk - warben am Donnerstag im EU-Parlament für sie. Ihre Wahl steht voraussichtlich am 16. Juli an.

Einen Bruch der Bundesregierung erwartet Ex-SPD-Chef Martin Schulz wegen des Streits aber nicht. „Ich glaube nicht, dass das ein Grund ist, die große Koalition zu beenden“, sagte er in der ZDF-Sendung „Maybrit Illner“. Denn Kanzlerin Angela Merkel (CDU) habe sich im Rat der EU-Staats- und Regierungschefs bei der Abstimmung über die Personalie „korrekt verhalten“ und sich auf Wunsch der SPD enthalten.

Der CDU-Vizevorsitzende Volker Bouffier hatte die SPD zuvor scharf attackiert. „Wenn jetzt einige in der SPD, wie der frühere Vorsitzende Sigmar Gabriel, sagen, die Nominierung von der Leyens sollte man zum Ausstieg aus der Koalition nutzen, kann ich darauf nur antworten: Dann geht!“, sagte Hessens Ministerpräsident der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. „Wir schreiben dann drüber, dass die SPD die Bundesregierung verlässt, weil Deutschland nach einem halben Jahrhundert zum ersten Mal wieder den Posten des Kommissionschefs in Europa besetzt. Das ist doch nur absurd!“

Mehr: Die CDU-Politikerin Ursula von der Leyen hat eine Charmeoffensive gestartet – und vermittelt vor allem ihre Sicht auf Europa und die Haltung gegenüber Russland, China und den USA.

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