Bundestagswahl 2017 Hans-Christian Ströbele will nicht mehr kandidieren

Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele will im kommenden Jahr nicht erneut für den Bundestag kandidieren. Fraktionskollegen bedauern die Entscheidung des 77-Jährigen, der als erster Grüner vier Direktmandate holte.

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Der Grünen-Politiker will 2017 nicht mehr für den Bundestag kandidieren. Quelle: dpa

Berlin Der grüne Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele (77) verzichtet auf eine weitere Kandidatur für den Bundestag. Ströbele habe seine Entscheidung am Dienstag im Berliner Kreisverband Kreuzberg-Friedrichshain mitgeteilt, wie ein Sprecher der Grünen am Abend bestätigte.

Ströbeles Fraktionskollege Özcan Mutlu bedauerte die Entscheidung: „Er wird in der zukünftigen grünen #Bundestagsfraktion aus vielen Gründen, nicht nur wegen seines Scharfsinns fehlen“, schrieb Mutu bei Twitter.

Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz nannte Ströbele einen „großartigen Streiter für Bürgerrechte und Rechtsstaatlichkeit“. Er werde dem 19. Bundestag „bitterlich fehlen“, so von Notz auf Twitter.

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Karl Lauterbach erklärte ebenfalls bei Twitter: „Schade. Werden Dich vermissen!“

Der stellvertretende Bundesvorsitzende der Mittelstands-und Wirtschaftsvereinigung der CDU/CSU, Jürgen Presser, meint bei Twitter: „Sie haben das Recht auf einen selbstbestimmten Lebensabend! Alles Gute und Gesundheit!“

Der Ex-SPD-Mann, frühere RAF-Anwalt, „taz“- und Alternative-Liste-Mitbegründer wurde mit 46 Jahren in den Bundestag gewählt. Doch seine besondere Geschichte begann erst 2002, als die Grünen ihm einen sicheren Listenplatz verweigerten. Dem Alt-Linken gelang die Sensation: Im Berliner Szenebezirk Friedrichshain-Kreuzberg errang er als bundesweit einziger Grünen-Kandidat einen Wahlkreis direkt. Geworben hatte er auch mit dem Anti-Joschka-Fischer-Slogan: „Ströbele wählen heißt Fischer quälen“.

Danach holte Ströbele drei weitere Male ein Berliner Direktmandat. 2013 hatte es Zweifel gegeben, ob er es nochmal will und macht. Eine Krebserkrankung hat Ströbele Kraft gekostet. Doch dann sagte der hagere Grauhaarige mit den auffallend buschigen Augenbrauen: „Ich will nicht nur von außen zusehen, sondern mitmischen.“

Im Wahlkampf stand Ströbele dann mit lila Fahrrad („zweimal geklaut, zweimal wiedergekommen“) auf Straßenfesten, an Ufern, auf dem Markt. Bei Demos in der ersten Reihe, die Haare immer etwas wild. Im Kreuzberger Kiez wird er gegrüßt, Menschen klopfen ihm auf die Schulter, als wäre er einer der ihren. Doch eigentlich wohnt Ströbele etwas entfernt, im Stadtteil Moabit – und ist auch dort öfters in Cafés anzutreffen. Veranstaltungen, bei denen es links und grün zugeht, finden in Berlin selten statt, ohne dass Ströbele mal auftaucht und sich gut sichtbar platziert.

Politisch zählen zu seinen Kernanliegen die Menschen- und Bürgerrechte, das Ende des Afghanistan-Krieges, Konsequenzen aus dem NSU-Skandal oder auch eine Vermögensteuer. Dass er ein Händchen für auch witzige Auftritte hat, zeigte er zum Beispiel mit einem Song zur Drogenpolitik: „Gebt das Hanf frei.“ Selbst wurde der Anwalt dabei aber auch früher keinen Hippie-Klischees gerecht: „Ich habe noch nie einen Joint geraucht.“

Nun verabschiedet sich das Grünen-Urgestein endgültig aus der Politik. Mit Ströbele verlieren die Grünen einen umtriebigen, eigenwilligen und streitbaren Politiker, der mit seiner Hartnäckigkeit immer für Überraschungen gut war. Auch wenn er so manches Mal auf öffentlichen Effekt bedacht war, ließ ihn seine Partei machen. Er revanchierte sich – auf seine Wiese: In seiner grünen Bundestagsfraktion ging er trotz linker Gesinnung nur selten auf totalen Konfrontationskurs.

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