Bundestagswahl 2017 SPD-Linke trommeln für Linksbündnis

Die SPD steckt im Umfragetief, ihre Chancen, die Bundestagswahl für sich zu entscheiden, sind gering. Es sei denn, sie öffnet sich, wie von führenden Sozialdemokraten gefordert, für eine Koalition mit Grünen und Linken.

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Wohin steuert die SPD? In Umfragen geht es für sie bergab. Die Linken dringen auf eine inhaltliche Kehrtwende. Quelle: dpa

Berlin Für die Koalitionsparteien CDU/CSU und SPD läuft derzeit wenig rund. Vor allem die Sozialdemokraten scheinen in der Großen Koalition kein Bein mehr auf den Boden zu kriegen. Glaubt man Umfragen, gelingt es der Partei von Sigmar Gabriel immer weniger, mit ihrer Politik bei den Wählern durchzudringen.

Wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre, käme die SPD nach der Erhebung des Instituts Insa für die „Bild“-Zeitung auf nur noch 19 Prozent. Die Unionsparteien erreichten demnach 30 Prozent. Damit würden die Koalitionsparteien erstmals unter die 50-Prozent-Marke fallen. Laut „Bild“-Zeitung haben Union und SPD damit so wenig Zustimmung wie nie zuvor. Bitter für Gabriel: Die rechtspopulistische AfD käme mit 15 Prozent bis auf vier Punkte an die SPD heran.

Und wie reagiert der Parteivorsitzende? Am Wochenende skizzierte Gabriel eine mögliche Strategie gegen den Untergang: Mit dem Schwerpunktthema soziale Gerechtigkeit, so die Ansage, sollen die Wähler von der AfD zurückgeholt werden. In der SPD wird die Themensetzung zwar als richtig empfunden, Parteilinke haben jedoch Zweifel, ob das am Ende reichen wird, um die Bundestagswahl im Herbst kommenden Jahres zu gewinnen.

Nach Ansicht der Juso-Vorsitzenden, Johanna Uekermann, wird die SPD nur dann bei den Wählern wieder punkten können, wenn sie glaubhaft darlegt, wie sie ihr Versprechen nach sozialer Gerechtigkeit einlösen will. „Wir müssen einen Weg aufzeigen, wie wir dieses Ziel nach 2017 erreichen wollen“, sagte Uekermann dem Handelsblatt. „Deshalb brauchen wir eine rot-rot-grüne Koalition. Mit der Union kann man keine soziale Politik machen.“

Das sieht der SPD-Bundesvize Ralf Stegner genauso. „Mit der Union gibt es weder eine Bürgerversicherung, noch eine gerechte Steuerpolitik oder eine moderne Familienpolitik und Integrationspolitik, die diesen Namen verdient, ist mit den tief zerstrittenen Unionsparteien CDU/CSU auch nicht zu machen. Wir wollen diese große Koalition deshalb nicht fortsetzen“, sagte der Parteilinke dem Handelsblatt. Was sich daraus an politischen Optionen ergebe, entschieden aber die Wähler im kommenden Jahr. „Die Grünen sind uns politisch am nächsten, die Linkspartei muss sich endlich entscheiden, ob sie Opposition bleiben und die SPD zum Hauptgegner erklären, oder sich zu einer ernsthaften und kompromissbereiten potentiellen Regierungspartei weiterentwickeln will.“

Das ist derzeit aber nicht absehbar, obwohl die Linke mit ähnlichen Problemen wie die SPD zu kämpfen hat. Der Erfolg der AfD trifft auch die Linken ins Mark. Das liegt vor allem daran, dass beide um dieselben Wählergruppen konkurrieren. Es sei nicht gelungen, diejenigen anzusprechen, „die auf der Strecke geblieben sind“, sagte Parteichef Bernd Riexinger am Wochenende auf dem Parteitag in Magdeburg.


Was Linke und AfD eint

Spiegelbildlich spricht etwa der AfD-Vize Alexander Gauland davon, die AfD sei die „Partei der kleinen Leute“. Aus Sicht von Wahlforschern ist dieser Prozess in Ostdeutschland besonders deutlich. Waren bislang die sogenannten Wendeverlierer, für die die deutsche Einheit einem sozialem Abstieg gleichkam, treue Anhänger der Linken, scheinen sie nun unter dem Eindruck der Flüchtlingskrise scharenweise zur AfD zu wechseln.

In beiden Parteien finden sie Gemeinsamkeiten. Linke und AfD eint die Absage an die bestehenden Verhältnisse. Sie lehnen die etablierten Parteien entschieden ab und wollen die Gesellschaft radikal umbauen. Außenpolitisch wollen AfD und Linke die Bindungen an den Westen lockern und auf Russland zugehen. Beide Parteien verfolgen einen Kurs der Fundamentalopposition, denn eine erfolgversprechende Strategie für eine Gestaltungsmehrheit nach der Bundestagswahl 2017 haben sie nicht. Und wenn die Linke sich nicht, wie Stegner fordert, zu Kompromissen bereit zeigt, dürfte ein Linksbündnis ohnehin passé sein.

Um das Verhältnis der Linken zur SPD ist es sowieso nicht zum Besten bestellt. Linkfraktionschefin Sahra Wagenknecht etwa warf der SPD beim Parteitag in Magdeburg vor, Angebote für gemeinsame Projekte wie eine Millionärssteuer auszuschlagen. Co-Parteichefin Katja Kipping läutete einmal mehr das Totenglöcklein für die SPD: „Die Epoche der Sozialdemokratie ist beendet.“ Die Grünen sind für viele Linke ohnehin nur eine ökologisch angehauchte CDU.

Vor allem in der K-Frage scheiden sich die Geister. Den Vorstoß ihres Vorgängers an der Bundestagsfraktionsspitze Gregor Gysi für einen rot-rot-grünen Kanzlerkandidaten fegte Wagenknecht in Magdeburg als „absurd“ vom Tisch. Andere Linke, wie der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Jan Korte halten dagegen Gysis Vorschlag für eine „schlaue Überlegung, zu gucken, wie man aus einem rot-rot-grünen Bündnis reale Politik machen kann, um etwas zu verändern“. Schließlich sei eine andere Machtperspektive kaum realistisch.


Die Jusos definieren die Leitfrage für SPD, Grüne und Linke

Juso-Chefin Uekermann hält solche Gedankenspiele für verfrüht. „Viel wichtiger, als sich auf eine Person zu einigen, ist, dass die Parteien – sowohl SPD als auch Grüne und Linke – damit anfangen, sich um ein gemeinsames Gesellschaftsprojekt zu kümmern“, sagte sie. „Welche Gesellschaft wollen wir und was müssen wir tun, damit wir dort hinkommen – das muss die Leitfrage für SPD, Grüne und Linke sein.“ Danach könne man auch über Personal reden.

Gleichwohl plädiert Uekermann dafür, einen eigenen SPD-Kanzlerkandidaten aufzustellen. Auf die Frage, ob ein SPD-Kanzlerkandidat noch vor der NRW-Wahl im kommenden Jahr gekürt werden solle, antworte sie: „Programm und Inhalte sind für mich wesentlich entscheidender, als die ganze Zeit über Personal zu reden.“ Die SPD müsse sich erst auf Themen verständigen, auf die man setzen wolle. „Ich halte es deshalb für Quatsch schon vor 2017 über Personal zu sprechen.“

In der Parteispitze dürfte sie damit auf offene Ohren stoßen, zumal die SPD derzeit ganz andere Probleme zu bewältigen hat. Sie habe schon den Eindruck, dass der Parteispitze klar ist, wie ernst die Lage für die Sozialdemokraten sei. „Wir müssen jetzt alle mit anpacken, um die SPD aus dem 20-Prozent-Turm herauszuholen“, sagte Uekermann. Daher sei es richtig, das Thema Gerechtigkeit stärker in den Fokus zu nehmen. Die SPD müsse in diesem Bereich wieder ihr Profil schärfen.

Der Juso-Chefin reicht das aber nicht. Sie fordert, „noch konsequenter“ zu sein. „Mir fehlt das Thema Vermögensungleichheit“, sagte Uekermann. Sie verwies auf eine Umfrage, wonach 82 Prozent der Bevölkerung dächten, dass die soziale Ungleichheit in Deutschland zu groß sei. „Da ist die SPD gefragt, Lösungen aufzuzeigen“, betonte die Juso-Chefin. „Die Wiedereinführung der Vermögenssteuer und eine höhere Besteuerung von Erbschaften sorgen für mehr Gerechtigkeit.“

Stegner hält es indes zunächst für dringlich, dass seine Partei zu alter Stärke zurückfindet. „Fakt ist, dass die SPD selbst wieder stärker werden und sich in Richtung 30 Prozent steigern muss, bevor es lohnenswert ist, sich über Koalitionsoptionen ernsthafte Gedanken zu machen“, sagte er. „Dazu ist eine konsequente Ausrichtung an unserem sozialdemokratischen Markenkern der Gerechtigkeit als Maßstab und Kompass für unsere Politik erforderlich.“ Das reiche von Alltagsfragen wie Arbeit, Bildung, Familie, Gesundheit oder Rente bis zu Fragen globaler Gerechtigkeit und einem „beherzten“ Eintreten für ein soziales und friedliches Europa.

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