Bundestagswahl 2017 Trittins Machtspiele sorgen für Ärger bei den Grünen

Der Grünen-Politiker Jürgen Trittin kann sich vorstellen, nach der Bundestagswahl noch einmal Minister zu werden. Boris Palmer hält das für abwegig – und fordert von seinem Parteikollegen, die Machtspiele zu beenden.

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„Ich bin bereit, Regierungsverantwortung zu übernehmen.“ Quelle: Reuters

Berlin Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) hält es für ausgeschlossen, dass der frühere Grünen-Bundestagsfraktionschef Jürgen Trittin, noch einmal ein Ministeramt erhält, sollten die Grünen nach der Bundestagswahl im Herbst an die Regierung kommen. „Dafür gibt es mindestens sieben gute Gründe“, erklärte Palmer auf seiner Facebook-Seite.

Trittin selbst wollte Palmers Einlassungen nicht weiter kommentieren. „Ich halte es mit Winfried Kretschmann und sage dazu nichts“, sagte Trittin dem Handelsblatt. Der baden-württembergische Ministerpräsident war am Dienstag in Stuttgart auf sein Verhältnis zu Trittin angesprochen worden? „Dazu“, sagte Kretschmann, „sage ich nichts.“

Anlass für Palmers Anti-Trittin-Posting sind Äußerungen Trittins im „Spiegel“ vom Montag. Wenn man die Chance habe, die Union 2017 aus der Regierung zu drängen, dann sei das doch spannend, zitiert das Magazin Trittin. „Ich bin bereit, Regierungsverantwortung zu übernehmen“, fügte er dann auf die Frage hinzu, ob er selbst noch mal Minister werden will. „Ich werde machen, was man mir anträgt. Und ich glaube, dass ich das nicht schlecht mache“, so Trittin.

Palmer warf Trittin indes vor, über Ministerämter zu reden, „wo derzeit niemand auch nur entfernt beschreiben kann, wie wir mit 9 Prozent in die Regierung kommen sollen“. „Das setzt uns dem Vorwurf aus, es gehe nur noch um Macht und Dienstwagen.“ Zudem kandidiere Trittin nicht als Spitzenkandidat. „Das tun drei andere Männer und nur diese haben eine Legitimation der Partei für eine solche Aufgabe“, betonte Palmer.

In einem dritten Punkt, den Palmer gegen Trittin auflistet, weist er darauf hin, dass dieser den Fraktionsvorsitz abgegeben habe. Parteivorsitzender sei er seit 20 Jahren nicht mehr. „Er hat keinerlei Führungsposition inne, die ein Ministeramt rechtfertigt“, erläuterte Palmer. Trittins Name sei überdies mit der Niederlage der Grünen bei der Bundestagswahl 2013 „untrennbar verbunden“, weil es seine Strategie gewesen sei, ein Ministeramt unter Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) abzulehnen. „Das war seine Chance.“


„Trittin ist immer noch das Gegenteil eines Zugpferds beim Wähler“

Trittin setzte seinerzeit als Spitzenkandidat auf einen Steuerwahlkampf. Damit waren die Grünen aber wenig erfolgreich und sackten auf 8,4 Prozent ab. Derzeit liegen sie in Umfragen etwa bei 9 Prozent. Mit Steuerthema werden die Grünen nun aber wieder in den Bundestagswahlkampf ziehen. Bei einem Parteitag wurde bestimmt, die Wiedereinführung der Vermögensteuer ins Wahlprogramm aufzunehmen.

Dafür hatten zuvor Trittin und Parteichefin Simone Peter geworben. Baden-Württembergs Ministerpräsident Kretschmann hält den Beschluss dagegen für falsch.
Palmer ist ohnehin der Auffassung, dass die Vermögenssteuer nicht eingeführt werde, zumal er für eine rot-rot-grüne Regierung keine Chancen sieht. Trittins Lieblings-Regierungskonstellation sei mit derzeit 37 Prozent außerhalb jeder Reichweite, erklärte Palmer auf seiner Facebook-Seite. „Sein Linkskurs treibt die Wähler in Scharen weg in die Mitte und nach rechts.“ Er sorge damit selbst dafür, dass er nicht Minister werde.

Palmer ist außerdem überzeugt, dass der frühere Umweltminister bei vielen Bürgern nicht durchdringe. „Trittin ist immer noch das Gegenteil eines Zugpferds beim Wähler und der Wählerin. Seine Unbeliebtheit hat sich über 15 Jahre erhalten und wird sich nicht ändern“, so Palmer.

Abgesehen davon, so Palmers siebenter Grund gegen Trittin, desavouiere er, Trittin, die Urwahl, der sich derzeit die potenziellen Spitzenkandidaten der Grünen stellen, und den Wahlkampf, „indem er sich jetzt selbst ins Spiel bringt“.

Palmer hofft indes, dass Trittin zur Einsicht in eigener Sache kommt und aus seinen aufgeführten Punkten die richtigen Konsequenzen zieht. „Ich finde, das sollte reichen, um ihn selbst zu der Aussage zu bringen: Ich Strebe kein Ministeramt mehr an.“


„Selten geschafft, wirklich deutlich Profil zu zeigen“

Ob das jedoch am Ende hilft, die Grünen aus dem Umfragetief zu holen? Die Probleme, mit der die Partei zu kämpfen hat, sind allerdings nicht nur personeller Natur. „Die Grünen haben es in der Opposition nur selten geschafft, wirklich deutlich Profil zu zeigen“, sagte der Berliner Politologe Gero Neugebauer kürzlich der Nachrichtenagentur Reuters.

Die Partei-Strategen hoffen nun, dass mit der Wahl des Spitzenduos für die Bundestagswahl kommende Woche neuer Schwung in die Partei kommt. Neben Parteichef Cem Özdemir und dem Vize-Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein, Robert Habeck, bewirbt sich auch der Fraktionsvorsitzende Anton Hofreiter. Co-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt ist gesetzt, da die Doppelspitze nach Grünen-Statuten von mindestens einer Frau besetzt werden muss.

In der Personalentscheidung sieht Neugebauer keinen Aufbruch hin zu wachsenden Umfrage-Werten: „Es ist wurscht, wer von den drei Männern das Rennen macht.“ Dies sei für die Wähler unerheblich. Neben dem Markenkern Umweltpolitik müssten die Grünen in anderen Politikbereichen neue Lösungen vorschlagen, die sie als Alternative zu anderen Parteien wählbar machten, empfiehlt der Politologe.

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