
Der Landes- und Fraktionschef der AfD in Nordrhein-Westfalen, Marcus Pretzell, will Partei und Fraktion verlassen. Diesen Schritt habe Pretzell für die nächste Fraktionssitzung angekündigt, sagte AfD-Fraktionssprecher Michael Schwarzer am Dienstag in Düsseldorf. Zuvor hatte bereits seine Ehefrau, die AfD-Bundesvorsitzende Frauke Petry, ihren Parteiaustritt angekündigt.
Pretzell wolle sein Mandat im Landtag behalten, sagte der Sprecher weiter. Er habe seine Ankündigung mit seiner „pessimistischen Einschätzung über den Zustand der Partei“ begründet. Gemeinsam mit Pretzell wolle auch der Abgeordnete Alexander Langguth die Fraktion verlassen.
Pretzell selbst äußerte sich beim Verlassen der Fraktionssitzung nicht. Dem WDR sagte er: „Was mich zum Austritt aus der Partei und damit auch aus der Fraktion bewegt, ist eine Entwicklung der AfD, die ich etwas anders einschätze als unter anderem auch meine beiden Kollegen hier.“ Über den Rückzug Pretzells hatte auch die „Rheinische Post“ online berichtet.
Was passiert, wenn ...
In Deutschland gilt, dass Abgeordnete gewählt werden, nicht Parteien. Die Abgeordneten können selbstständig handeln und für sich entscheiden, ob sie Mitglied einer Fraktion sein wollen oder nicht. Falls nicht, gelten sie als fraktionslos. Das verlorene Fraktionsmitglied kann nur ersetzt werden, wenn ein anderer Abgeordneter in die Fraktion hinein wechseln will. Solche Wechsel können das Mehrheitsverhältnis im Parlament beeinflussen.
Fraktionslose Politiker haben weniger Rechte. Sie können keine Gesetzesinitiativen starten oder beim Ältestenrat Plenardebatten beantragen. Ausschüssen können sie zwar als beratende Mitglieder mit Rede- und Antragsrecht angehören, dürfen aber nicht abstimmen. Auch das Rederecht im Plenum ist begrenzt.
Erst wenn einzelne Abgeordnete eine Gruppe im Bundestag bilden, haben sie in den Ausschüssen volles Stimmrecht. Fraktionsstatus erhält eine Partei aber erst, wenn sie über mindestens fünf Prozent der Sitze verfügt.
Dann sind sie automatisch kein Mitglied der Fraktion ihrer ehemaligen Partei mehr. Der Abgeordnete, der seine Partei verlässt, bleibt aber weiterhin Mitglied des Bundestages. Er ist parteilos und fraktionslos. Der frei gewordene Platz in seiner Partei wird aber nicht ersetzt, die Partei hat nach dem Austritt eines Abgeordneten einen Platz weniger. Der Grund: In Deutschland werden Abgeordnete gewählt, nicht Parteien. Das gilt auch für Listenmandate.
Ministerposten werden vom Bundeskanzler vorgeschlagen. Um vorgeschlagen zu werden, müssen Kandidaten nicht einmal Mitglied des Bundestages sein oder einer Partei angehören. Theoretisch könnte also jeder als Minister vorgeschlagen werden, wenn der Bundeskanzler ihn als qualifiziert erachtet.
Dem steht nichts im Wege. Wenn sich fünf Prozent (entspricht circa 32 Personen) der Bundestagsabgeordneten einer neuen Partei anschließen, dürfen diese auch während einer laufenden Legislaturperiode eine Fraktion bilden. Dabei ist irrelevant, ob diese neue Partei bei der Bundestagswahl zur Wahl stand.
Die neu in den Bundestag gewählten AfD-Abgeordneten aus Nordrhein-Westfalen hatten zuvor deutlich gemacht, dass Petry nicht mit ihrer Unterstützung rechnen kann. In einer gemeinsamen Erklärung vom Dienstag heißt es unter anderem: „Unsere Entschlossenheit, mit unseren Kollegen in der AfD-Bundestagsfraktion gut und eng zusammenzuarbeiten, wird dadurch nicht berührt.“
Petry hatte bei der Bundestagswahl am Sonntag ein Direktmandat in Sachsen gewonnen. Am Montag erklärte sie, dass sie der neuen AfD-Bundestagsfraktion nicht angehören wolle. Am Dienstag kündigte sie ihren Austritt aus der AfD an, allerdings ohne einen genauen Zeitpunkt zu nennen.
Pretzell ist auch in den eigenen Reihen umstritten. Mit gerade 54 Prozent der Stimmen war er vor der Landtagswahl im Mai auf Platz eins der AfD-Landesliste gewählt worden. Vor allem mit seinem Ko-Vorsitzenden Martin Renner liegt er im Dauerclinch. Sein Versuch, Renner aus dem Landesvorstand zu werfen, scheiterte.
Renner hatte am Montag gesagt, ein Versuch von Petry und Pretzell, eine Abspaltung von der AfD zu betreiben, wäre „irrelevant“. Die Gruppe um Petry und Pretzell habe „nicht mehr als zehn Prozent der Funktionsträger und Parteimitglieder hinter sich“.
Pretzell ist nach seiner Wahl in den Landtag bislang weiter Europaabgeordneter geblieben. Der 44-Jährige gehört der Fraktion Europa der Nationen und der Freiheit (ENF) um die Abgeordneten der rechtsextremen französischen Partei Front National an.