G20 Wen die Kanzlerin beim Gipfel bändigen muss

Kanzlerin Merkel werden starke Nerven und viel Geduld mit schwierigen Männern nachgesagt. Beim G20-Gipfel wird sie beides brauchen - die Welt ist „in Unruhe“. Da wird plötzlich China ein zentraler Partner.

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Merkel und Xi wollen engere Zusammenarbeit

Wenn die Pandas doch eine Verheißung wären. Meng Meng und Jiao Qing werden die Bären genannt, die China auch als „neue Botschafter unserer Freundschaft“ nach Deutschland geschickt hat, wie es Staatschef Xi Jinping am Mittwoch bei seinem Treffen mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in Berlin sagt - kurz vor dem brisanten G20-Gipfel am Freitag und Samstag in Hamburg. Vielleicht ist das ja ein gutes Omen: Die Bären heißen Träumchen und Schätzchen.

Merkel dürfte davon träumen, dass der Gipfel gelingt, die USA sich nicht isolieren, Demonstranten nichts abfackeln, die Polizei auf Deeskalation setzt und es keinen Anschlag gibt. Es wäre ein Schatz für die Zukunft, gäbe es Zeichen der Entspannung für Konflikte „in einer Zeit der Unruhe in der Welt“, wie Merkel betont. China und Deutschland könnten einen Beitrag dazu leisten, „diese Unruhe auch etwas zu besänftigen und daraus eine etwas ruhigere Welt zu machen“.

Ausgerechnet Peking mit seinen Menschenrechtsverletzungen, den Defiziten in der Handels- und der Klimapolitik. Aber seit Donald Trump US-Präsident ist, richten sich Hoffnungen auf China, die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt nach den USA.

Der G20-Gipfel der großen Wirtschaftsmächte, der EU-Institutionen sowie vieler Gastländer aus Europa und Afrika ist kein Beschlussgremium. Und die Erwartungen an Ergebnisse sind diesmal ohnehin gering. Als größter Wert gilt: Dass sie miteinander reden. Die Gefahr ist, dass dabei nichts herauskommt. Merkel hofft, „dass wir auch manche Klippe noch überwinden können, wenngleich ich noch nicht weiß, wie das endgültige Resultat aussehen wird“.

Washington betreibt gerade die Abschottungspolitik seiner Wirtschaft, und die Abkehr vom Klimaschutz. Da ist aber auch der IS-Terror, der Syrien-Krieg, die Ukraine-Krise mit Russland, die Provokationen der Türkei. Da ist das schwer belastete Verhältnis zwischen Merkel und US-Präsident Donald Trump, der mehr mit missratenen Tweets als mit großer Politik auf sich aufmerksam macht.

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Da ist der tiefe Graben zu Russlands Staatschef Wladimir Putin, der im Ukraine-Konflikt nicht locker lässt. Und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan, der keinen Wert mehr auf ein gutes Verhältnis zu Deutschland und Europa zu legen scheint. Mit China muten die Probleme da gerade kleiner an.

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Donald Trump

Der US-Präsident gilt als große Wundertüte - niemand weiß so richtig, was er mitbringt. Er hat die Kraft, die Veranstaltung zu sprengen. Seine Sherpas - die Gipfelstrategen - wollen das nicht. Es gehe ihnen um fairen Handel und gleiches Recht für alle beim Klimaschutz, heißt es. Ferner wolle Trump eine gemeinsame westliche Position für einen konstruktiven Umgang mit Russland erarbeiten und China stärker bei der Lösung der Nordkorea-Problematik in die Pflicht nehmen.

Nach dem Test einer Interkontinentalrakete durch Nordkorea hat er China am Mittwoch aber via Twitter für dessen Handelsbeziehungen mit dem abgeschotteten Land kritisiert. „So viel dazu, dass China mit uns zusammenarbeitet - aber wir mussten es auf einen Versuch ankommen lassen!“ Dass Trump vor Hamburg auf seiner zweiten Reise nach Europa noch einmal in Polen stoppt, ist ein Fingerzeig. Warschau gilt mit seinen Einschränkungen von Freiheitsrechten nicht als Musterknabe der EU. Das Weiße Haus lobt Polen aber als engen Verbündeten.

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Vor allem ist es aber die Person Trump, die Fragen aufwirft. Für das Treffen mit Putin sind die Themen nicht klar. Gesprochen werde über alles, worüber Trump sprechen wolle, heißt es. Ein US-Präsident ohne Agenda, losgelassen auf den Taktierer Putin? Wird sich der Hitzkopf Trump an die Vorarbeit seiner Experten halten? Oder macht er Politik nach Tagesform? Was Merkel betrifft, so gelobte Trump, er wolle, dass sie beim Gipfel Erfolg habe. Beim Klimaschutz wird das schon mal nichts. Da macht sich Merkel keine Illusionen. Aber vielleicht beim Anti-Terror-Kampf. Da stehen die Chancen besser. Merkel und Trump treffen sich am Donnerstag zu einem persönlichen Gespräch.

Wladimir Putin

Für ihn wird die erste Begegnung mit Trump das Hauptereignis in Hamburg sein. Termin und Format hatten beiden Seiten lange Zeit offengelassen. Dabei tat der Kreml bis zuletzt so, als sei das Treffen gar nicht so wichtig. Nun wollen die beiden wohl mächtigsten Männer der Welt ihren Gipfel im Gipfel am Freitagmorgen abhalten. Aber werden sie das Verhältnis der zwei Atommächte verbessern können, das so schlecht ist wie seit Jahrzehnten nicht?

Putin hofft immer noch darauf, dass Trump die Annäherung an Russland wahr macht, die dieser im Wahlkampf versprochen hatte. Andererseits werden in den USA immer mehr Details zur russischen Einmischung in den Wahlkampf und zu dubiosen Kontakten des Trump-Teams nach Moskau bekannt. Trump scheinen die Hände weitgehend gebunden.

Putins Trumpfkarte auf dem Gipfel ist die starke militärische Stellung Russlands in Syrien. Es wäre ein Punktsieg für ihn, wenn Trump den Vorrang der Russen bei einer Neuordnung des kriegszerstörten Landes anerkennen würde. Als Putins Schwachpunkt gilt der Ukraine-Konflikt. In diese Wunde legt Merkel den Finger bei einem Gespräch mit ihm und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron.

Erdogan

Der türkische Staatspräsident betritt das erste Mal deutschen Boden, seit er Merkel im Frühjahr nach Auftrittsverboten für türkische Regierungsvertreter in Deutschland „Nazi-Methoden“ vorgeworfen hat. Ihn wird deswegen kein schlechtes Gewissen plagen, wenn er Merkel die Hand schüttelt. Schließlich untersagte die Bundesregierung ihm gerade erst noch einen Auftritt vor Anhängern in Hamburg. Erdogan dürfte sich in seiner Kritik bestärkt sehen. Das deutsch-türkische Verhältnis ist miserabel, ein Tiefpunkt nach dem anderen.

Für Erdogan dürfte beim G20-Gipfel allerdings nicht das Verhältnis zu Deutschland im Mittelpunkt stehen. Ihn beschäftigen derzeit vor allem andere Dinge: der Vormarsch der Kurden-Milizen in Syrien etwa, und ein Marsch der unbeugsamen Opposition von Ankara nach Istanbul. Und dann wäre da die Krise um das mit der Türkei verbündete Golf-Emirat Katar, in die Ankara immer weiter hineingezogen zu werden droht. Die von Saudi-Arabien angeführte Allianz gegen Katar fordert unter anderem den Abzug aller türkischen Soldaten aus dem Golf-Emirat.

Erdogan hat mehrfach an den saudi-arabischen König Salman appelliert, die Sanktionen gegen das Emirat zu beenden. Darüber wollte er mit dem Monarchen beim G20-Gipfel sprechen. Doch der König hat abgesagt - offiziell wegen der aktuellen Entwicklungen in der Katar-Krise. Für Erdogan ist der Auftritt beim Gipfel trotzdem wichtig. Unmittelbar vor dem Jahrestag des Putschversuches vom 15. Juli 2016 ist das ein wichtiges Signal in die Heimat: Erdogan, der unumstrittene Vertreter der Türkei auf der internationalen Bühne, im Kreis der Mächtigen. Merkel und Erdogan sprechen am Donnerstag miteinander - auf Wunsch Ankaras - wie die Bundesregierung betont.

Xi Jinping

Innerhalb der G20-Gruppe der Top-Wirtschaftsmächte beschäftigen sich Staats- und Regierungschefs schon mit der Frage der „neuen Führungsrolle“, die sich China durch Trumps Abschottungskurs bietet. Aber kann China die Welt überhaupt „führen“? Xi hatte die Abkehr Trumps vom Freihandel zunächst geschickt nutzen können, sich der Welt als Vorkämpfer gegen Protektionismus zu präsentieren, obwohl er genauso einen „ökonomischen Nationalismus“ verfolgt. China „führt“ die Globalisierung auch nur als größter Konsumentenmarkt der Welt.

Und ist China der „neue Klimaführer“? Keineswegs. Kein anderes Land produziert so viele Treibhausgase. Der für die Klimawende weltweit nötige Ausstieg aus der Kohlewirtschaft bleibt Wunschdenken, da das „schwarze Gold“ noch lange Hauptenergieträger des größten Kohleverbrauchers bleiben wird.

China übernimmt nur dort Verantwortung, wo es für sich von Nutzen ist - und dann zu seinen Bedingungen, sind sich Diplomaten einig. Eine „Weltordnung chinesischer Prägung“ werde von bilateralen Beziehungen geprägt sein, in denen China mit seiner Wirtschaftsmacht am längeren Hebel sitzt.

Auch dürfte diese „Ordnung“ intransparent, wenig regelbasiert und ohne Institutionalisierung sein - höchstens in kleinen Clubs, in denen China am Steuer sitzt. Aber China dehnt seinen Einfluss etwa mit der Initiative für eine „neue Seidenstraße“ aus - das bedeutet Milliardeninvestitionen in Infrastruktur und neue Wirtschaftskorridore in anderen Ländern. Peking schneidert damit die neue Weltordnung auf sich zu. Chinesische Träumchen und Schätzchen.

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