Mehr Tempo beim Breitbandausbau, mehr Digitalkompetenz in der Schule, mehr politische Schlagkraft: auf diese Forderungen konnten sich die Netzpolitiker Thomas Jarzombek (CDU), Saskia Esken (SPD), Renate Künast (Grüne) und Anke Domscheit-Berg (Linke) am Ende einigen. Zuvor hatten sie das getan, was bei den TV-Duellen in dieser Woche oft zu kurz gekommen war: über Digitalisierung gestritten, über IT-Sicherheit, Staatstrojaner und Künstliche Intelligenz.
Beim Netzpolitischen Forum in Berlin, einer Kooperationsveranstaltung zwischen dem Verband der Internetwirtschaft Eco und der WirtschaftsWoche, bekamen die Politiker für diese Debatte genügend Raum. SPD-Politikerin Esken forderte, in der Schule nicht bloß Informatik auf den Stundenplan zu setzen, sondern genauso den Umgang mit digitalen Quellen einzuüben.
Renate Künast von den Grünen sprach sich für die Übertragung von Werten und Rechten aus der analogen Welt in die digitale aus. Die Linke Anke Domscheit-Berg betonte den offenen Charakter des Digitalen. Und CDU-Mann Jarzombek wies auf Technologien wie Blockchain und Künstliche Intelligenz hin, die es nun zu fördern gelte.
Während die Oppositions-Politikerinnen Künast und Domscheit-Berg der Großen Koalition beim Thema Digitalpolitik kaum Erfolge attestierten und die Ergebnisse des Digitalausschusses als „Trauerspiel“ bezeichneten, betonten Esken und Jarzombek die Errungenschaften des Ausschusses. „Wir waren immer ziemlich flott“, sagte Jarzombek. „Sie hatten ja auch nichts zu entscheiden“, entgegnete Künast.
Die Diskussionsergebnisse ergänzten das, was der Eco-Verband in seinem netzpolitischen Parteiencheck herausgefunden hat. Für den Parteiencheck hatte der Verband die Wahlprogramme der aktuell im Bundestag vertretenen Parteien (CDU, SPD, Grüne, Linke) mit einem Forderungskatalog des Verbandes abgeglichen – und so untersucht, in welchen Bereichen die Parteien in der Digitalpolitik Schwerpunkte setzen, wo sie sich unterscheiden und wo Einigkeit herrscht.
Herausgekommen ist ein Stimmungsbild, das zeigt, wie unterschiedlich die Parteien den digitalen Wandel bewältigen wollen. Während sich etwa die Union für einen Staatsminister für Digitalisierung im Bundeskanzleramt ausspricht, hat die SPD zur Bündelung der Netzpolitik kaum Konkretes im Programm. Lediglich die FDP, die nicht im Parteiencheck berücksichtigt wurde, weil sie derzeit nicht im Bundestag sitzt, fordert mit einem Digitalministerium eine noch stärkere Konzentration der Digitalkompetenz.
Ebenso liegen die Parteien bei illegalen Internetinhalten im Streit. Sowohl SPD als auch Grüne wollen die Betreiber von Internetplattformen stärker als bisher in die Pflicht nehmen. Die Linke spricht sich stattdessen gegen den Aufbau jeglicher Sperr- und Überwachungsinfrastruktur aus.
Übereinstimmung herrscht bei den Themen IT-Sicherheit und Breitbandausbau. Dass es bei der Infrastruktur und beim Netzausbau vorangehen muss, haben alle Parteien erkannt. Gleichzeitig nennt kaum eine Partei konkrete Pläne, wie es weitergehen soll. Auch bei der Sicherheit wollen alle Parteien aktiv werden – bleiben aber im Ungefähren.
Alexander Rabe, Hauptstadtbüro-Leiter des Eco-Verbandes, betont, dass die Analyse keine Wahlempfehlung sei, sondern vor allem die Unterschiede zwischen den Parteien hervorhebe. „Es gibt keinen klaren Sieger beim Parteiencheck“, sagt er.
Für die kommende Legislaturperiode sieht Rabe vor allem zwei digitale Themen, die angepackt werden müssen: den Ausbau der digitalen Infrastruktur und die bessere Ausbildung im IT-Bereich. „Beim Thema Breitbandausbau ist schon einiges passiert, aber Dobrindts Ziele waren nicht ambitioniert“, sagt Rabe. Deswegen müssten in Zukunft klare Anreize gesetzt und sich überlegt werden, wie man den Breitbandausbau finanzieren kann. „Lediglich die Grünen haben da eine Idee, sie wollen die Telekom-Anteile des Bundes verkaufen, bei allen anderen Parteien fehlt so eine Idee.“
Beim Thema Bildung gelte es, die IT-Kompetenz in den Schulen zu verankern. „Entscheidend ist dabei, wie wir das machen.“ Schließlich könne der Bund Vorgaben machen wie er will – Bildung sei Ländersache. „Der Teufel liegt ja oft im Detail, und bei Bildung und IT-Kompetenz sind die Details ein ziemlich dickes Brett.“
Wahl-ABC: Vom aktiven Wahlrecht bis zur Zweitstimme
Wer mindestens 18 Jahre alt ist und einen deutschen Pass hat, darf wählen. Mit ihren beiden Stimmen entscheiden die Wähler und Wählerinnen über die Zusammensetzung des Bundestages. Um als Abgeordneter gewählt zu werden, muss man ebenfalls mindestens 18 Jahre alt sein.
Wer seine Stimme nicht im Wahllokal abgeben mag - aus welchen Gründen auch immer -, kann auf Antrag bereits vor der Wahl per Brief abstimmen. Bei der letzten Wahl machte fast jeder Vierte davon Gebrauch.
Erfolgreichen Kandidaten winkt eine üppige Bezahlung. Als Abgeordnete erhalten sie derzeit monatlich eine steuerpflichtige „Aufwandsentschädigung“ von 9542 Euro. Hinzu kommt eine steuerfreie Kostenpauschale von 4318 Euro, die nicht belegt werden muss. Auf Kosten des Steuerzahlers geht auch eine beitragsfreie Altersversorgung.
Am Wahlabend debattieren die Vorsitzenden der Bundestagsparteien im Fernsehen das Ergebnis. TV-Geschichte schrieb die turbulente „Berliner Runde“ 2005, die von Vertretern von ZDF und ARD moderiert wurde. Kanzler Gerhard Schröder (SPD) wollte seine Niederlage nicht zugeben.
Bei der Sitzverteilung werden nur Parteien berücksichtigt, die mindestens fünf Prozent der gültigen Zweitstimmen erreicht haben - es sei denn, sie erobern drei oder mehr Direktmandate (Grundmandate). Die Stimmen für die an der Hürde gescheiterten Parteien gehen verloren. So 2013 die der FDP, die mit 4,8 Prozent erstmals nicht in den Bundestag einzog.
Niemand soll erkennen oder kontrollieren, wie jemand wählt. Dazu dienen etwa die Wahlkabine. Dort ist das Fotografieren und Filmen ausdrücklich verboten.
Im Verlauf des Wahlabends liefern amtliche Teilergebnisse Hinweise auf den Ausgang. Im Unterschied zu Hochrechnungen beruhen die zuvor um Punkt 18 Uhr verbreiteten Prognosen auf der Befragung von Wählern.
Rund drei Millionen junge Leute dürfen erstmals den Bundestag wählen. Beim letzten Mal machten sich nur etwa 60 Prozent die Mühe. Den größten Rückhalt bei den Jungwählern fand die Union, gefolgt von der SPD. Auch die Grünen wurden zweistellig.
Der Bund erstattet den Ländern für deren Gemeinden Kosten etwa für Porto und „Erfrischungsgeld“ für Hunderttausende Wahlhelfer. In diesem Jahr werden schätzungsweise 92 Millionen Euro fällig.
Die sogenannten Social Bots können in den sozialen Netzwerken menschliche Nutzer simulieren, etwa zur politischen Stimmungsmache. Bei den vergangenen Präsidentenwahlen in den USA sorgten die Meinungsroboter für Irritationen.
Bei der Wahl 2013 blieben 17,6 Millionen Wahlberechtigte zu Hause, zuvor waren es mehr als 18 Millionen.
Über eigene Webseiten und Angebote in sozialen Medien verbreiten die Parteien ihre Botschaften. Wie herkömmlich auf Plakaten und Veranstaltungen setzen sie auch hier auf ihr Spitzenpersonal.
Die Parteien bestimmen selbst, wer auf ihren Listen kandidiert. Die für vier Jahre gewählten Abgeordneten entscheiden dann stellvertretend für die Bürger über wichtige Angelegenheiten.
Wer nur in einigen Dingen einen Betreuer braucht, darf wählen. Wer aber „in allen Angelegenheiten“ betreut werden muss, darf das nicht. Das gilt auch für psychisch kranke Straftäter.
Mit ihnen ziehen die meisten Parteien in den Wahlkampf, um ein persönliches Gesicht zu präsentierten. Beide Unionsparteien treten mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) als Kanzlerkandidatin an, bei der SPD ist Parteichef Martin Schulz der Frontmann. Linke und Grüne haben jeweils eine Doppelspitze.
Hier erleben die Zuschauer der vier großen Fernsehsender ARD, ZDF, RTL und Sat.1 die Kanzlerin und ihren Herausforderer live im direkten Vergleich. Trotz schwacher Umfragen hofft SPD-Kandidat Schulz auf eine Wende. Seit 2002 zählen die Fernsehduelle zu den Höhepunkten des Wahlkampfs.
Sie entstehen, wenn eine Partei in einem Bundesland mehr Erststimmenmandate gewinnt, als ihr nach Zweitstimmen zustehen. Seit 2013 werden für Überhangmandate sogenannte Ausgleichsmandate vergeben. So entspricht die Zahl aller Sitze im Bundestag wieder dem Anteil der Zweitstimmen.
Wer etwa mehrere Parteien ankreuzt oder Bemerkungen auf dem Stimmzettel macht, wählt ungültig. Das gilt auch für Menschen, die gar nichts ankreuzen. Einfluss auf das Wahlergebnis hat das alles keinen. Allerdings werden ungültige Stimmen bei der Wahlbeteiligung mitgezählt.
Sie zeigt, wie viele an die Urnen gegangen sind oder per Brief abgestimmt haben. Zuletzt waren es nur gut 71 Prozent. Weil keine Mindestzahl vorgeschrieben ist, wäre eine Wahl auch gültig, wenn 99 Prozent der Wahlberechtigten zu Hause blieben.
Sie wird auf der rechten Hälfte des Stimmzettels für die sogenannte Landesliste einer Partei angekreuzt. Nur die Zahl dieser Stimmen ist für die Sitzverteilung im Bundestag ausschlaggebend. Die Erststimme entscheidet über die Direktkandidaten in den 299 Wahlkreisen.
In eine ähnliche Richtung argumentierte beim Netzpolitischen Forum Christian Lindner. Der FDP-Spitzenkandidat forderte ein komplett neues Bildungssystem, bessere Infrastruktur, Monopolbeschränkungen und mehr Datenhoheit für die Nutzer. „Die Funktionsweise von Sozialen Medien wurde im Bundestag jedenfalls noch nicht von allen inhaliert“, sagte Lindner.
Beim Publikum kam der Vortrag des Liberalen offenbar gut an. Am Ende durften die Zuschauer abstimmen, welche Partei sie aus einzig netzpolitischer Perspektive wählen würden. Auf der großen Leinwand leuchten am Ende fünf Balken: SPD und Union jeweils sieben Prozent, die Linke 13, die Grünen 25 Prozent. Uneinholbar vorne liegt Lindners Partei, die FDP holt an diesem Abend 43 Prozent.