SPD-Rentenkonzept Was am Schulz-Plan problematisch ist

Kanzlerkandidat Martin Schulz und Sozialministerin Andrea Nahles haben die SPD-Rentenpläne vorgestellt. Es ist ein teures Programm mit einigen Haken.

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Schulz: SPD will Rentenniveau von 48 Prozent halten

Wenn Sozialdemokraten über Rente reden, dann wird es schnell pathetisch. Martin Schulz und Andrea Nahles machen da an diesem Mittwochmittag keine Ausnahme. Gerechtigkeit und Solidarität, der Wert von Arbeit und Lebensleistung – fast alles, was Genossen lieb und teuer ist, kommt in der Rente zusammen.

Eine verlässliche Alterssicherung sei „das Kernversprechen einer solidarischen Gesellschaft“, sagt der Kanzlerkandidat mit lauter Stimme. Die Arbeitsministerin, die neben ihm auf der Bühne im Berliner Willy-Brandt-Haus steht, kann noch leidenschaftlicher: „Was wir uns nicht leisten können, sind Menschen, die den Glauben an eine auskömmliche Rente verlieren“, sagt sie. Und: „Die Rente ist nicht umsonst – aber sie ist es wert.“

Darunter macht es die SPD selten. Alle vier Jahre, zu jeder Bundestagswahl, ringt die Partei um ihre Eckpunkte für die Absicherung des Ruhestands – und stets tut sie es mit einem heiligen Ernst und aufrechtem Eifer. Als ginge es darum, gleich das sozialdemokratische Glaubensbekenntnis neu zu schreiben.

Das neue Rentenkonzept der SPD

Rente - die eierlegende Wollmilchsau der Sozialpolitik

Die Botschaft, die Schulz und Nahles im Wahljahr 2017 verbreiten wollen, ist nicht zu überhören: „Sorgt Euch nicht, denn wir sorgen für Euch.“ Wer ihnen lauscht, hört dann zwar auch etwas von der Alterung der Gesellschaft, von den Lasten, die auf das System bereits in wenigen Jahren zukommen – aber dennoch: die Rentenversicherung wirkt erst einmal wie ein Zauberapparat, der Geld und gute Leistungen ausspuckt, der umverteilt und ausschüttet, ohne dabei irgendjemanden zu überfordern. Wie die eierlegende Wollmilchsau der Sozialpolitik also.

Das Rentenniveau? Soll bei 48 Prozent, also nahezu auf dem heutigen Stand, stabilisiert werden, noch dazu bis 2030. Die Beiträge? Steigen zwar, aber nur bis auf das bereits ohnehin gesetzlich fixierte Höchstmaß von 22 Prozent, nicht darüber hinaus. Dies ist die „doppelte Haltelinie“, die Nahles bereits im Herbst als Ministeriumskonzept vorgestellt hatte – mit dem kleinen, feinen Unterschied, dass damals nur 46 Prozent Rentenniveau als absicherbar galten. Für das Wahlprogramm, die eigenen Leute und die fordernden Gewerkschaften sollte es aber etwas mehr sein.

Und auch dies musste sein: „Mit mir wird es keine Erhöhung des Renteneintrittsalters geben“, verspricht Schulz. Genüsslich zitiert der Merkel-Herausforderer bei seinem Auftritt mehr als einmal CDU-Politiker wie Wolfgang Schäuble und Jens Spahn, die in diese Richtung denken. Sogar Zeitungsanzeigen hat die Partei heute eigens mit dieser Botschaft geschaltet. Man wird diesen Sound ganz sicher im Sommer auf den Marktplätzen der Republik hören.

Man muss den Sozialdemokraten allerdings zugutehalten, dass sie sich am Ende nicht um die Frage drücken, was all diese Versprechen kosten. Nahles sagt es dann sogar sehr genau: 19,2 Milliarden Euro im Jahr 2030. Problematisch ist: Ab 2025 gehen die geburtenstarken, gut verdienenden Babyboomer in Rente. Um die Altersversorgung dann trotz dieser Belastung weitgehend stabil zu halten, soll diese große Summe nach Willen der Genossen über mehr Steuermittel aufgebracht werden. Nötig würde das aber erst ab Ende der Zwanzigerjahre.

Wovor sich die Deutschen im Alter fürchten
Rentner Quelle: dpa
Rentner am Laptop Quelle: dpa
Gesundheit im Rentenalter Quelle: dpa
Einsamer Rentner Quelle: dpa
Rentner mit Geldscheinen Quelle: dpa
Rentner im Urlaub Quelle: dpa
Senioren gehen Arm in Arm spazieren Quelle: dpa

Da beginnt die Unredlichkeit der beiden Wahlkämpfer. Sie zeichnen für die kommenden fünf bis zehn Jahre ein überaus rosiges, vertrauenerweckendes Bild, beantworten die große Finanzierungsfrage hingegen einfach mit einer vagen Hoffnungsziffer. Schon heute funktioniert das Rentensystem nur mit mehr als 80 Milliarden Euro an Bundeszuschüssen. In einigen Jahren dürfte sich die Zinsbelastung des Bundeshaushaltes ganz anders darstellen – 20 Milliarden Euro jährlich sind dann alles andere als leicht zu schultern. Nachhaltige, ehrliche und belastbare Rechnungen sehen anders aus.

Schulz und Nahles verschweigen außerdem, dass die Rentenpolitik dieser Koalition – Mütterrente! Rente ab 63! – bereits im zweistelligen Milliardenumfang von den Arbeitnehmern zu den Rentnern umverteilt hat. Zwei folgenschwere Fehler, die den künftigen Spielraum unnötig stark eingeschränkt haben. Sie übergehen auch, dass die schwarz-rote Frühverrentung genau den Fachkräftemangel erzeugt, der nun mit einem „neuen Generationenvertrag“ und mehr qualifizierter Einwanderung bekämpft werden soll. Und warum künftig eine „Solidarrente“ die Lebensleistung von Kleinrentnern erst mit 35 Beitragsjahren belohnt, aber nicht mit 29 oder 33, auch das bleibt willkürlich.

Es müsse endlich mehr „Mut zur Zukunft“ geben, sagt Schulz am Ende. Zuerst sollte er sich den  Problemen der Gegenwart stellen.

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