Stelter strategisch
Aus einer Hand fallen Euromünzen. Quelle: dpa

Schluss mit der Wohlstandsvernichtung!

Daniel Stelter Quelle: Presse
Daniel Stelter Unternehmensberater, Gründer Beyond the Obvious, Kolumnist Zur Kolumnen-Übersicht: Stelter strategisch

Die Politiker tun so, als könnte Deutschland vor Kraft nicht laufen und verteilen im In- und Ausland Wohltaten. Dabei droht schon bald das böse Erwachen aus unserer Wohlstandsillusion.

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Am Sonntag ist Bundestagswahl und wir können endlich einen Wahlkampf hinter uns lassen, der den Namen nicht verdient. Getragen von der guten wirtschaftlichen Lage herrscht keine „Wechselstimmung“, wie es die Demoskopen so schön umschreiben. Aus Sicht der Kapitalanleger spricht vieles dafür, dass wir am Montag mit der gleichen Kanzlerin in die nächsten vier Jahre starten und das vielleicht noch mit einem wirtschaftsfreundlicheren Koalitionspartner. Alles gut, könnte man meinen.

Wir betreiben Raubbau am künftigen Wohlstand

Ein nüchterner Blick auf die Lage der deutschen Wirtschaft führt jedoch zu einer anderen Einschätzung. Nichts können wir uns so wenig wünschen, wie eine Fortsetzung der Politik der letzten Jahre. Kurzfristig mag es uns weiter gut gehen. Doch wir betreiben Raubbau am künftigen Wohlstand. Statt Letzteren zu sichern, hat die Politik sich darauf beschränkt, Wohltaten zu verteilen. Die (sicherlich unvollständige) Liste der Versäumnisse ist lang:

Reformen: Während wir lauthals von anderen Staaten Reformen fordern, landet Deutschland im Reformranking der OECD auf den hinteren Plätzen. Selbst Frankreich und Italien haben mehr Reformen gemacht. Seit dem Regierungswechsel vor zwölf Jahren ruht die Politik sich auf den Reformen der Regierung Schröder aus.

Staatsverschuldung:
Während wir die „schwarze Null“ feiern, rutschen wir bei korrekter Berechnung der Staatsverschuldung immer tiefer in die roten Zahlen. Berücksichtigt man die zukünftigen Kosten der alternden Gesellschaft, so haben wir deutlich mehr Staatsschulden als das so viel gescholtene Italien.

Rente:
Während Länder wie Italien in den letzten Jahren ihre Altersversorgungssysteme so reformiert haben, dass die Lasten in Zukunft geringer werden, hat unsere Regierung, geblendet von der momentan guten Konjunktur, die Lasten weiter erhöht. Stichworte: Rente mit 63, Mütterrente etc.

Selten ging es Deutschland so gut wie heute. Doch es gibt keine Garantie, dass es so weitergeht. Wir brauchen innovative Ideen, um an der Spitze zu bleiben. Die WirtschaftsWoche zeigt 49 auf.

Infrastruktur
Während Länder wie Frankreich kontinuierlich in die öffentliche Infrastruktur investieren, haben wir unsere für alle sichtbar an vielen Stellen verfallen lassen. Die Investitionen lagen im letzten Jahrzehnt unter denen, die für den Erhalt mindestens nötig wären. Die Regierung rechtfertigt den Investitionsstau mit den nicht vorhandenen Planungskapazitäten. Doch wurden diese zuvor aufgrund eben dieser Politik erst abgebaut.

- Während die Regierung die „schwarze Null“ als eigene Leistung verkauft, verdanken wir diese letztlich der Politik der EZB. Alleine der deutsche Staat hat dadurch in den letzten Jahren 240 Milliarden Euro an Zinsen gespart. Da ist es nun wahrlich keine politische Meisterleistung, einen ausgeglichenen Haushalt zu präsentieren.

Euro-Schuldenkrise:
Während die deutsche Politik die EZB lauthals für ihre Geldpolitik kritisiert – obwohl sie einer der Hauptnutznießer ist – verdrängen wir gerne, dass es die verfehlte Politik des Aussitzens der Euro-Krise ist, die überhaupt erst die Maßnahmen der EZB erforderlich macht. Bis heute weigert sich die deutsche Politik anzuerkennen, dass der Euro eine Fehlkonstruktion ist und zu einem enormen Anstieg der privaten und öffentlichen Verschuldung in den heutigen Krisenstaaten geführt hat. Eine Lösung setzt zwingend eine Bereinigung der Überschuldung voraus, direkt über Schuldenschnitte, indirekt über eine Rekapitalisierung des nach wie vor insolventen Bankensystems.

Hinzu kommt, dass es den Krisenländern nicht gelingt, die Wettbewerbslücke gegenüber Deutschland zu schließen. Dies bedeutet entweder eine dauerhafte Transferunion ohne Hoffnung auf Besserung oder aber – was realistischer ist – eine Auflösung der Eurozone. Nur eines funktioniert auf Dauer nicht: Aussitzen.

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