These 1 Einfacher und gerechter besteuern

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Kompliziertes Steuerrecht

Ein Fehler! „Der Bürger nimmt das geltende Steuersystem nicht mehr als Garant der Gleichheit wahr, weil er es nicht mehr versteht“, sagt Paul Kirchhof heute. Sein Plädoyer von 2005 hat an Aktualität nichts verloren: „Wir benötigen dringend einfache und verlässliche Maßstäbe, sonst gerät der Rechtsstaat als solcher in eine Krise.“

Im Namen einer umverteilenden Gerechtigkeit wollen die amtierenden Politiker stattdessen das Steuerrecht weiter verkomplizieren. Bestes Beispiel ist die Abgeltungsteuer. Sie ist quasi das einzige Vereinfachungsversprechen von 2005, das die Union (zusammen mit der SPD) eingelöst hat. Sie vereinfacht die Besteuerung von Zinsen, Dividenden und Veräußerungsgewinnen, weil die Banken die Abgabe sofort einbehalten und ans Finanzamt abführen. Der Gewinn für Bürger und Finanzämter: keine Steuererklärung, kein Verrechnen mit Werbungskosten, kein Nachhaken beim Fiskus – eine Erleichterung für alle Beteiligten.

Und doch wollen heute alle Parteien die Abgeltungsteuer wieder abschaffen – weil sie angeblich Erträge aus Kapital niedriger als die von Arbeit besteuert. Ein Irrtum, wie die Berechnung auf Seite 11 zeigt. Es bleibt zu hoffen, dass die Wahlsieger nach dem 24. September 2017 den Mumm aufbringen, ihre Anti-Abgeltungsteuer-Forderung auf den bekannten Müllhaufen alter Wahlversprechen zu werfen.

Mut braucht es, das Steuerrecht insgesamt zu entschlacken, und sich dabei mit den vielen Einzelfallfanatikern anzulegen, die für das hoch ausdifferenzierte, nur vermeintlich gerechte Steuerrecht die Hauptverantwortung tragen. Die nächste Regierung könnte ja zunächst damit anfangen, den Arbeitnehmerpauschbetrag großzügig zu erhöhen. Dann bräuchten Millionen Beschäftigte nicht mehr verzweifelt nach ihren Belegen für die Steuererklärung suchen.

Die Steuerausfälle, die jeder Finanzminister dabei fürchtet, könnte sich Deutschland mehr denn je leisten. In diesem Jahr nimmt der Staat schätzungsweise 165 Milliarden Euro mehr ein als 2013, Bund und Länder erwirtschaften hohe Überschüsse.

Mehr Mut bräuchte es, den wohl kompliziertesten Bereich zu vereinfachen, die Erbschaftsteuer, die seit Jahrzehnten Gerichte, Politiker und Heerscharen an Unternehmensberatern beschäftigt. Daran ändert auch die jüngste Novelle nichts mit ihren Behaltensfristen, Verschonungen, begünstigtem und unproduktivem Vermögen, Abschmelzmodellen und Bedürfnisprüfungen.

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