These 47 Museumsbesuch für alle

Wieso zahlen Bürger Geld für die Besichtigung von Kunstwerken, die ihnen gehören? Für eine neue Kultur der Vermittlung von klassischem Bildungswissen.

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Wieso zahlen Bürger Geld für die Besichtigung von Kunstwerken, die ihnen gehören? Quelle: dpa

Als Premierministerin Margaret Thatcher in den Achtzigerjahren staatliche Museen zur Eintreibung von Eintrittsgeldern zwang, regte sich das liberale Herz der Briten: Was für eine Unverschämtheit vom Staat, seinen Bürgern Geld für die Besichtigung von Werken abzuverlangen, die ihnen selbst gehören! Deswegen ist der Eintritt in die meisten Museen Großbritanniens heute wieder frei.

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Recht haben sie, die Briten. Ins British Museum, die Tate Modern und die National Gallery strömen sechs- bis zehnmal so viele Besucher wie in die Berliner Museen Pergamon, Hamburger Bahnhof oder Gemäldegalerie. Man geht auf der Insel aber nicht nur öfter ins Museum, sondern auch gelassener, selbstverständlicher, beiläufiger. Runter mit der Geldschwelle also!

Und rauf mit der Qualitätsschwelle zugleich. Denn das britische Modell hat einen entscheidenden Nachteil: Das Ausgestellte wird präsentiert wie auf einem Jahrmarkt, laut und marktschreierisch – und die Besucher sind, vor allem an Wochenenden und in den Ferien, so zahlreich, dass Konzentration unmöglich wird. Das Gezeigte rauscht folgenlos an einem vorbei.

Kunst macht Mühe – auch dafür müssen die Museen daher einen neuen Sinn entwickeln: Die alten Meister zum Beispiel kann halt nur entschlüsseln, wer sich für griechische Mythen und biblische Symbole interessiert. Es hilft nichts, sich eine Kundschaft zu erziehen, die von Ausstellungsmachern alles, von sich selbst aber nichts mehr verlangt. Die sich nicht vorbereiten, stattdessen alles mundgerecht serviert bekommen will.

Wer am Erhalt musealer Kultur interessiert ist, muss die Voraussetzungen dafür schaffen, dass ihr Wert verstanden werden kann: durch die Vermittlung von klassischem Bildungswissen. Dafür gibt es auch funktionale Gründe: Eine Gesellschaft, die den Bezug zu ihrer Tradition kappt, ihre politische Vergangenheit und ihre kulturellen Grundlagen nicht mehr dechiffrieren kann, ist dazu verdammt, zum Tautologen ihrer Gegenwart zu verkommen – zu einer Gesellschaft, die das digital beschleunigte Hier-und-jetzt-Geschehen affirmiert und die Fähigkeit verliert, es einredend zu befragen. Und das wäre gleichbedeutend mit dem Ende aller Kultur.

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