Haben wir da so etwas wie eine Gruppe, die nicht mehr zu erreichen ist für eine offene Diskussion?
Ich habe immer gedacht, wenn die alte Generation in Rente geht oder ausstirbt, würde sich das Problem von allein lösen. Aber das ist leider Blödsinn. Es wächst eine Jugend und eine frustrierte Mittelschicht heran, die diese Thesen eins zu eins adaptiert und offensiv weiterführt. Deswegen ist der Dialog wichtig, sonst können wir nur von einer verlorenen Generation reden. Man MUSS dringend mit ihnen reden und sie dort abholen, wo sie sich verrannt haben.
Sie haben sich seit langem sehr öffentlich mit den Positionen der AfD und Pegida auseinandergesetzt und dafür viel gestritten. Was haben Sie gelernt über den sinnvollen Umgang mit den Anhängern der AfD?
Das Problem ist, dass man so einfach nicht mit ihnen diskutieren kann. Das kann man schon spüren, wenn man sein Auto irgendwo abstellt oder an so eine Tankstelle fährt. Da ist eine Abwehrhaltung gegenüber allem, was nicht von hier ist oder einfach anders auftritt oder spricht. Ich habe vor drei Jahren, als Pegida sich formierte, in den sozialen Medien damit begonnen, auf verschiedene Personen, Gruppen und Strömungen hinzuweisen. Viele von denen sind heute in der AfD, manche noch immer fest in der CDU Sachsen, sogar im Landtag. Meine Offenheit wurde nicht nur in den ersten Monaten, sondern vereinzelt bis gestern in meinem Umfeld belächelt, nach dem Motto, ich solle das nicht so hochkochen, das sei doch alles nicht so schlimm und bestenfalls nur eine Randgruppe, die man doch verstehen müsse. Nein, es war diese Strömung, die in weiten Teilen der Bevölkerung vorhanden war und ausgebrochen ist. Plötzlich wurde das salonfähig, z.B. das Tolerieren oder Relativieren von An- und Übergriffen. Wir schauen mal zu und goutieren das still oder eben laut – das geht leider durch viele Bevölkerungsschichten. Und auch von Unternehmern hieß es immer, ich solle nicht so laut sein, das schade mir und dem Standort nur.
Die zehn wichtigsten wirtschaftspolitischen Forderungen der AfD
Die Mehrwertsteuer soll um sieben Prozent gesenkt werden. So will die AfD vor allem Geringverdiener entlasten.
Es soll eine Abgabenbremse für Steuern, Beiträge und Gebühren eingeführt und im Grundgesetz festgeschrieben werden. Die Obergrenze soll bei der heutigen Abgabenquote liegen und mittelfristig auf 40 Prozent des Bruttoinlandsproduktes fallen.
Die Erbschaftsteuer soll als Substanzsteuer abgeschafft, die Vermögensteuer nicht wieder eingeführt werden.
Die AfD befürwortet den gesetzlichen Mindestlohn. Zu dessen Höhe äußert sie sich im Wahlprogramm nicht.
Unternehmen sollen höchstens 15 Prozent ihrer Beschäftigten mit Leih- oder Werkverträgen beschäftigen dürfen.
Es soll Bürgerarbeit eingeführt werden. Langzeitarbeitslose sollen bis zu 30 Stunden pro Woche gemeinnützige Arbeit verrichten und dafür sozialversicherungspflichtig entlohnt werden.
Nach 45 Arbeitsjahren sollen die Bürger eine abschlagsfreie Rente zugesprochen bekommen. Bei der Berechnung der Rente sollen Beitragszeiten in dem Maß berücksichtigt werden, in dem sie erbracht wurden.
Rentner, die weiterhin arbeiten wollen, sollen ihren Lohn ohne Einschränkung der Rentenbezüge behalten dürfen. Die Einkommen sollen von den Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträgen zur Rentenversicherung freigestellt werden.
Die AfD will die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes erhöhen. Wer länger eingezahlt hat, soll auch länger Arbeitslosengeld erhalten – und erst später auf Hartz IV zurückfallen.
Der Arbeitgeberanteil zur Kranken- und Pflegeversicherung soll auf die gleiche Höhe wie der Arbeitnehmeranteil festgelegt werden.
Und, schadet es Ihnen?
Ich habe den meisten Umsatz mit meinem Geschäft nicht hier vor Ort, sondern 80 Prozent in Westdeutschland und davon wiederum 30 Prozent mit Bayern, um hier mal eine Größenordnung zu geben. Irgendwo schadet es sicher, aber es polarisiert und es nützt auch. Der Nutzen ist, dass ich vielleicht ein wenig mithelfen konnte, die Problematik überhaupt publik zu machen. Und jetzt plötzlich, nach drei Jahren, kommt dieses Ergebnis und alle gucken sich an und fragen: „Wie geht das denn?“ – Nun gilt es, diese sogenannte Alternative im Bundestag inhaltlich zu fordern. Die müssen jetzt liefern, haben ja noch nicht mal ein Rentenkonzept. Also Lösungen und aktive wirklich konstruktive Mitarbeit einfordern. Es hilft nichts, Herrn Gauland zum dritten Mal daran zu erinnern, dass er die Wehrmacht lobt oder den Holocaust relativiert. Inhalte einzufordern ist der einzige Weg, den Wählern zu zeigen, dass diese Partei gar nicht regieren wird können.
Sie haben Ihr Unternehmen seit vielen Jahren in Sachsen, obwohl Sie es als Online-Händler im Prinzip von überall aus führen könnten. Haben Sie je darüber nachgedacht, die Region zu verlassen?
Ja, habe ich, sehr oft, insbesondere in den vergangenen zwei Jahren. Aber wir haben hier viele persönliche und natürlich auch materielle Bindungen. Unter anderem viele tolle Mitarbeiter und ein einzigartiges denkmalgeschütztes Gebäude, in das wir vor sechs Jahren über vier Millionen Euro investiert haben. Insofern sind diese Gedanken aus dem Frust heraus schön, denn wir können unser Geschäft tatsächlich von überall betreiben, aber es ist nicht einfach zu gehen. Und mal ehrlich – ist es nicht besser zu bleiben und zu versuchen, etwas zum Positiven zu verändern?