Wahlergebnis Sachsen "Die Menschen haben das Original gewählt"

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Bleiben und zum Positiven ändern

Haben wir da so etwas wie eine Gruppe, die nicht mehr zu erreichen ist für eine offene Diskussion?
Ich habe immer gedacht, wenn die alte Generation in Rente geht oder ausstirbt, würde sich das Problem von allein lösen. Aber das ist leider Blödsinn. Es wächst eine Jugend und eine frustrierte Mittelschicht heran, die diese Thesen eins zu eins adaptiert und offensiv weiterführt. Deswegen ist der Dialog wichtig, sonst können wir nur von einer verlorenen Generation reden. Man MUSS dringend mit ihnen reden und sie dort abholen, wo sie sich verrannt haben.

Sie haben sich seit langem sehr öffentlich mit den Positionen der AfD und Pegida auseinandergesetzt und dafür viel gestritten. Was haben Sie gelernt über den sinnvollen Umgang mit den Anhängern der AfD?
Das Problem ist, dass man so einfach nicht mit ihnen diskutieren kann. Das kann man schon spüren, wenn man sein Auto irgendwo abstellt oder an so eine Tankstelle fährt. Da ist eine Abwehrhaltung gegenüber allem, was nicht von hier ist oder einfach anders auftritt oder spricht. Ich habe vor drei Jahren, als Pegida sich formierte, in den sozialen Medien damit begonnen, auf verschiedene Personen, Gruppen und Strömungen hinzuweisen. Viele von denen sind heute in der AfD, manche noch immer fest in der CDU Sachsen, sogar im Landtag. Meine Offenheit wurde nicht nur in den ersten Monaten, sondern vereinzelt bis gestern in meinem Umfeld belächelt, nach dem Motto, ich solle das nicht so hochkochen, das sei doch alles nicht so schlimm und bestenfalls nur eine Randgruppe, die man doch verstehen müsse. Nein, es war diese Strömung, die in weiten Teilen der Bevölkerung vorhanden war und ausgebrochen ist. Plötzlich wurde das salonfähig, z.B. das Tolerieren oder Relativieren von An- und Übergriffen. Wir schauen mal zu und goutieren das still oder eben laut – das geht leider durch viele Bevölkerungsschichten. Und auch von Unternehmern hieß es immer, ich solle nicht so laut sein, das schade mir und dem Standort nur.

Die zehn wichtigsten wirtschaftspolitischen Forderungen der AfD

Und, schadet es Ihnen?
Ich habe den meisten Umsatz mit meinem Geschäft nicht hier vor Ort, sondern 80 Prozent in Westdeutschland und davon wiederum 30 Prozent mit Bayern, um hier mal eine Größenordnung zu geben. Irgendwo schadet es sicher, aber es polarisiert und es nützt auch. Der Nutzen ist, dass ich vielleicht ein wenig mithelfen konnte, die Problematik überhaupt publik zu machen. Und jetzt plötzlich, nach drei Jahren, kommt dieses Ergebnis und alle gucken sich an und fragen: „Wie geht das denn?“ – Nun gilt es, diese sogenannte Alternative im Bundestag inhaltlich zu fordern. Die müssen jetzt liefern, haben ja noch nicht mal ein Rentenkonzept. Also Lösungen und aktive wirklich konstruktive Mitarbeit einfordern. Es hilft nichts, Herrn Gauland zum dritten Mal daran zu erinnern, dass er die Wehrmacht lobt oder den Holocaust relativiert. Inhalte einzufordern ist der einzige Weg, den Wählern zu zeigen, dass diese Partei gar nicht regieren wird können.

Sie haben Ihr Unternehmen seit vielen Jahren in Sachsen, obwohl Sie es als Online-Händler im Prinzip von überall aus führen könnten. Haben Sie je darüber nachgedacht, die Region zu verlassen?
Ja, habe ich, sehr oft, insbesondere in den vergangenen zwei Jahren. Aber wir haben hier viele persönliche und natürlich auch materielle Bindungen. Unter anderem viele tolle Mitarbeiter und ein einzigartiges denkmalgeschütztes Gebäude, in das wir vor sechs Jahren über vier Millionen Euro investiert haben. Insofern sind diese Gedanken aus dem Frust heraus schön, denn wir können unser Geschäft tatsächlich von überall betreiben, aber es ist nicht einfach zu gehen. Und mal ehrlich – ist es nicht besser zu bleiben und zu versuchen, etwas zum Positiven zu verändern?

"Schaden vom Standort Deutschland abwenden"
Die Union hat die Bundestagswahl gewonnen und bleibt nach den Hochrechnungen trotz deutlicher Verluste stärkste Kraft im Parlament . In der Parteizentrale der CDU herrschte dennoch große Ernüchterung. Hinter den Kulissen munkeln Parteimitglieder bereits darüber, dass Angela Merkel nun angreifbar geworden sei. "Wir hätten uns natürlich ein besseres Ergebnis gewünscht. Aber wir haben eine sehr schwierige Legislaturperiode hinter uns. Zudem haben wir mit der AfD eine neue Herausforderung im Bundestag. Doch wir werden die AfD-Wähler in den nächsten vier Jahren wieder zurückgewinnen", sagte Merkel in einem ersten Statement. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) führt die Einbußen der CDU bei der Bundestagswahl auf fehlende Antworten auf Zukunftsfragen zurück. „Es waren nicht die Themen, die existenziell für die Menschen an den Wahlständen eine Rolle gespielt haben. Die wollen wissen, wie es weitergeht. Da haben uns die Antworten an der Stelle insoweit gefehlt, dass wir geschwommen haben“, sagte Haseloff. Fragen nach dem Umgang mit Flüchtlingen seien nicht ausreichend beantwortet worden. Haseloff sagte, er erwarte nun keine einfache Regierungsbildung. Er betonte aber auch: „Gegen uns kann keiner regieren.“ Quelle: AP
Herausforderer Martin Schulz erzielt mit der SPD das schlechteste Ergebnis der Partei überhaupt. "Heute ist ein schwerer und ein bitterer Tag. Wir haben unser Wahlziel verfehlt." Die SPD kündigte an, in die Opposition zu gehen: Die stellvertretende Parteivorsitzende Manuela Schwesig sagte. "Das werden wir tun". SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz steht als Parteichef zudem nicht zur Disposition. "Dass wir nicht einfach so weitermachen können, ist auch klar, aber Martin Schulz als Parteivorsitzender steht nicht in Frage", sagt Schwesig. Quelle: REUTERS
Alexander Gauland versprach bereits Sekunden nach der ersten Prognose: "Als drittstärkste Kraft werden wir sie jagen. Wir werden Merkel oder wen auch immer jagen und uns unser Land zurückholen". Quelle: AP
Die Union hat nach Ansicht von Fraktionschef Volker Kauder ihre Wahlziele erreicht. Sie bleibe stärkste Partei und stärkste Fraktion, sagt Kauder in der ARD. Die Union habe einen Regierungsauftrag erhalten. Angela Merkel bleibe Kanzlerin. Quelle: dpa
Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki zweifelt den Realitätssinn der AfD an und macht deutlich, dass sich die FDP deutlich zurückgemeldet hat und die AfD im Zaum gehalten werden kann, da eine große Mehrheit der Deutschen sie nicht gewählt habe. Wolfgang Kubicki kritisierte zudem die Entscheidung der SPD, in die Opposition zu gehen. Seine Partei stehe deshalb aber nicht automatisch für eine Koalition zur Verfügung. Es sei keine Selbstverständlichkeit zu glauben, dass die FDP den "Ausputzer mache", sagt Kubicki. Quelle: REUTERS
Die Spitzenkandidatin der Grünen zur Bundestagswahl, Katrin Göring-Eckardt, dankte in der Parteizentrale für den geleisteten Wahlkampf und signalisierte Gesprächsbereitschaft für eine mögliche Koalition mit der CDU. Quelle: dpa
Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn hat sich entsetzt über das Abschneiden der AfD bei der Bundestagswahl gezeigt. „70 Jahre nach Kriegsende sitzen wieder Neonazis im Bundestag“, sagte Asselborn der Deutschen Presse-Agentur am Sonntagabend. In vielen europäischen Staaten hätten Rechte in der jüngeren Vergangenheit wieder Fuß gefasst. „Wenn es in Deutschland passiert, ruft es wegen der Geschichte aber besonders Angst hervor.“ Asselborn forderte: „Alle demokratischen Parteien in Deutschland müssen nun zusammenstehen, egal ob sie in der Regierung oder der Opposition sind.“ Quelle: AP
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