Bundestagswahl 2021 „Es bleibt wenig Zeit“: Sechs Top-Managerinnen fordern mehr Tempo

Hauke Stars, Ann-Christin Achleitner, Saori Dubourg, Julia Jäkel, Christine Bortenlänger und Stephanie Schorp (von links) haben sich auf sechs Ziele fokussiert, um die anstehende Transformation erfolgreich zu gestalten. Quelle: PR

Wie muss sich die Republik in der Post-Merkel-Ära aufstellen? Sechs Top-Managerinnen formulieren sechs Ziele für die Zukunft Deutschlands. Es geht um Bildung, Digitalisierung – und die Finanzierung.

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Wer Angela Merkel (CDU) nach der Bundestagswahl am 26. September im Kanzleramt folgen wird, ist angesichts der aktuellen Umfragen noch ungewiss. Doch wie viel es nach ihrer 16-jährigen Amtszeit zu tun gibt, machen sechs Spitzenmanagerinnen der deutschen Wirtschaft deutlich. Erstmals haben sie sich vor einer Wahl zusammengeschlossen, um Forderungen für die Zukunft Deutschlands zu formulieren.

„Wir stehen jetzt an einer wesentlichen Weichenstellung“, erklärt Saori Dubourg, Vorstandsmitglied beim Chemiekonzern BASF. Gemeinsam mit den Multi-Aufsichtsrätinnen Ann-Christin Achleitner, Julia Jäkel und Hauke Stars sowie der Vorständin Christine Bortenlänger (Deutsches Aktieninstitut) und Geschäftsführerin Stephanie Schorp (Personalberatungsfirma Comites) hat sie sich auf sechs Ziele fokussiert, um die anstehende Transformation erfolgreich zu gestalten: Bildung, Digitalisierung, Innovation, Energie, Europa und die Finanzierung.

„Deutschland hat nur wenige Jahre“

„Deutschland hat nur wenige Jahre, um die Chancenfelder zu besetzen“, warnen die Managerinnen in ihrem gemeinsamen Appell, der am Donnerstag veröffentlicht wird und der WirtschaftsWoche vorab vorlag. Eine Wahlempfehlung formulieren sie darin zwar nicht – aber deutlich wird, wie groß die Baustellen in der Post-Merkel-Ära aus ihrer Sicht sind.

Saori Dubourg Quelle: imago images

„Ich würde nicht sagen, dass Frauen eine andere Wirtschaftspolitik wollen“, sagt Dubourg, „aber wir haben uns als Wirtschaftsfrauen zusammengeschlossen, weil wir für nachfolgenden Generationen einen Beitrag leisten wollen“, erklärt sie. Täglich würden sich die Managerinnen in ihren Positionen bereits heute mit den Themen der anstehenden Transformation beschäftigen und deshalb nun ihre Ideen zur Gestaltung einbringen: „Die Zukunft findet heute statt – und das ist für uns der Antrieb, für diese nächste Generation jetzt Verantwortung zu übernehmen“, betont Dubourg.

„Diese Transformation wird teuer“

Angesichts der enormen Kosten der Transformation sei aber ein nachhaltiges Finanzierungskonzept notwendig. „Diese Transformation wird teuer“, sagt Dubourg. Deshalb sollten die Chancen am Kapitalmarkt genutzt werden: „Wir haben derzeit in Europa die größte Anzahl an Nachhaltigkeitsfonds weltweit. Der Anteil ist in den vergangenen Jahren massiv gestiegen. Es gibt also viel Kapital, das nach interessanten Anlagemöglichkeiten im Nachhaltigkeitsbereich sucht.“

Ann-Kristin Achleitner Quelle: imago images

Diese sechs Ziele haben die Wirtschaftsfrauen zur Zukunft Deutschlands formuliert:

  1. Bildung: Unsere Kinder sind unsere Zukunft. Sie haben Anspruch auf ein modernes und zukunftsorientiertes Bildungsprogramm, das jedem offensteht, denn Bildung schafft Chancen und Perspektiven. Der systematische digitale Ausbau der Schulen und Universitäten ist überfällig. Deutliche Investitionen in Infrastruktur und die Qualität der Lehre sind ein Muss.
  2. Digitalisierung: Als Industrienation müssen wir in der Digitalisierung deutlich aufholen und uns langfristig einen Vorsprung erarbeiten. Die Geschwindigkeit der Netze, einheitliche Erreichbarkeit, Künstliche Intelligenz, all das ist die Zukunft. Unsere Unternehmen in Deutschland verfügen heute noch über ein enormes Pfund an Technologien mit gewaltigen Chancen für die Zukunft. Was wir brauchen, ist eine exzellente Infrastruktur, um diese Schätze zu heben. Welche digitale Wirklichkeit wir für unsere Zukunft wollen, müssen wir klar definieren. Dafür wollen wir gemeinsam Verantwortung übernehmen.
  3. Innovationen: Der Klimawandel setzt heute schon viele neue Ideen und Technologien frei. Industrieweit arbeiten wir in über 100 neuen Innovationsfeldern an Lösungen mit Wasserstoff, Recycling, E-Mobilität etc., um eine nachhaltigere Gesellschaft zu formen. Uns bleiben etwa drei bis fünf Jahre, um diese Chancen für Deutschland zu heben und uns dadurch weltweit eine Führungsposition zu erarbeiten, bevor es andere tun. Dabei helfen nicht Dogmen, sondern Technologieoffenheit und Wettbewerb, denn nur wer vieles testet und ausprobiert, findet am Ende auch die beste Lösung.
  4. Energie: Wir brauchen realistische und verlässliche Pfade für den Ausbau der Infrastruktur für erneuerbare Energien. Versorgungssicherheit und mehr Planbarkeit sind für uns alle ein Muss. Wir benötigen mehr Speicher, bessere Netze und intelligente Steuerungssysteme. Dies geht nicht ohne einen ehrlichen Dialog mit Bürgerinnen und Bürgern, wie wir gemeinsam Kompromisse eingehen – denn ohne die wird es nicht gehen. Wir sind für ehrgeizige Ziele, die machbar sind.
  5. Europa: Wenn wir weltweit Maßstäbe setzen wollen, müssen wir auch größer denken. Deshalb ist es richtig, Klimaneutralität aus europäischer Sicht gemeinsam anzugehen. Jedes Land in Europa verfügt über unterschiedliche Ressourcen, die als wertvolle Beiträge genutzt werden können. Dabei sollte der Rahmen für eine CO2-Preisfindung marktwirtschaftlich gesetzt werden. Und dies gilt nicht nur für Deutschland, sondern international, denn unsere Märkte sind es auch.
  6. Finanzierung: Die Transformation zu einer nachhaltigen Wirtschaft ist notwendig und muss finanziert werden. Wir brauchen dazu vor allem private Investitionen über den Kapitalmarkt. Der Staat muss technologieoffene und berechenbare Rahmenbedingungen schaffen und in eine nachhaltige Infrastruktur investieren. Eine Aufhebung der Schuldenbremse belastet die Zukunft unserer Kinder. Auch eine Umverteilung von Vermögen oder Steuererhöhungen stärken die Nachhaltigkeit einer Volkswirtschaft nicht.

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„Gefragt ist insbesondere eine Offenheit gegenüber neuen Technologien“, betont Dubourg. Oft sei aus der Forschung heraus noch nicht absehbar, welche Technologie sich am Ende durchsetzen werde: „Wir sind aber leider oft schon sehr schnell dabei, uns auf die eine oder andere Technologie zu fokussieren. Wir müssen aber offen sein für die Frage, was am Ende die beste Lösung ist.“

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