Die Tumblr-Blogs waren in Sachen Social-Media die eigentliche Innovation dieses Wahlkampfs. Dort wurden vor allem ironisch verfremdete Bilder als Wahlkampfkommentare abgebildet, am bekanntesten sind dabei zwei Blogs zu Peer Steinbrücks Stinkefinger-Foto. Einer größeren Öffentlichkeit wurde so aufgezeigt, warum Tumblr Yahoo fast eine Milliarde Dollar wert war.
Bis auf eine Motivsammlung der Piratenpartei gelang allerdings kaum einem offiziellen Parteien-Tumblr eine größere Verbreitung. Stattdessen hatten private Blogs wie dieser zur Merkel-Raute Erfolg. Verbreitung erlangten sie jedoch vor allem über andere Kanäle. „Die meisten Besucher kamen via Facebook, deutlich weniger über Reddit, Twitter und klassische Nachrichten-Websites“, sagt der Grafikdesigner Peter Schildwächter, der den Tumblr zur Merkelraute gemacht hat.
Das gilt auch für andere Kanäle. So nutzte die SPD beispielsweise die Musikplattform Soundcloud, um Wahlkampfreden zu veröffentlichen. Die kommen allerdings selten auf mehr als ein Dutzend Abrufe, Ausnahme bildet ein Telefonat von Steinbrück mit Pro7-Moderator Klaas-Heufer Umlauf, das sich immerhin 13 000 Personen auf Soundcloud anhörten. Sicher auch durch die Verbreitung von Twitter, allein ein Tweet des SPD-Kanzlerkandidaten wurde hundertfach weiterverbreitet und favorisiert.
Das Netzwerk Pinterest spielte dagegen keine Rolle – im Gegensatz zu den USA, wo sich Michelle Obama und die Gattin von Herausforderer Mitt Romney mit Kochrezepten um weibliche Wähler gebuhlt haben.
4. Die ganz großen und die ganz kleinen Parteien dominieren
Auch in den sozialen Netzwerken wurde vor allem über die Volksparteien gesprochen. Es gab nach der Auswertung der WirtschaftsWoche in den zwei Monaten vor der Wahl mehr als 390 000 Tweets und Facebook-Kommentare über die Union und fast 280 000 über die SPD.
Dann folgt jedoch schon die Piratenpartei mit 185 000, die Alternative für Deutschland liegt mit 141 000 knapp hinter der FDP (146 000). Könnte die besondere Stärke der AfD auf Facebook besser erfasst werden, würden die Eurogegner wahrscheinlich vor den Liberalen liegen.
Die Dominanz der Piraten im Netz ist bekannt, weniger zu erwarten war die Stärke der AfD. Das zeigt, dass es sich bei weitem nicht nur um eine Partei frustrierter alter Männer handelt, erklärt sich aber auch dadurch, dass die Partei wie alle Neulinge oder unter „Sonstige“ laufende Unter-Fünf-Prozent-Parteien in den klassischen Medien weniger Beachtung findet. Soziale Netzwerke bieten da eine willkommene Alternative, auch die NPD hat mit 44 000 Facebook-Fans fast doppelt so viele wie die FDP.
Überraschend ist es allerdings, wie sehr die kleineren, etablierten Parteien gegenüber diesen Neulingen und den Volksparteien zurückliegen. Denn lange waren die Grünen aber auch die FDP Vorreiter bei der Nutzung von Twitter & Co., die sich zudem auch stärker mit netzpolitischen Themen befassen.
Doch der Vorsprung ist aufgebraucht, die etablierte Politprominenz wie Peter Altmaier oder Sigmar Gabriel hat Twitterpioniere wie Volker Beck (Grüne) bei den Followerzahlen inzwischen überholt. Auch daran zeigt sich, wie der Dienst im Mainstream angekommen ist.