Bundestagswahl Fünf Lektionen aus dem Social-Media-Wahlkampf

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3. Neuere Plattformen funktionieren nur in Kombination

Die "Euro-Wehr" zieht durch Frankfurt
Rund 1000 Anhänger der eurokritischen Alternative für Deutschland (AfD) haben am Samstag in Frankfurt gegen die deutsche EU-Krisenpolitik demonstriert. Sie zogen vom Römer zum Platz vor der Europäischen Zentralbank (EZB) und hielten Plakate hoch mit Parolen wie „Der Euro spaltet Europa“ oder „Ja zu Europa - Nein zur Schuldenunion“. In Sprechchören riefen sie „Wir sind das Volk“ und forderten eine Volksabstimmung über die Euro-Rettung. An der Kundgebung nahmen auch der AfD-Bundesvorsitzende Bernd Lucke und die hessische Spitzenkandidatin Christiane Gleissner teil. Quelle: dpa
Bei der Abschlusskundgebung auf dem Frankfurter Römerberg singen Anhänger der AfD gemeinsam mit Parteichef Lucke: "Die Rettung ist alternativ". Im Hintergrund stehen alte Feuerwehr- und Katastrophenschutz-LKWs mit dem Schriftzug "Euro-Wehr". Quelle: dpa
Der Bundessprecher der AFD, Bernd Lucke, ist optimistisch, dass seine Partei bei der Bundestagswahl 2013 zwischen 15 und 20 Prozent der Stimmen holen wird. Zumindest in den Regionen, in denen die Partei bekannt ist.„Unser Problem ist der immer noch zu geringe Bekanntheitsgrad“. Der Zuspruch für die AfD aber steige. Quelle: dpa
Eine Kooperation mit der CDU schließt die AfD für sich aber aus: Sollten die Euro-Rebellen am 22. September in den Bundestag einziehen, wollen sie Angela Merkel (CDU) bei der Kanzlerwahl nicht unterstützen. „Wir wählen keine Kanzlerin, zu der wir kein Vertrauen haben. Das haben wir zu Frau Merkel derzeit ganz eindeutig nicht“, sagte der Parteivorsitzende Lucke der „Welt“ (Online). Quelle: dpa
"Wir mündigen Bürger wollen nicht, dass die Politiker das Recht immer weiter verbiegen", sagte Frauke Petry, Sprecherin der Alternative für Deutschland, während ihrer Begrüßungsrede auf dem Römerberg zum Auftakt der Demonstration. Den immer wieder gemachten Vorwurf der Europafeindlichkeit der AfD lehnt die Partei übrigens rund weg ab. Petry sagte, die AfD stehe "für ein starkes und freies Europa der Vaterländer gemäß den Ideen Charles de Gaulles". Quelle: dpa

Die Tumblr-Blogs waren in Sachen Social-Media die eigentliche Innovation dieses Wahlkampfs. Dort wurden vor allem ironisch verfremdete Bilder als Wahlkampfkommentare abgebildet, am bekanntesten sind dabei zwei Blogs zu Peer Steinbrücks Stinkefinger-Foto. Einer größeren Öffentlichkeit wurde so aufgezeigt, warum Tumblr Yahoo fast eine Milliarde Dollar wert war.

Bis auf eine Motivsammlung der Piratenpartei gelang allerdings kaum einem offiziellen Parteien-Tumblr eine größere Verbreitung. Stattdessen hatten private Blogs wie dieser zur Merkel-Raute Erfolg. Verbreitung erlangten sie jedoch vor allem über andere Kanäle. „Die meisten Besucher kamen via Facebook, deutlich weniger über Reddit, Twitter und klassische Nachrichten-Websites“, sagt der Grafikdesigner Peter Schildwächter, der den Tumblr zur Merkelraute gemacht hat.

WiWo-Wahlsager: So wird Deutschland wählen

Das gilt auch für andere Kanäle. So nutzte die SPD beispielsweise die Musikplattform Soundcloud, um Wahlkampfreden zu veröffentlichen. Die kommen allerdings selten auf mehr als ein Dutzend Abrufe, Ausnahme bildet ein Telefonat von Steinbrück mit Pro7-Moderator Klaas-Heufer Umlauf, das sich immerhin 13 000 Personen auf Soundcloud anhörten. Sicher auch durch die Verbreitung von Twitter, allein ein Tweet des SPD-Kanzlerkandidaten wurde hundertfach weiterverbreitet und favorisiert.

Das Netzwerk Pinterest spielte dagegen keine Rolle – im Gegensatz zu den USA, wo sich Michelle Obama und die Gattin von Herausforderer Mitt Romney mit Kochrezepten um weibliche Wähler gebuhlt haben.

4. Die ganz großen und die ganz kleinen Parteien dominieren

Auch in den sozialen Netzwerken wurde vor allem über die Volksparteien gesprochen. Es gab nach der Auswertung der WirtschaftsWoche in den zwei Monaten vor der Wahl mehr als 390 000 Tweets und Facebook-Kommentare über die Union und fast 280 000 über die SPD.

Dann folgt jedoch schon die Piratenpartei mit 185 000, die Alternative für Deutschland liegt mit 141 000 knapp hinter der FDP (146 000). Könnte die besondere Stärke der AfD auf Facebook besser erfasst werden, würden die Eurogegner wahrscheinlich vor den Liberalen liegen.

Die Dominanz der Piraten im Netz ist bekannt, weniger zu erwarten war die Stärke der AfD. Das zeigt, dass es sich bei weitem nicht nur um eine Partei frustrierter alter Männer handelt, erklärt sich aber auch dadurch, dass die Partei wie alle Neulinge oder unter „Sonstige“ laufende Unter-Fünf-Prozent-Parteien in den klassischen Medien weniger Beachtung findet. Soziale Netzwerke bieten da eine willkommene Alternative, auch die NPD hat mit 44 000 Facebook-Fans fast doppelt so viele wie die FDP.

Überraschend ist es allerdings, wie sehr die kleineren, etablierten Parteien gegenüber diesen Neulingen und den Volksparteien zurückliegen. Denn lange waren die Grünen aber auch die FDP Vorreiter bei der Nutzung von Twitter & Co., die sich zudem auch stärker mit netzpolitischen Themen befassen.

Doch der Vorsprung ist aufgebraucht, die etablierte Politprominenz wie Peter Altmaier oder Sigmar Gabriel hat Twitterpioniere wie Volker Beck (Grüne) bei den Followerzahlen inzwischen überholt. Auch daran zeigt sich, wie der Dienst im Mainstream angekommen ist.

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