Noch 28 Tage bleiben Armin Laschet, um bis zur Bundestagswahl gegen Olaf Scholz (SPD) und Annalena Baerbock (Grüne) zu punkten. Vor dem Unionskanzlerkandidaten liegen entscheidende Auftritte für seinen möglichen Einzug ins Kanzleramt. Millionen Menschen werden wohl zuschauen, wenn an diesem Sonntagabend die TV-Trielle bei RTL und ntv starten. Am Dienstag wartet in Berlin dann ein Publikum auf ihn, das deutlich kleiner ist – aber vor allem mit Blick auf seine wirtschaftspolitischen Ideen hohe Erwartungen hat.
Einige der wichtigsten Vorstandschefs der Republik wollen Laschet zuhören, wenn er beim „Wirtschaftstag“ des CDU-Wirtschaftsrats in Berlin die Keynote hält – es geht um seine Idee für ein „Starkes Deutschland, souveränes Europa“.
Meet & Greet mit den CEOs
Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing hat sich angekündigt, ebenso Werner Baumann (Bayer), Carsten Spohr (Lufthansa), Michael Zahn (Deutsche Wohnen), Markus Ochsner (ABB) und Theodor Weimer (Deutsche Börse) und noch einige Vorstände mehr. Wird Laschet sie überzeugen, dass er der beste CEO für Deutschland ist?
Die Ausgangslage ist, gelinde gesagt, ausbaufähig. Denn selbst die Mitglieder des Wirtschaftsrates würden mit Blick auf das beste wirtschaftspolitische Profil der Parteien die FDP wählen: 82 Prozent bezeichnen das Profil der Liberalen in einer Umfrage unter den Mitgliedern als „sehr gut“ oder „gut“, das sind noch einmal 19 Prozent mehr als 2020. Die Union bekommt dagegen nur von 66 Prozent der Befragten ein „sehr gut“ oder „gut“, dahinter folgen SPD (10 Prozent), AfD (9 Prozent), Grüne (8 Prozent) und die Linke (1 Prozent).
Patzer statt Profil
Statt mit starkem Profil ist Laschet zuletzt eher aufgefallen mit starken Patzern: Die Albereien im Flutgebiet, die Inszenierung vorm Flut-Müllberg, Steuersenkungen im Wahlprogramm versprechen und im ARD-„Sommerinterview“ wieder zurücknehmen. Da ist die verpuffte Idee vom „Brücken-Lockdown“ im Frühjahr schon wieder fast in Vergessenheit geraten, während die Coronazahlen in dem von ihm regierten Nordrhein-Westfalen derzeit wieder rasant steigen.
Umso mehr will Laschet nun mit Inhalten punkten. Dabei helfen soll ein 100-Tage-Sofortprogramm, das er demnächst vorlegen und im Falle einer Regierungsbeteiligung umsetzen will. Wird es Laschet und der Union den dringend benötigten Befreiungsschlag bringen?
„Der Wahlkampf hat sich bislang nur um Krisen gedreht“, kritisiert Astrid Hamker, Präsidentin des Wirtschaftsrats. „Jetzt müssen die Sachthemen ins Zentrum gerückt werden. Es geht hier um eine Richtungswahl und um massive Eingriffe in das Leben eines jeden Einzelnen. Das betrifft nicht nur die Wirtschaft.“
Die zehn wichtigsten Punkte
Was aber darf auf keinen Fall fehlen in dem 100-Tage-Programm? Aus Hamkers Sicht sind folgende zehn Punkte unverzichtbar:
- Ausbauturbo für digitale Infrastruktur (Glasfaser, 5G), Förderung der digitalen Souveränität auf allen wertschöpfungsrelevanten Technologieebenen, eine bundesweit koordinierte Digitalpolitik und Digitalisierung des Bildungswesens.
- Chancen- und wachstumsorientierte Rahmenbedingungen, Start-up-Förderung sowie Bürokratieabbau für die Etablierung von Datenökosystemen und Geschäftsmodellen auf Basis von Machine Learning, künstlicher Intelligenz und Quantencomputing sowie Harmonisierung der IT- und Cybersicherheitslandschaft.
- Überprüfung des Verbandsklagerechts in seiner Reichweite, Einräumen eines Vorrangs der Interessen direkt betroffener Bürger gegenüber Verbänden.
- Anpassung des Baurechts zur erleichterten Nachnutzung leerstehender innerstädtischer Großimmobilien durch Verzicht auf die zeitintensive Anpassung von Bebauungsplänen.
- Markt- und Systemintegration von Erneuerbaren weiter vorantreiben, dringende Synchronisierung des Ausbaus der Erneuerbaren Energien mit dem Netzausbau, Auslaufen des EEG einleiten.
- Weichen stellen für eine globale Klimaallianz mit einer einheitlichen CO2-Bepreisung, um Carbon-Leakage-Schutz für die deutsche Industrie zu gewährleisten.
- Freihandel ausbauen: CETA vollständig ratifizieren, Mercosur vorantreiben, transatlantische Freihandelszone gründen.
- Schaffung von Sofortabschreibungsmöglichkeiten zur Unterstützung der anhaltenden Digitalisierungs-, Nachhaltigkeits- und Energietransformationen.
- Beseitigung des strukturellen Besteuerungsnachteils von Personengesellschaften durch die Reform der Thesaurierungsbesteuerung.
- Anpassung des Anrechnungsfaktors, damit die Anrechnung der Gewerbesteuer für Personenunternehmen Belastungsneutral beziehungsweise in voller Höhe erfolgen kann.
Damit soll das gelingen, was Hamker ein „spürbares Umsteuern“ in der Wirtschaftspolitik nennt. „Der bürokratische Mehltau ist unerträglich für eine Industrienation, die in der ersten Liga mitspielen will“, mahnt Hamker.
Ob es Laschet sein wird, der diesen Mehltau dann als Kanzler beseitigt, ist angesichts der aktuellen Umfragewerte ungewiss. Umso mehr dürfte er am Dienstag für sich werben.
Bei der Konferenz, die sich einer „Agenda für die Post-Covid-Welt“ widmen will und teilweise hybrid veranstaltet wird, sind neben Laschet weitere Spitzenpolitiker zu Gast: Der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz wird sprechen, CSU-Chef Markus Söder, die Kabinettsmitglieder Julia Klöckner, Peter Altmaier und Andreas Scheuer, die Ministerpräsidenten Volker Bouffier aus Hessen und Reiner Haseloff aus Sachsen-Anhalt sowie Wirtschaftsrats-Vizepräsident Friedrich Merz. Von der FDP ist Parteichef Christian Lindner eingeladen – weshalb mögliche Koalitionsoptionen auch am Dienstag Thema sein dürften.
Mehr zum Thema: Erst hieß es: Schwarz gegen Grün. Jetzt heißt es: Scholz gegen Laschet. Aber was, wenn die Union nicht aufhört, sich zugrunde zu richten? Und die Welt plötzlich merkt, dass Olaf Scholz SPD-Mitglied ist? Vor dem ersten TV-Triell ist klar: Die Grünen sind zurück im Rennen.