Schon das Sinnbild ihrer Zusammenarbeit war die Folge einer sanften Erpressung. Ursprünglich wollte Angela Merkel am 5. Oktober 2008 allein vor die Fernsehkameras treten, um die Sicherheit aller Spareinlagen in Deutschland zu garantieren. Doch Peer Steinbrück, Finanzminister in der großen Koalition, wollte der Kanzlerin die Retterrolle nicht überlassen. Er werde einen ähnlichen Auftritt abhalten, nahezu identisch, kündigte er an. Es folgten Telefonate und SMS-Nachrichten, und am Ende bat die Kanzlerin den SPD-Politiker an ihre Seite. Zähneknirschend. Die Bilder ihres gemeinsamen Auftritts begründeten Merkels Nimbus als Krisenmanagerin. Und sie krönten Steinbrück zum ebenbürtigen Macher.
Inzwischen fragt sich Merkel vermutlich, ob es klug war, dem SPD-Mann nachzugeben. Ohne ihr Doppel wäre Steinbrück nie so groß geworden in seiner Partei. Ohne die Finanzkrise nie Merkels Widersacher im Kampf um das Kanzleramt. Aus dem Duett wird nun ein Duell. Man hat sich lange keine SMS mehr geschrieben.
Der Wahlkampf ist eröffnet. In der vergangenen Woche hat die CDU Angela Merkel mit sozialistischem Ergebnis wieder zur Parteivorsitzenden gewählt, am Sonntag darauf stand Steinbrücks offizielle Kür zum Kanzlerkandidaten auf dem SPD-Programm. Duellieren müssen sich nun zwei Krisengewinnler, Technokraten der Macht, die sich vor allem in der Inszenierung ihrer Auftritte unterscheiden: Frau Schmallippig gegen Herrn Spitzzüngig.
Habt Vertrauen
Wie Angela Merkel in den Wahlkampf ziehen will, zeigte ihre Parteitagsrede als Präsidialkanzlerin, die als personifizierte Vollkaskoversicherung „Deutschland in stürmischer See mit klarem Kompass sicher führt und steuert“. Habt Vertrauen, das soll ihre Botschaft sein. Vollbeschäftigung verspricht sie (mit dem demografischen Wandel im Rücken). Und die begonnenen Projekte, die müsse sie doch noch solide zu Ende führen dürfen: Euro-Rettung, Energiewende, Staatshaushalt. Was sie so solide nennt.
Keine polemische Attacke auf die Grünen oder die SPD, lediglich ein, zwei Hiebe gegen drohende Steuererhöhungen. Auf dem Höhepunkt der Euro-Rettung kennt die Regentin – wie weiland Wilhelm II. am Vorabend des Ersten Weltkrieges – keine Parteien mehr, sondern nur noch Deutsche. In die Niederungen des Gerangels können sich ihre Zuschläger Hermann Gröhe, der CDU-Generalsekretär, und Fraktionschef Volker Kauder begeben und natürlich der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer. Sie müssen den Grünen bescheinigen, dass sie „keine Partei der Mitte“ sind.
Steinbrück dagegen soll sich als der kurzweiligere Kandidat inszenieren. „Wahlkampf kann auch Spaß machen“, sagen seine „Kampagneros“ im Willy-Brandt-Haus. Als pointenreicher Redner ist Steinbrück gefürchtet. Dass er verbal manchmal über das Ziel hinausschießen könnte, ahnen auch die „Heulsusen“ in seiner Partei. Die größte Gefahr für Peer Steinbrück ist Peer Steinbrück.