Bundestagswahl "Osten wählt immer noch anders als der Westen"

Der Osten wählt rot, hieß es jahrelang. Doch gibt es im Jahr 23 der deutschen Einheit wirklich noch Unterschiede bei Wahlen in Ost- und Westdeutschland? Ein renommierter Parteienforscher sagt ja.

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Deutschlands skurrilste Wahlplakate
Dieses Plakat der Piraten erreichte uns gleich mehrfach. Als gebe es einen Wettbewerb um unrealistische Wahlversprechen fordern die Piraten einfach "einen Wombat in jedem Haushalt". Sinnvoll oder einfach nur Papierverschwendung? Quelle: Piratenpartei
Auch der CDU-Abgeordnete Karl Schiewerling aus dem Wahlkreis Coesfeld/Steinfurt II verzichtet lieber gleich auf ein Wahlversprechen und wünscht seinen potenziellen Wählern lieber schöne Ferien. Auf seiner Homepage wirbt er dafür mit dem Slogan "Ihr Abgeordneter. Hält Wort."
Die Piratenpartei ist unter den skurrilen Plakaten gleich mehrfach vertreten, denn auch der Slogan "Themen statt Möpse" irritierte so manchen Wähler. Auch wenn der Mops mit ins Bild gerückt wurde, die Anspielung auf das freizügige Wahlplakat der CDU-Politikerin Vera Lengsfeld liegt nur allzu nah. Quelle: Stefan Butz
Dieses Plakat erinnerte unseren Leser an eine Situation am Grenzübergang in Salzburg vor vielen Jahren. "Warum wollen Sie denn nach Deutschland, bleiben Sie doch in Bayern", fragte der Grenzbeamte. Das Plakat zeigt, dass die Frage für einige immer noch aktuell ist. Quelle: Ernst Fojcik
Ein Beispiel dafür, dass Wahlplakate für sich allein hochseriös sein können, zusammen aber komisch wirken. Dieses Bild bekamen wir von einer Leserin aus Leipzig, unter dem Motto: "Drei Parteien, eine Brille". Quelle: Ulrike Bertus
Die Freien Wähler haben Kreativität bewiesen - und vor allem Fingerspitzengefühl bei der Positionierung des Plakats, es hängt nämlich direkt vor dem Springer-Haus in Hamburg. Quelle: Wolfgang Beecken
Ein Problem vieler Politiker und aller Parteien: Oft werden die Plakate verschandelt und sind schon nach kurzer Zeit nicht mehr wiederzuerkennen. Quelle: Martin Fuchs

Fast 25 Jahre nach der Wiedervereinigung gibt es nach Ansicht des Berliner Politologen Oskar Niedermayer noch immer Unterschiede im Wahlverhalten zwischen Ost- und Westdeutschland. Die Linkspartei verkaufe sich weiter gut als Anwalt des Ostens, sagte er im Interview mit der Nachrichtenagentur dpa. Das ziehe nicht nur nostalgische Senioren an.

Der Politologe Oskar Niedermayer ist überzeugt, dass West und Ost auch in zehn Jahren noch unterschiedlich wählen werden. Quelle: dpa

Gibt es noch Unterschiede im Wahlverhalten zwischen Ost- und Westdeutschland?

Oskar Niedermayer: Ja, die gibt es eindeutig. Und zwar sowohl in der Wahlbeteiligung als auch in der Frage, welche Parteien gewählt werden. Das Wesentliche ist, dass die Linkspartei sehr viel stärker ist in Ostdeutschland als in Westdeutschland. In Westdeutschland ist sie in den Umfragen ja jetzt so um die fünf Prozent, in Ostdeutschland geht das zuweilen an die 20 Prozent ran. Das bedeutet dann auch, dass SPD, CDU und Grüne weniger Stimmen bekommen im Osten als im Westen.

Ist der Unterschied noch genauso groß wie direkt nach der Wiedervereinigung 1990?

Das hat sich schon ein wenig angeglichen. Nach der Wende war die Enttäuschung zum Beispiel über die CDU mit dem Versprechen von Kanzler Helmut Kohl der blühenden Landschaften doch sehr stark. Die CDU hat sehr stark verloren. Aber der große Unterschied besteht nach wie vor darin, dass die Linkspartei im Osten doch noch ein sehr starkes Wählerpotenzial hat.

Warum gleicht sich das nicht aus nach so vielen Jahren?

Weil die Linkspartei es trotz ihrer gesamtdeutschen Ausdehnung immer noch versteht, sich als Anwalt der Interessen der ostdeutschen Bürger sichtbar zu machen.

Unterschied wird bleiben

Wie das Einkommen das Wahlverhalten bestimmt
Die Anhänger dieser Partei würde wahrscheinlich diese Wahlkabinen nicht betreten - es ist die Partei der Nichtwähler. 18,5 Prozent der Nichtwähler verdienen weniger als 1.000 Euro pro Monat. Auch in der Einkommensgruppen über 2.500 pro Monat finden sich immer noch 26 Prozent der Nichtwählerpartei.Quelle: Abteilung Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie der Universität Leipzig Quelle: REUTERS
Die Linkspartei kommt nicht richtig bei den Armen an. Lediglich 6,8 Prozent ihrer Wähler verdienen weniger als 1.000 Euro - 30,8 Prozent der Linke-Wähler stehen hingegen mehr als 2.500 Euro zur Verfügung. Quelle: dpa
Anders als die Vermutung nahe legt, befindet sich auch die SPD bei den Personen, die weniger als 1.000 Euro verdient, klar in der Minderheit. Nur 6,1 Prozent der SPD-Wähler kommen aus dieser Schicht, während bei den Personen mit einem Einkommen von mehr als 2.500 Euro bereits 31,3-Prozent der Wähler stammt. Quelle: AP
Die Piratenpartei hat eine breite Basis an Anhängern. Sie überholt alle etablierten Parteien im Spektrum der Personen, die weniger als 1.000 Euro verdienen: Sie finden hier 10,8 Prozent ihrer Wähler. Und bei den großen Einkommen über 2.500 Euro vereinen die Freibeuter gleich 31,8 Prozent ihrer Wählerschaft. Quelle: dpa
Untentschlossene Wähler stammen zu 32,9 Prozent aus der Einkommensgruppe über 2.500 Euro. Sie sind auch in der Gruppe unter 1.000 Euro mit 11,4 Prozent vertreten. Quelle: ZB
31,8 Prozent der Wähler, die ihr Stimme der CDU/CSU geben, verdienen mehr als 2.500 Prozent. In der Einkommensgruppe von unter 1.000 Euro sind lediglich nur 5,7 Prozent der Wähler. Quelle: dpa/dpaweb
Gut in den allen Einkommensgruppen vertreten: Die Rechtsparteien. 15,8 Prozent ihrer Wähler verdienen weniger als 1.000 Euro; 35 Prozent mehr als 2.500 Euro. Quelle: dapd

Wählen auch die jungen Wähler im Osten anders - die, die DDR nie bewusst erlebt haben?

Ja, durchaus. Man kann nicht sagen, dass die Linkspartei nur von Älteren gewählt wird, die das wegen ihrer nostalgischen Gefühle tun.

WiWo-Wahlsager: So wird Deutschland wählen

Man kann ja durchaus sagen: Bayern wählt auch anders als der Rest. Muss man diese Frage nicht differenzierter sehen als Ost-West?

Man muss es differenzierter sehen. Aber das heißt nicht, dass es diese Ost-West-Spaltung nicht gibt. Man kann sie eben deutlich am Zuspruch für die Linkspartei im Osten festmachen. Dann kann man noch eine zweite Linie ziehen, wo man auch Unterschiede zwischen den Ostländern und zwischen des Westländern erkennt.

Da ist Bayern mit der CSU natürlich der große Sonderfall. Viel hängt auch mit den Persönlichkeiten der Ministerpräsidenten zusammen.

Glauben Sie, in zehn Jahren wird es diesen Unterschied zwischen Ost und West noch geben?

Antwort: Ich vermute, es wird ihn noch geben. Vielleicht in abgeschwächter Form.

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