Bundestagswahl SPD lässt Testballon steigen

In den Umfragen stehen die Sozialdemokraten schlecht da. Die Partei prüft jetzt, mit welchem Wahlprogramm sie ihre Wähler 2017 überzeugen will. Am Samstag findet die erste von vier Programmkonferenzen statt.

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Die Sozialdemokraten dümpeln in den Umfragen bei 20 Prozent. Bis zur Bundestagswahl 2017 soll sich das ändern. Quelle: AP

Berlin Fürsprecher der „arbeitenden Mitte“, Schutzmacht der kleinen Leute oder doch Initiator für ein Mitte-Links Bündnis? Die volatilen Bekenntnisse von SPD-Chef Sigmar Gabriel hatten es dem Wähler zuletzt schwer gemacht zu erkennen, wofür die Sozialdemokratie eigentlich steht.

Jetzt soll es konkreter werden: Die Parteiprominenz bestreitet an diesem Samstag die erste von vier Programmkonferenzen. Sie will herausdestillieren, wie das Thema „Arbeit“ in das Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2017 einfließen kann. „Das ist auch ein Testballon, was funktioniert und in welchen Punkten es Gegenwind gibt“, bekennt ein Mitglied der Parteiführung.

Für die SPD als Programmpartei ist die Arbeit am Wahlprogramm besonders wichtig. Zumal sie in der Wähleransprache dringend zulegen muss: Seit längerem dümpeln die Sozialdemokraten in den Umfragen bei 20 Prozent. Mindestlohn, Rente mit 63, Sozialpaket – bislang dringt die SPD weder mit Leistungen noch mit Botschaften erkennbar durch. Bis der Wähler 2017 wieder an die Urne tritt, muss sich das ändern, wenn die Genossen kein neuerliches Wahldebakel erleben wollen.

Wenn an diesem Samstag also Sigmar Gabriel mit NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und Arbeitsministerin Andrea Nahles auf das Podium des früheren Plenarsaals des Bundestags in Bonn tritt, wird es um erste programmatische Überlegungen zum Thema „Arbeit“ gehen. „Gute Arbeit heißt gute Löhne, Mitbestimmung, ein Recht auf Weiterbildung, Arbeitszeitflexibilität, Jobsicherheit und gleiches Geld für gleiche Arbeit“, hatte Gabriel bereits den Grundtenor für den Wahlkampf festgelegt. Dazu gehöre auch eine Rente, von der sich im Alter möglichst sorgenfrei leben lasse. „Das Rentenniveau werden wir nicht weiter ungebremst absinken lassen“, versicherte Gabriel in seinen Leitlinien.

Arbeitsministerin Nahles dürfte das anders sehen, schließlich will sie aus Kostengründen bei der Rente das „Sicherungsniveau“ in den Blick nehmen und auch private und betriebliche Renten stärken. In Bonn wird es freilich friedlich ablaufen. Nahles soll die geplante Familienarbeitszeit promoten, mit der ein besseres Gleichgewicht von Arbeiten und Leben gelingen soll.

Wer in die parteiinterne Arbeitsgruppe hineinhorcht, die sich schon seit mehreren Wochen für das Wahlprogramm mit dem Thema „Arbeit“ befasst, der vernimmt die Forderung nach einer Rückkehr zur paritätischen Finanzierung der Krankenkassen und das Stichwort „Sozialstaat 4.0.“

„Die SPD wurde immer in Zeiten des gesellschaftlichen Wandels gebraucht und war auch gerade dann stark“, sagt SPD-Generalsekretärin Katarina Barley dem Handelsblatt. „Wir erleben gerade Umbrüche in unterschiedlichen Bereichen, sei es in der Arbeitswelt, der Digitalisierung oder auch in der Familie.“ Es sei beispielsweise nicht fair, dass von manchen Angestellten verlangt werde, immer erreichbar zu sein, dass es Dörfer ohne Breitbandanschluss gebe oder Alleinerziehende Probleme hätten, Kinder und Beruf zusammenzubringen.


Entscheidung soll im Frühjahr 2017 kommen

„Es ist Anspruch der SPD, diesen Wandel positiv zu gestalten und die richtigen Antworten auf neue Fragen zu geben“, verspricht Barley, die für den SPD-Parteivorstand die Programmkommission leitet – also bis zum Frühjahr 2017 das Wahlprogramm zusammenzimmern muss.

Bis dahin ist es noch ein langer Weg. Geplant sind weitere SPD-Programmkonferenzen zu „Europa“, „Integration“ und „Familie“. Neben Sigmar Gabriel werden hier in Berlin, Nürnberg und Hamburg weitere Top-Genossen auftreten. Darunter auch EU-Parlamentspräsident Martin Schulz und Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz, die immer wieder auch als mögliche SPD-Kanzlerkandidaten gehandelt werden.

Gabriel selbst hat als Parteivorsitzender den ersten Zugriff auf die Kanzlerkandidatur. In der Partei ist er jedoch umstritten, seine Umfragewerte sind denkbar schlecht: Zuletzt sprachen sich bei der Frage, wenn sie lieber als Kanzler oder Kanzlerin sehen würden, 45 Prozent der Befragten für Amtsinhaberin Angela Merkel und nur 15 Prozent für Gabriel aus.

Die SPD will ihren Kanzlerkandidaten nach der Wahl in Nordrhein-Westfalen im Mai 2017 offiziell nominieren. Eine Entscheidung, wer diesen schwierigen Job übernehmen soll, wird jedoch schon davor im Frühjahr erwartet.

Der Kandidat muss dann allerdings zum Programm passen. Denn bereits im Herbst sollen auf einem „Modernisierungskongress“ die bis dahin erarbeiteten Positionen für das Wahlprogramm gebündelt werden. Danach kann sich der Wähler in einem Bürgerdialog zu Wort melden. Abstimmen über die zentralen Punkte des Wahlprogramms dürfen dann allerdings nur die SPD-Mitglieder.

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