Bundestagswahl Was für Schwarz-Rot spricht - und was dagegen

Es gibt gewichtige Gründe, warum die SPD am Ende in die Große Koalition gehen wird. Aber das heißt noch gar nichts.

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Einige Gründe sprechen für eine große Koalition. Aber das heißt noch gar nichts. Quelle: dpa

In diesen unübersichtlichen Tagen nach der Wahl hilft es, sich einer der ältesten Regeln des politischen Gewerbes zu erinnern: Strategie ist nichts als der Zufall, den man hinterher zur Absicht deklariert. Wahrscheinlich nämlich weiß in der SPD, bis hinein in die Führungsriege, gerade niemand wirklich, wo die Partei in ein paar Wochen sein wird. Mit in der Regierung? In der Opposition? Oder doch mitten in Neuwahl-Vorbereitungen?

Gemessen am miesen Ergebnis und der ungewissen Aussicht machen die Genossen ihre Sache bisher gar nicht mal schlecht. Seit dem Wahlsonntag steht die Phalanx aus Parteichef Sigmar Gabriel, dem Wieder-Fraktionsvorsitzenden Frank-Walter Steinmeier und Ex-Kandidat Peer Steinbrück fest. Wie sie sich am Montagabend beim Gartenfest des konservativen Seeheimer Kreises im feinen Nieselregen mit Weißwein zuprosteten - das sah fast nach immerwährender Harmonie aus. Merkel muss kommen, lautet die einmütige Parole, wir sind nur sehr teuer zu haben, wir gehen nicht um jeden Preis in die Große Koalition zurück, die an der Basis gehasst wird. Die eigene Schwäche soll irgendwie in Stärke umgewandelt werden. Bis dato funktioniert die Sache.

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Gabriel selbst wirkt seit Sonntag durchaus gefestigt und erleichtert, denn bei einem desaströsen Ergebnis wäre er wohl weg gewesen. Und doch kommt auf ihn eine Aufgabe zu, die nur mit einer politischen Meisterleistung zu lösen sein wird. Der SPD-Chef selbst will die Große Koalition, aber er muss  sie den zutiefst skeptischen und traumatisierten Mitgliedern verkaufen. Vor allem aber muss Gabriel dafür Angela Merkel und Horst Seehofer Siege abringen, bei Steuern, Mindestlohn, Betreuungsgeld. Also muss die Drohkulisse des Nein glaubhaft bis zum Ende stehen - in der ganzen Partei. Gabriel kann noch etwas abwarten, aber bald muss er führen.

Nüchtern betrachtet spricht das allermeiste für Schwarz-Rot. Die SPD kann kein Interesse daran haben, die Grünen an die Union zu verlieren. Käme Schwarz-Grün, hätte der angestammte Koalitionspartner in Zukunft stets eine weitere Option neben dem Bündnis mit den Sozialdemokraten. Auch, dass Opposition alleine kein hinreichender Faktor zur eigenen Gesundung ist, haben die letzten vier Jahre ja gerade erst bewiesen.

Verweigerten sich erst die Grünen und dann auch die Roten, blieben nur Neuwahlen. Das will in der SPD nun wirklich niemand. Merkel könnte auf eine absolute Mehrheit hoffen oder die FPD - Gott bewahre - feierte Wiederauferstehung. Die SPD, so die weit verbreitete Angst der Genossen, würde am Ende alleine für gescheiterte Gespräche und Neuwahlen verantwortlich gemacht. Mit katastrophalem Ende.

Die Basis bleibt unkalkulierbar

Die staatspolitische Verantwortung - das ist das Argument, vor dem sich die Gegner der Großen Koalition am meisten fürchten. Schwarz-Rot ist bei den Bürgern ohnehin höchst beliebt. Wenn Merkel attraktive Zugeständnisse bei Programm und Posten macht, kann sich die SPD kaum noch verweigern. Angesichts der fortwährenden Finanzkrise wird die Union an die Verantwortung der SPD appellieren, die politische Stabilität des Landes nicht aufs Spiel zu setzen. Es käme die Fortsetzung der schwarz-roten Euro-Rettungspolitik mit offiziellem Koalitionsvertrag.

Und was, wenn doch nicht? Eine gewisse Restwahrscheinlichkeit ist gegeben, dass die SPD die Gespräche mit CDU/CSU platzen lässt. Das hat mit der anderen Seite zu tun. Merkel und Seehofer sind gerade triumphal bestätigt worden, sie könnten auf den Wählerwillen pochen und allzu große Zugeständnisse (Betreuungsgeld, Spitzensteuersatz, Homo-Ehe) kategorisch ablehnen.

Schlussendlich bleibt die Basis unkalkulierbar. Es war Gabriels eigener Schachzug, 2013 keine Entscheidungen ohne Beteiligung der Mitglieder zu treffen. Schon der kleine Parteitag namens Parteikonvent, der deshalb am Freitagabend mit 200 Delegierten zusammen kommen wird, könnte die Hürden für Schwarz-Rot absichtlich hoch, vielleicht zu hoch ansetzen. Vollends offen wäre die Lage, wenn wichtige Landesverbände wie Nordrhein-Westfalen auf einen Mitgliederentscheid pochen sollten.

So einige SPD-Ministerpräsidenten, vor allem Hannelore Kraft in NRW, wollen im Bundesrat ihre Macht ausspielen und nicht halb mit am Kabinettstisch sitzen. Wenn Sigmar Gabriel es soweit nicht kommen lassen möchte, muss er am Freitag überzeugen. Wenn er selbst 2017 Kanzler werden will - erst recht.

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