Hat irgendjemand gesagt, die Christlich Demokratische Union (CDU) sei nicht zukunftsfähig? Von wegen. Führende Mitglieder der Regierungspartei haben gerade eine Einführung erhalten, wie sich mithilfe sozialer Medien politische Botschaften transportieren lassen. „Das war durchaus auch ernüchternd“, rekapituliert ein Teilnehmer. Schließlich müsse man registrieren, dass selbst die beste Botschaft sich nicht so einfach durchsetze. „In diesen Netzwerken leben Menschen in ihren eigenen Welten und glauben vor allem an ihre eigenen Botschaften“, resümiert der Spitzenpolitiker.
Er klingt fast, als verzweifele er an seinem eigenen Volk.
Vielleicht liegt das aber gar nicht an den Bürgern, sondern an der Botschaft, die die CDU in diesen Tagen kommuniziert: Angela IV. Die amtierende Kanzlerin möchte 2017 noch einmal für vier Jahre im Kanzleramt verlängern. Wie alternativlos und gleichzeitig ernüchternd diese Ankündigung auf viele Bürger wirkte, fasste die „Neue Zürcher Zeitung“ am besten zusammen. „Angela Merkel – wer sonst?“, schrieb das Blatt. Und fügte in der Unterzeile hinzu: „Erneute Kandidatur löst keine Euphorie aus.“
Kanzler(innen)jahre: So lange waren die deutschen Regierungschefs im Amt
Der Kanzler der Großen Koalition, Kurt Georg Kiesinger, war von 1966 bis 1969 Regierungschef der Bundesrepublik, nämlich fast drei Jahre (Zwei Jahre und elf Monate).
Quelle: Bundesregierung
Sein Nachfolger, Ludwig Erhard, war immerhin drei Jahre und zwei Monate Bundeskanzler.
Willy Brandt, der vor allem durch seinen Kniefall von Warschau bekannt ist, war von 1969 bis 1974 Bundeskanzler, genauer gesagt betrug seine Amtszeit vier Jahre und sieben Monate.
Sieben Jahre und einen Monat war Gerhard Schröder Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland.
Helmut Schmidt konnte dies bei einer Amtszeit von acht Jahren und fünf Monaten noch übertreffen.
Seit dem 22. November 2005 ist Angela Merkel die Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland. Anfang Mai 2017 ist sie demnach schon mehr als elf Jahre und fünf Monate im Amt.
Konrad Adenauer war bei den Deutschen überaus beliebt. Bei einer Amtszeit von 14 Jahren und einem Monat ist er nach dem jetzigen Stand der am zweit längsten amtierende deutsche Regierungschef.
Ganze 16 Monate und einen Monat war Helmut Kohl deutscher Regierungschef. Das hat ihm bisher niemand nachgemacht.
In diesen so unsicheren Zeiten, inmitten von Brexit-Verhandlungen und nach dem triumphalen Wahlsieg von Politrüpel Donald Trump, geht die deutsche Politik auf Nummer sicher. „Sie kennen mich“, Merkels Sieges-Slogan 2013, soll ihr auch kommendes Jahr zur Mehrheit verhelfen, weil die Deutschen sie dann offenbar noch ein bisschen besser kennen. Man habe in Deutschland keine amerikanischen Verhältnisse, heißt es im Berliner Regierungsviertel, als müsse man sich dessen selbst vergewissern. Und auch das böse Wort von der Kanzlerinnendämmerung, vergleichbar mit der Endphase der Regierungszeit von Helmut Kohl, dementieren Merkel-Anhänger entschieden. Der langjährige CDU-Vordenker Kurt Biedenkopf sagt: „Helmut Kohl nutzte nach der Wiedervereinigung seine Autorität kaum noch für innenpolitische, insbesondere sozialpolitische Entwicklungen. Angela Merkel hat eine andere Arbeitsweise: Sie erkennt Probleme, erarbeitet Antworten und setzt sie um. Sie ist Naturwissenschaftlerin – und genau das brauchen wir jetzt.“
Die CDU vielleicht. Doch was genau braucht Deutschland jetzt? Was ist nötig, um jenen Ängsten und Sorgen zu begegnen, die Populisten allerorten in Umfragen und Wahlergebnissen gen Macht hieven? Eine Kanzlerschaft nutzt sich nach vielen Jahren ab, das leugnet man nicht einmal im Kanzleramt, wo sich Beamte zuletzt über historische Analysen der Amtszeiten von Konrad Adenauer oder Kohl beugten.
Noch mal vier Jahre?
Wofür will Merkel weiter Kanzlerin sein? Auf diese Frage hat sie bislang keine überzeugende Antwort geliefert – auch nicht am Sonntagabend, an dem die ganze Berliner Republik auf ihre Erklärung wartete. „Diese riesige Chance, ihre erneute Kandidatur gründlich zu erklären, wurde vertan“, heißt es von Parteifreunden. Merkel habe zwar neue Herausforderungen wie die Digitalisierung gut beschrieben. „Aber Beschreibung ist noch keine Führung.“ Und Analyse alleine liefert auch keine Rechtfertigung, warum man noch einmal vier Jahre an der Macht bleiben will.
Merkels Noch-Koalitionspartner und Bald-Wahlkampfgegner SPD könnte dies als Steilvorlage nutzen. Doch die Sozialdemokraten sind, mal wieder, verwirrt. Parteichef Sigmar Gabriel manövrierte zwar die Kanzlerin geschickt aus, als er seinen Parteifreund Frank-Walter Steinmeier ins Präsidialamt hievte. Doch in der Bevölkerung blieb vor allem hängen, dass die Politik lieber kungelt, als in den Kampf um die besten Ideen zu ziehen. Kurz darauf musste die Partei, sonst allzu gerne moralische Instanz, Vorwürfen entgegentreten, für Tausende Euro Treffen mit Spitzengenossen zu verhökern. Und schließlich kann sich die SPD offenbar nicht einmal einigen, wer denn nun den Wahlkampf gegen Merkel anführen soll. Parteichef Gabriel, dem das erste Zugriffsrecht zusteht? Oder doch der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz?