Bundestagwahl 2021

Vergesst die Umfragen!

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Die Regierenden stehen in der Pflicht

Natürlich, das alles hat es auch diesmal gegeben. Aber das Führen genuin „politischer“ Interviews, das Herauskitzeln eines erhellenden Wechselspiels von Rede und Gegenrede, das streitende Aufreißen von Horizonten – das alles ist in diesem Wahlkampf, fürchte ich, auch den so genannten „Qualitätsmedien“, eher selten gelungen.

Übrigens auch nicht dem zuletzt gern gelobten Markus Lanz, dessen insinuierende Suggestionsmasche vor allem darauf abzielt, Wirkungstreffer zu erzeugen, nicht aber Zusammenhänge auszuleuchten: politische Unterhaltung eben – maximal hohe Qualität auf mäßigem Niveau. Und schon gar nicht den Moderatorinnen und Kommentatoren der „Trielle“, „Vierkämpfe“ und „Schlussrunden“ mit anschließender Sofortbemeinung durch „politische Beobachter“ und instantaner demoskopischer Medailllenvergabe. Ganz klar: Die Fernsehanstalten müssen sich mit Blick auf 2025 dringend was anderes überlegen.

Aber auch die Regierenden stehen in der Pflicht, sich zu überlegen, wie die Re-Politisierung der Politik gelingen kann – womöglich auch durch institutionelle Reformen. 

Mit Blick auf die Macht der Meinungsumfragen und die Volatilität der Stimmungen wäre erstens zu überlegen, die Briefwahlzeit nicht etwa zu kürzen, sondern zu verlängern. Skeptiker der Briefwahl argumentieren, (möglichst) alle Wähler sollten auf der Basis gleicher Informationen abstimmen. Ich meine: Eine zeitliche Streckung könnte den Anteil „taktischer“ Stimmen reduzieren, käme der „Unmittelbarkeit“ und „Freiheit“ der Entscheidung, also ihrer politischen Substanzhaltigkeit womöglich zugute.

Zweitens wäre zu überlegen, die Fünf-Prozent-Hürde auf drei Prozent abzusenken, um die „Gleichheit“ der Wahlen für politisch ambitionierte Aufsteiger im Parteienspektrum zu stärken: Die „Sonstigen“ werden in unserer „repräsentativen Demokratie“ inzwischen durch die demoskopiebasierten Erwägungen der Wähler („keine Stimme verschwenden…“), die personalisierten „Trielle“ und medial umtänzelten Spitzenkandidatenkürererien der größeren Parteien so stark verletzt, dass eine Abmilderung der Effekte geboten sein könnte.

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