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Bundesverfassungsgericht Karlsruhe stoppt Online-Durchsuchungen in NRW

Darf der Verfassungsschutz heimlich Festplatten scannen oder Internettelefonate aufzeichnen? Das Bundesverfassungsgericht urteilte heute: Das Ausforschen von PCs ist nur unter extrem hohen Auflagen zulässig - und verpasste damit Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble einen Dämpfer.

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Bundesinnenminister Wolfgang Quelle: dpa

Das Urteil wird Rechtsgeschichte schreiben. In einer Grundsatzentscheidung bestimmten die Richter des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe heute unter welchen Bedingungen der Staat, die Computer seiner Bürger ausforschen darf und wie weit er dabei gehen darf. Konkret entschieden die Richter des Ersten Senats, dass das Verfassungsschutzgesetz von Nordrhein-Westfalen (NRW) das allgemeine Persönlichkeitsrecht verletze und damit nichtig sei.

In der NRW-Regelung war die umstrittene Ermittlungsmethode erstmals ausdrücklich per Gesetz erlaubt worden. Der Verfassungsschutz durfte heimlich auf Computer zugreifen, konnte Daten abrufen, kontinuierlich PCs Überwachen und auch Tastatureingaben und Internettelefonate mitverfolgen.

Das Urteil ist auch für die Bundesebene von Bedeutung, weil die Koalition die Einführung heimlicher Online-Durchsuchungen plant. Diese seien zwar generell zulässig, entschieden die Richter, aber nur unter extrem hohen Auflagen. So sei das Ausspähen von Computern nur dann verfassungsgemäß, wenn es tatsächliche Anhaltspunkte für eine konkrete Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut gebe, urteilte das oberste deutsche Gericht. Das heißt, Computer von Verdächtigen dürfen nur dann mit Spionageprogrammen ausgeforscht werden, wenn Menschenleben oder der Bestand des Staates gefährdet sind.

Nach den Worten von Gerichtspräsident Hans-Jürgen Papier weist die Entscheidung über den konkreten Fall hinaus. Das Gericht stellte erstmals fest, dass es ein Grundrecht auf Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme gebe.

Das Urteil kann auch als Schlappe für Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble interpretiert werden. Schäuble strebt eine länderübergreifende Regelung an und hält Online-Durchsuchungen für zwingend erforderlich im Kampf gegen den Terrorismus. Die von Schäuble angestrebte bundesgesetzlichen Regelung dürfte nun nur noch in entschärfter Form verabschiedet werden.

Im Laufe des Tages wollen auch die Spitzen der Bundestagsfraktionen von Union und SPD über ihr weiteres Vorgehen für die Einführung der Online-Durchsuchung entscheiden. SPD-Fraktionschef Peter Struck kündigte an, die Koalition werde Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble und Justizministerin Brigitte Zypries bitten, rasch einen Entwurf für das BKA-Gesetz vorzulegen. „Wir werden uns unverzüglich einigen", fügte er hinzu.

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