Bundesverfassungsgericht Richter erlauben Ceta-Zustimmung unter Auflagen

Die Bundesregierung darf das Freihandelsabkommen Ceta zwischen der EU und Kanada vorläufig mit auf den Weg bringen. Das Verfassungsgericht stellte aber drei Bedingungen.

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Vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe Quelle: dpa

Das Bundesverfassungsgericht hat die Eilanträge gegen das EU-Freihandelsabkommen mit Kanada zurückgewiesen und damit den Weg für Deutschlands Unterschrift unter Ceta freigemacht. Die Bundesregierung kann aber nur unter drei Bedingungen zustimmen. Ein gerichtlicher Stopp von Ceta hätte schwere und irreversible Nachteile für Deutschland und die Europäische Union gehabt, erklärte Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle am Donnerstag in Karlsruhe. Die Beziehungen zu Kanada und die Fähigkeit der EU zum Abschluss künftiger Handelsabkommen hätte gelitten. "Die zulässigen Anträge sind unbegründet", sagte er.

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel nahm die Entscheidung erleichtert auf. Deutschland könne nun im Handelsministerrat am nächsten Dienstag Ceta zustimmen. Auf dem EU-Kanada-Gipfel am 27. Oktober soll das Abkommen dann besiegelt werden. "Das freut mich natürlich", sagte der SPD-Vorsitzende in Berlin. Aber auch die Vertreter der Verfassungsbeschwerden von mehr als 190.000 Bürgern äußerten sich zufrieden über die Auflagen, die das Gericht erteilte.

Nach der Zustimmung des Europäischen Parlaments soll Ceta ab 2017 in Teilen vorläufig gelten. Die nationalen Parlamente der Mitgliedstaaten sollen Ceta danach ratifizieren und damit in einigen Jahren endgültig in Kraft setzen. Würde ein Land Nein sagen, wäre der Pakt gestorben.

Die Freihandelsabkommen


AUSSTIEG VOR MÖGLICH

Gabriel erklärte, die Bedingungen des Gerichts könnten erfüllt werden. Er hatte in der Verhandlung am Mittwoch vor gravierenden Folgen eines Scheiterns von Ceta gewarnt. Nun muss die Bundesrepublik bei der Unterzeichnung verbindlich erklären, dass Deutschland von einem einseitigen Kündigungsrecht der vorläufigen Anwendung des Pakts ausgeht. Damit ist ein Ausstieg aus Ceta möglich, falls das Gericht im Hauptsacheverfahren das Abkommen für grundgesetzwidrig erklären sollten. Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht sprach von einem Teilerfolg. "Die Klage hat sich gelohnt", sagte sie. "Es ist jetzt klargestellt, dass Deutschland aus dem Vertrag wieder aussteigen können muss."

Die Bundesregierung muss nun außerdem sicherstellen, dass ab 2017 ausschließlich Teile des Abkommens gelten, die in die Zuständigkeit der EU fallen. Das von den Klägern beanstandete Investitionsgericht für Schadensersatzklagen von Unternehmen dürfte damit erst nach der vollständigen Ratifizierung durch alle nationalen Parlamente eingerichtet werden. Als zweites verlangen die Bundesrichter die Garantie einer demokratischen Rückbindung des Ceta-Ausschusses an den einzelnen Mitgliedstaat. Dazu machen sie auch schon einen Vorschlag: Deutschland müsste in der EU dafür sorgen, dass Beschlüsse des obersten Ceta-Ausschusses nur auf Basis eines einstimmigen Beschlusses des EU-Ministerrates möglich sind.


WALLONEN LEHNEN CETA AB
Neben der Linken hatte auch ein Bündnis der Initiativen Mehr Demokratie, Foodwatch und Campact sowie ein Ehepaar aus Lüdenscheid geklagt. Sie sehen demokratische Grundrechte verletzt. Durch Ceta-Ausschüsse zum Auslegen des Vertrags und Klagemöglichkeiten für Unternehmen vor einem Investitionsgericht wären die Rechte des Bundestages zur Politikgestaltung beschnitten. Das prüfen die Richter nun im Hauptsacheverfahren. Eine Entscheidung darüber wird im kommenden Jahr erwartet.

Roman Huber, Geschäftsführer von Mehr Demokratie, erhofft sich von der Erklärung zum Kündigungsrecht eine Signalwirkung auf andere EU-Staaten. Der Verein will in den Niederlanden ein Referendum gegen Ceta auf die Beine stellen. Auch in Österreich, Rumänien und Belgien gibt es Vorbehalte. So stimmte das Regionalparlament der französisch-sprachigen Gemeinschaft Belgiens am Mittwochabend gegen Ceta. Doch während in Deutschland Hunderttausende gegen Ceta aus Sorge vor einem Abbau von Umwelt- und Sozialstandards und zu großer Macht von Konzernen auf die Straße gingen, gibt es in der Mehrheit der EU-Staaten keinen Widerstand gegen das Abkommen. Die EU-Staaten erhoffen sich von dem seit 2009 meist hinter verschlossenen Türen verhandelten Pakt mehr Handel und Wirtschaftswachstum durch den Abbau von Zöllen und einheitliche Standards.

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