Bundeswehr Geld allein löst keine Probleme

Der „Pannenflieger“ A400M. Quelle: AP

100 Milliarden Euro sollen zusätzlich in die Ausstattung der Bundeswehr fließen. Doch das wird kaum etwas bringen, wenn sich am Beschaffungsprozess nichts ändert. Ein Kommentar.

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Die Bundeswehr soll 100 Milliarden Euro als Sondervermögen für Investitionen und Rüstungsvorhaben erhalten. Das Geld werde mit dem Bundeshaushalt 2022 bereitgestellt, kündigte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in einer Sondersitzung des Bundestages zum Ukraine-Krieg an. Er kündigte auch an, dass Deutschland mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in die Verteidigung investieren werde.

Nur ob das die Probleme der Bundeswehr löst, ist fraglich. Wenn in der Vergangenheit Panzer, Flugzeuge und Schiffe fehlten, lag das oft nicht am Geld. Als die Wirtschaftsprüfer von KPMG neun Rüstungsprojekte im Wert von 56 Milliarden Euro unter die Lupe nahmen, fiel das Ergebnis verheerend aus. Die Prüfer stellten fest, dass die geplanten Liefertermine um zweieinhalb bis zehn Jahre überzogen wurden. Die Kosten der neun untersuchten Projekte übertrafen das ursprüngliche Budget für den Berliner Flughafen um das Zehnfache und für das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 um das Achtfache. Die Untersuchung ist zwar sieben Jahre alt, doch viel verändert oder verbessert hat sich seither nicht.

Die Goldrandlösung

Die Bilanz der Rüstungsbeschaffung ist verheerend. Fast alles, was die Bundeswehr bestellt, erreicht sie später und ist teurer als geplant. Als Hauptgrund wird von Kennern der Bundeswehr und der Rüstungsindustrie immer wieder die berühmte „Goldrandlösung“ angeführt. Das heißt, wenn die Bundeswehr neues Gerät bestellt, dann will sie immer das Beste vom Besten. Viele Komponenten sollen neu entwickelt werden, auch wenn es Alternativen gibt, die bereits verfügbar wären. Das kostet nicht nur viel Geld, sondern auch Zeit, wie sich beispielsweise bei der Fregatte F-125 zeigte.

Bei einem Panzer oder anderen Kriegsgeräten wird viel Technologie auf kleinstem Raum verbaut. Das wird oft unterschätzt. Vermeintlich kleine Wünsche stellen große Herausforderungen dar. Soll beispielsweise eine Luke am Panzer versetzt werden oder eine Kamera nicht nur bei Minus 15 Grad sondern auch bei Minus 20 Grad funktionieren, muss neu gedacht, geplant, gebaut und genehmigt werden. Das dauert. Wer will, dass der Bundeswehr mehr funktionierendes Gerät zur Verfügung steht, muss nicht zuerst mehr Geld ausgeben, sondern mehr von der Stange kaufen.

Jeder will mitreden

Wenn wenigstens die Mitglieder der EU sich darauf verständigen könnten, welche Geräte sie beschaffen wollen und wie sie ausgestattet sein sollen, dann könnte vieles schneller und günstiger beschafft werden. Wie sinnvoll das wäre, wird in Sonntagsreden immer wieder betont. Doch wenn es dann an die Planung geht, hat wieder jedes Mitgliedsland seine höchst eigene Vorstellung davon, was nötig und wichtig ist. Selbst ein relativ triviales Gerät wie das Transportfahrzeug Dingo fährt deshalb in ganz unterschiedlichen Varianten durch Europa.

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Auch nicht zu unterschätzen ist der zusätzliche Aufwand, der dadurch entsteht, dass bei Gemeinschaftsprojekten jedes Land etwas für die heimische Industrie abgreifen will. Das führte zum Beispiel dazu, dass Deutschland, Frankreich, Spanien und Großbritannien ein Konsortium aus heimischen Motorenbauern formten um gemeinsam einen Antrieb für den zwischenzeitlich als „Pannenflieger“ titulierten A400M zu entwickeln, statt einen erfahrenen Hersteller zu bemühen. Industriepolitik und Einzelinteressen müssen bei der Beschaffung von Verteidigungsgütern außen vor bleiben. Dann wird der Prozess schneller und günstiger.



Absurde Vorschriften

Wenn Geräte wie Panzer zum Einsatz kommen, dann herrscht entweder Krieg oder zumindest Krise – in jedem Fall aber ein Ausnahmezustand. Und für den Ausnahmezustand sollten besondere Vorschriften gelten. Das ist aber nicht immer der Fall. Für Arbeitsplätze im Panzer etwa gelten teilweise dieselben Regeln wie im Büro. Zum Beispiel die ISO-Norm 9241, die besagt, wie der Arbeitsplatz beschaffen sein muss. An diese Norm müssen sich auch die Hersteller von Panzern halten. Das wäre noch zu verkraften, würden sich Gesetze und Regeln nicht mitten in der Entwicklung ändern – in Bezug auf den Arbeitsschutz, erlaubte Abgasmengen et cetera. Ein Panzerhersteller kann dann nicht einfach einen neuen Bürostuhl ordern, sondern muss gegebenenfalls komplexe Umbauten vornehmen. Auch das kostet wertvolle Zeit und ist ein Standardproblem bei langwierigen Projekten.

Wenn Deutschland wieder in die Lage versetzt werden soll, sich selbst zu verteidigen, dann kann mehr Geld sicherlich hilfreich sein. Zuallererst braucht es aber mehr Disziplin und mehr Verbindlichkeit bei der Beschaffung.

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