Bundeswehr Lasst die Gorch Fock untergehen

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Die Gorch Fock könnte der Bundeswehr und Deutschland einen letzten Dienst erweisen: Als Mahnmal für das Versagen des militärischen Beschaffungswesens.

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Der Schaden, den die explodierenden Rechnungen für die Reparatur des Segelschulschiffs Gorch Fock dem Steuerzahler verursachen, ist nicht mehr vollständig zu beheben, aber zu begrenzen.

Dieses älteste und schönste Schiff der Bundesmarine, das keinen militärischen Wert aber umso größere ideelle Bedeutung für alle deutschen Marinesoldaten hat(te), könnte der Bundeswehr und Deutschland nun noch einen letzten edlen Dienst erweisen. Indem die Bundesregierung die Leinen kappt und die bisher gezahlten Millionen mit dem über 60 Jahre alten Windjammer versinken lässt. Oder noch besser: Die Lady wie ihre Vorgängerin gleichen Namens mit einer letzten Million halbwegs schwimmfähig halten und gut vertäut an einer Pier festmachen – als Mahnmal gegen Schlendrian und Filz im militärischen Beschaffungswesen.

Es ist ein bekanntes Muster: Umso größer die Kosten oder Verluste für ein Lieblingsprojekt werden, desto verkrampfter will man daran festhalten. Die bisher eingesetzten Mittel und Mühen sollen schließlich nicht völlig vergebens gewesen sein. Also setzt man noch mehr ein, in der Hoffnung, dass es sich am Ende doch lohnt. Tut es aber meist eben nicht. Vor allem, wenn die Nutznießer der Investition merken, dass es offenbar keine wirklichen roten Linien für die Zahlungsanweiser gibt.

Bei ThyssenKrupp hat man 2012 mit dem berüchtigten Stahlwerk in Brasilien nach diesem Muster ein historisches Desaster erlebt. Für immer neue Millionen wurden Fundamente in den völlig ungeeigneten Sumpfboden getrieben. Am Ende kostete das brasilianische Abenteuer rund acht Milliarden Euro und es wankte nicht nur das brasilianische Werk, sondern der ganze Konzern.

Wer mal Marinesoldat war, weiß, wie schwer das endgültige Ende des Schiffes alle trifft, die ein Herz für die Marine haben. Aber es geht um mehr als Seekadetten-Romantik und letztlich auch um mehr als 135 Millionen Euro und eine Werft, die auf Staatskosten ihre Insolvenz verhindern wollte.

Es geht darum, dass die deutsche Verteidigungspolitik ein unmissverständliches Signal sendet: an die eigenen Militärbürokraten in der Bundeswehr, im Bundesverteidigungsministerium und dem „Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr“ einerseits. Und an die für die Bundeswehr produzierenden und reparierenden Unternehmen andererseits. Dieses Signal muss lauten: Jetzt ist ein und für allemal Schluss mit dem Abmelken der Bundeswehr.

Unternehmen wie die Elsflether Werft, die nach neueren Erkenntnissen schon 2003 für eine Gorch-Fock-Reparatur doppelt so viel kassierte wie ursprünglich angekündigt, sollten auf absehbare Zeit keinen Bundeswehrauftrag mehr erhalten. Auch nicht, wenn sie von Bundeswehr-Aufträgen abhängig sind. Die Erhaltung der Einsatzbereitschaft der Waffensysteme, Kosteneffizienz und das Einhalten von zugesicherten Kostenobergrenzen müssen endlich oberste Priorität haben.

ThyssenKrupp wird sobald kein Werk mehr im Sumpf bauen. Die Bundeswehr, die in einem weit besorgniserregenderen Zustand ist als der Stahlkonzern damals, muss ähnliche Lehren ziehen.

Damit das gelingt, sollte die Bundeswehr vielleicht nicht nur auf die Gorch Fock verzichten, sondern nicht zuletzt auf diejenigen, die die finanzielle und politische Verantwortung für das Desaster des deutschen Militärs tragen.

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