Die Bundesregierung will die deutsche Ausbildungshilfe für kurdische Kämpfer im Nordirak nach Medienberichten ausweiten und dafür auch ein Bundestagsmandat einholen. Wie die „Bild“-Zeitung (Donnerstag) unter Berufung auf einen Mandatsentwurf für das Parlament meldet, sollen mehr als 100 bewaffnete Bundeswehrsoldaten in den Irak entsandt werden, um dort kurdische Peschmerga für den Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) auszubilden.
Nach Informationen von „Spiegel online“ ist derzeit geplant, schon Anfang 2015 mehrere Dutzend Soldaten in den Nordirak zu schicken. In Erbil sollten sie kurdische Kämpfer unter anderem an Geräten zum Minensuchen und deren Entschärfung ausbilden, berichtete das Portal am Mittwochabend. Die Regierung plane für die Ausweitung der Mission entgegen ersten Überlegungen nun doch eine direkte Beteiligung des Parlaments.
Fakten zum Terror im Irak
Die Terrorgruppe ISIS („Islamischer Staat im Irak und in Syrien“) ist eine im Syrienkrieg stark gewordene Miliz. Die Gruppe steht seit 2010 unter Führung eines ambitionierten irakischen Extremisten, der unter seinem Kriegsnamen Abu Bakr al-Baghdadi bekannt ist. Die USA haben zehn Millionen Dollar auf seinen Kopf ausgesetzt. Ihm ist es in den vergangenen vier Jahren gelungen, aus einer eher losen Dachorganisation eine schlagkräftige militärische Organisation zu formen. Ihr sollen bis zu 10.000 Kämpfer angehören.
Die Gruppe nannte sich Ende Juni in IS um, da sie die Einschränkung auf den Irak und Syrien aufheben wollte.
ISIS sind Dschihadisten, Gotteskrieger. Sie kämpfen für eine strikte Auslegung des Islam und wollen ihr eigenes „Kalifat“ schaffen. Ihre fundamentalistischen Ziele verbrämt Isis bisweilen - wenn es in einzelnen Regionen gerade opportun erscheint. „Im Irak gerieren sie sich als Wahrer der sunnitischen Gemeinschaft“, weiß Aimenn al-Tamimi, ein Experte für die militanten Einheiten in Syrien und im Irak. „In Syrien vertreten sie ihre Ideologie und ihr Projekt weit offener.“ In der syrischen Stadt Rakka beispielsweise setzen die Extremisten ihre strikte Auslegung islamischer Gesetze durch. Aktivisten und Bewohner in der Stadt berichten, dass Musik verboten wurde. Christen müssen eine „islamische Steuer“ für ihren eigenen Schutz zahlen.
Ihre Taktik ist eine krude Mischung von brutaler Gewalt und Anbiederung - alles zwischen Abschreckung durch das Köpfen von Feinden und Eiscreme für die Kinder in besetzen Gebieten. Das alles dient der Al-Kaida-Splittergruppe Isis nur zu einem Ziel: den Islamischen Staat im Irak und Syrien zu bilden, den ihr Name verheißt. Die Gruppe, der bis zu 10.000 Kämpfer angehören sollen, hat diese Woche die irakischen Städte Mossul und Tikrit überrannt und den Marsch auf Bagdad angekündigt.
Zu Jahresbeginn hatte Isis bereits die Stadt Falludscha und Teile der Provinz Anbar westlich von Bagdad unter ihre Kontrolle gebracht. Inzwischen hat ISIS maßgeblichen Einfluss auf ein Gebiet, das von der syrisch-türkischen Grenze im Norden bis zu einem Radius von 65 Kilometern vor der irakischen Hauptstadt reicht. Der einstige Ableger des Terrornetzwerks Al-Kaida, den US-Truppen vor ihrem Abzug aus dem Irak 2011 besiegt zu haben meinten, blüht in einer neuen Inkarnation wieder auf. Dabei profitiert Isis von den Spannungen zwischen Sunniten und Schiiten, die ihre sunnitische Anhängerschaft radikalisieren.
Bislang drangen ISIS-Kämpfer bis zur Provinz Dijala knapp 60 Kilometer nördlich von Bagdad vor. Rund 50 Kämpfer sollen dort laut Medienberichten bei Gefechten mit der irakischen Armee getötet worden sein. Die Isis habe sich daraufhin zurückgezogen, hieß es. Mittlerweile haben die Kämpfer die Städte Dschalula und Sadija in der Provinz Dijala unter ihre Kontrolle gebracht. Die Städte liegen 125 beziehungsweise 95 Kilometer von Bagdad entfernt.
Nach dpa-Informationen erbeuteten ISIS-Kämpfer in Mossul 500 Milliarden irakische Dinar (318 Millionen Euro) in der Zentralbank. Damit wird Isis zur reichsten Terrororganisation vor Al-Kaida. Experten schätzen das Vermögen der Al-Kaida auf 50 Millionen bis 280 Millionen Euro. Auch schweres Kriegsgerät soll ISIS erbeutet haben. Im Netz kursierende Videos zeigen irakische Panzer und Helikopter mit der schwarzen Flagge der Isis bei einer Militärparade in Mossul.
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch warf Isis Bombenanschläge in Wohngebieten, Massenexekutionen, Folter, Diskriminierung von Frauen und die Zerstörung kirchlichen Eigentums vor. Einige Taten kämen Verbrechen gegen die Menschlichkeit gleich. Nach Angaben der Organisation Ärzte ohne Grenzen sind mittlerweile rund eine Million Iraker auf der Flucht. Viele versuchten das als stabil geltende kurdische Autonomiegebiet im Nordirak zu erreichen. Allein in Mossul waren binnen weniger Stunden 500.000 Menschen vor den Extremisten geflohen.
Ministerpräsident Al-Malikis Versuch, am 12. Juni 2014 den Notstand auszurufen, war am Parlament gescheitert, das eine Abstimmung wegen mangelnder Beteiligung verschob. Seit Monaten zeigt sich Al-Maliki praktisch machtlos gegen den Terror sunnitischer Extremisten im Land. Dieser kostete seit April 2013 Tausenden Menschen das Leben.
Der UN-Sicherheitsrat sagte der irakischen Regierung einmütig Unterstützung im Kampf gegen Terrorismus zu. Die Nato und Großbritannien schlossen einen militärischen Eingriff aus. Auch der iranische Präsident Hassan Ruhani hat dem Nachbarland die uneingeschränkte Solidarität im Kampf gegen die Terrorgruppe Isis zugesichert. Sowohl auf regionaler als auch internationaler Ebene werde der Iran alles im Kampf gegen die Terroristen im Irak unternehmen, sagte Ruhani dem irakischen Regierungschef Nuri al-Maliki. Mittlerweile prüft die US-Regierung auch militärische Optionen.
Von den zuständigen Ministerium war dazu am Mittwochabend zunächst keine Stellungnahme zu erhalten. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU), Außenminister Frank-Walter Steinmeier, Innenminister Thomas de Maizière (CDU) und Justizminister Heiko Maas (SPD) wollen sich den Berichten zufolge an diesem Donnerstag am Rande der Kabinettssitzung in Berlin zusammensetzen, um die Mission zu besprechen.
Aus einer Bewertung des Bundesverteidigungsministeriums geht laut „Bild“ hervor, das dafür zum ersten Mal das Grundgesetz „erweitert“ ausgelegt werden müsse. Bei dem Kampf gegen die Terrormiliz IS handele es sich weder um einen Bündnisfall noch gebe es ein UN-Mandat. Maas und de Maizière sollten daher beurteilen, ob der Einsatz mit dem deutschen Grundgesetz vereinbar sei. Bereits am 17. Dezember solle das Kabinett dem Einsatz zustimmen.
Die Bundeswehr hat bereits Waffen an die kurdische Peschmerga-Armee geliefert und den Soldaten auch vor Ort die Bedienung gezeigt. Ende Oktober war ein Erkundungsteam der Bundesregierung in den Irak aufgebrochen, um die Beteiligung der Bundeswehr an einer umfassenderen militärischen Ausbildungsmission zu prüfen.