Bundeswehrtagung Deutschland enttäuscht als Vertragspartner

Bundeskanzlerin Angela Merkel schreitet eine Ehrenformation der Bundeswehr ab. Quelle: imago images

FDP-Chef Lindner tut, was Angela Merkel versäumt: Er redet über Deutschlands Rolle in der Welt. Die ist längst nicht so vorbildlich, wie man hierzulande gerne glauben möchte.

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Als FDP-Chef Christian Lindner am vergangenen Wochenende seine Parteitagsrede mit langen Ausführungen zur Weltpolitik begann, wunderten sich viele. „Außenminister Lindner“ raunten einige Journalisten und spotteten, da wolle offenbar jemand das Erbe von FDP-Granden wie Hans-Dietrich Genscher oder Walter Scheel antreten, die beide in ihrer Zeit als Chefs des Auswärtigen Amts glänzten. Dabei ist die Erklärung für die Rede viel banaler: Lindner, eigentlich kein ausgewiesener Außenpolitik-Experte, redete über Deutschlands Rolle in der Weltpolitik, weil es nötig ist – und weil die Bundesregierung es nicht mit der nötigen Kraft und vor allem nicht mit der angemessenen Selbstkritik tut.

Nach der Aufkündigung des Iran-Abkommens durch US-Präsident Donald Trump klagte die Bundeskanzlerin über die Krise des Multilateralismus. Die internationale Diplomatie, die Regelwerke der Vereinten Nationen oder der Welthandelsorganisation hätten immer weniger Gewicht. „Wenn jeder nur das macht, worauf er Lust hat, ist das eine schlechte Nachricht“, erklärte Angela Merkel vor dem Katholikentag. Das klang vorwurfsvoll und erweckte den Eindruck, als sei Deutschland ein vorbildlicher Verbündeter.

Wenn die Bundeskanzlerin heute am Nachmittag auf der Bundeswehrtagung über Deutschlands internationale Verpflichtungen spricht, wird sie vermutlich erneut auf die vielen Auslandseinsätze der Bundeswehr hinweisen. Tatsächlich ist deren Zahl gestiegen, und es ist auch richtig, dass Merkel persönlich sich etwa im Krim-Konflikt mehr engagierte als jeder Kanzler vor ihr in vergleichbaren Situationen. Das Verhältnis zu Russland ist ja gerade deswegen so schwierig, weil beide Länder heute nicht einfach mehr ihre bilateralen Beziehungen pflegen können, ohne den Rest der Welt mitzudenken.

Das ändert allerdings nichts daran, dass Deutschland in anderen Feldern kein guter Vertragspartner ist. Die Deutschen werden die international vereinbarten Klimaziele nicht erreichen, sie werden bei den Ausgaben für Verteidigung und Entwicklungshilfe hinter ihren Ankündigungen zurückbleiben und sie setzen dem pro-europäischen Schwung der französischen Regierung wenig entgegen. Die Deutschen haben von sich selbst oft ein falsches Bild, sie sehen sich als Nation, in der das Einhalten von Regeln besonders viel gilt. Nur stimmte das schon beim Stabilitätspakt der Europäischen Währungsunion nicht. Deshalb verbietet es sich, momentan nur mit dem Finger auf andere zu zeigen. Wer „America First“ für ein schlechtes Motto hält, sollte sich nicht zu „Germany First“ verleiten lassen.

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