Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel Mehr Markt bei der Energiewende

Welpenschutz für Ökostrom darf es nicht mehr geben, fordert Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel. Erneuerbare müssten sich am Markt bewähren. Gleichzeitig will der Minister den Industriestandort Deutschland schützen. Ein schwieriger Spagat.

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Welpenschutz für Ökostrom darf es nicht mehr geben. Quelle: dpa

Wenn Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel seine Pläne offenbart, wie es mit der Energiewende in Deutschland weitergehen soll, dann machen sich auch die Chefs der Energieriesen fleißig Notizen. RWE-Vize-Vorstand Rolf Schmitz etwa. Der zückte während Gabriel Rede auf der Handelsblatt-Tagung zum Thema Energiewirtschaft in Berlin den Stift und notierte sich genau, wie sich der Herr Minister  den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien vorstellt, wie es mit der Kohlverstromung in Deutschland weitergehen soll und welche Rolle die Politik zukünftig bei der Entwicklung des Strommarktes spielt.

Klar, Gabriel ist voll des Lobes - etwas anderes war nicht zu erwarten. Von der Energiewende als Teil der Modernisierung unserer Volkswirtschaft spricht Gabriel, von einer Energiewende, die uns auch international positiv zu Gesicht steht, um die uns andere beneiden und sogar auffordern, unsere Erfahrungen - etwa bei der Digitalisierung der Stromnetze - international zu vermarkten.

Aus diesen Gründen schwitzt die Erde

Auf dem Papier sieht alles gut aus: Schon mehr als 33 Prozent beträgt der Anteil der grünen Energie mittlerweile in Deutschland. In zehn Jahren sollen es mehr als 40 Prozent sein. Das wird leicht zu schaffen sein. Es fragt sich nur, zu welchen Kosten und auf welche Kosten. Bisher ist der Ausbau in Ökostrom vor allem deshalb so schnell vorangegangen, weil der Staat über das erneuerbaren Energiegesetz (EEG) kräftig nachgeholfen hat. Mit der Folge, dass nicht nur die Großhandelspreise für Strom kräftig gesunken sind, sondern auch, dass mehr grüner Strom produziert wird, als das unsere Stromnetze verarbeiten können.

Zur recht monierte Gabriel viel zu hohe Redispatchkosten von mittlerweile eine Milliarde Euro. Und er warnte davor, dass diese in diesem Jahr sogar noch um weitere 500 Millionen Euro aus 1,5 Milliarden Euro ansteigen könnten, wenn der Ausbau der Strom- und Verteilnetze nicht schneller voran ginge. Denn ein Hauptproblem der Energiewende: Der Infrastrukturausbau der Stromnetze kommt nicht mit, mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien.

Die Atomklagen der Energiekonzerne

Gabriel: „Der Staat steuert die Menge, der Markt den Preis“

Planbarer und berechenbarer soll die Energiewende nun werden, verspricht Gabriel. Der Welpenschutz für grüne Stromerzeuger sei vorbei, sie seien zu kräftigen Jagdhunden geworden, die keine staatliche Förderung mehr benötigten. Sie müssten sich nun am Markt bewähren und deshalb gebe es nun für Sonnen- und Windstromanlagen Ausschreibungen. „Der Staat steuert die Menge, der Markt den Preis“, sagte Gabriel. Ob sich dieses Modell in Deutschland bewährt und der Ausbau der erneuerbaren damit weiter vorangetrieben wird, das muss sich erst noch zeigen.

Kein Masterplan für den Kohleausstieg

Auch für die großen Energieversorger hatte Gabriel ein offenes Ohr. Er sprach von Brüchen, kritisierte gar indirekt Bundeskanzlerin Angela Merkel dafür, nach dem Atomunfall in Japan, von heute auf morgen den Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen zu haben.

Nach dem Streit um den Ausstieg aus der Atomenergie, bei dem letztlich die Bundesregierung im Herbst 2015 eine Kommission zur Schlichtung eingesetzt hat, soll sich beim Aufstieg aus der Kohlverstromung nicht wiederholen, sagt Gabriel. Die Atom-Kommission soll eine Lösung dafür finden, wie denn nun der Abriss der Atomkraftwerke und die Endlagerung des radioaktiven Mülls finanziert werden können.

Gabriel: „Ich halte nichts von einem Masterplan für den Kohleausstieg“

Einem Masterplan für den Kohleausstieg erklärte Gabriel heute eine Absage. Es sollten Gespräch mit allen Beteiligten stattfinden. Und dann kehrte er doch wieder den SPD-Chef heraus: Das Ende des Braunkohletagebaus etwa in der ostdeutschen Lausitz sei mit ihm nicht zu machen, ohne dass für die ca. 10.000 Beschäftigten dort neue nachhaltige Arbeitsplätze gefunden seien. Eine starke Forderung.

Heute ist es schwer vorstellbar, was dort die fossile Stromerzeugung ersetzen könnte. Klar ist, dass auch der Ausstieg aus der Kohle in Deutschland sehr hohes Streitpotenzial hat. Denn sicher ist auch: Deutschland wird seine Klimaziele, zu denen sich gerade erst wieder auf der Klimakonferenz in Paris Ende vergangenen Jahres, verpflichtet hat, nicht erreichen, ohne aus der fossilen Stromerzeugung auszusteigen. Sicher, auch Verkehr und Landwirtschaft, wie Gabriel betont, müssen mehr zum Klima beitragen. Dennoch werden wir aus dem schnellen Ausstieg aus der Kohlverstromung nicht vorbeikommen.

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