
Hinter dem kryptischen Kürzel CCS verbirgt sich „Carbon Capture und Storage“, also die Abscheidung und Lagerung von Kohlendioxid aus Kraftwerken und industriellen Prozessen. Schon vor einem Jahr gab es einen solchen Gesetzentwurf, der die unterirdische Verpressung des CO2 regeln sollte. Doch das Paragraphenwerk schaffte den Weg durchs Parlament nicht: Auf Druck des schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen scherte die bayerische CSU aus und stellte sich quer. Der Plan war gescheitert.
Nach dem Ende der großen Koalition machten nun die neuen Partner einen neuen Anlauf. Die Zeit drängte, denn um Fördermittel aus der EU-Kasse zu erhalten, musste das Gesetz jetzt auf den Weg gebracht werden. Und die Autoren haben aus der Pleite vom letzten Mal gelernt: Zwar gibt der Bund den Rahmen vor, aber gegen den Willen des jeweiligen Landes kann kein Modellprojekt starten; das war in der letzten Version anders. Allerdings unterlief Röttgen im Eifer des Gefechts auch ein Fehler. „Das Gesetz ist im Bundesrat nicht zustimmungspflichtig“, hatte er frohgemut verkündet. Doch diese Aussage ist falsch. Kaum hatte der Minister die fatalen Sätze ausgesprochen, machte sich Unruhe unter seinen Beamten breit. „Ist das denn richtig“, tuschelten sie untereinander. Noch während der Pressekonferenz fragten sie bei den Hausjuristen nach – die Antwort war eindeutig: Die Länderkammer muss zustimmen. Doch die Korrektur konnten sie ihrem Minister nicht mehr zurufen.
Vattenfall soll beginnen
Um den öffentlichen Druck, der an den möglichen Standorten der Modellprojekte wächst, möglichst klein zu halten, wiegelte Röttgen bei der Vorstellung des Entwurfs ab: „Es geht nicht um die Einführung der industriellen Nutzung, sondern um die Erprobung einer Umwelttechnologie.“ Gleichzeitig sicherte er eine „transparente, alle Rechte der Bürger vor Ort sichernde Umweltverträglichkeitsprüfung“ zu. An zwei bis drei Orten in Deutschland werde es Versuchsanlagen geben, die insgesamt acht Millionen Tonnen CO2 pro Jahr in unterirdische Speicher pressen sollten. Von Beginn an müssten die Betreiber für jede Tonne Kohlendioxid in einen Haftungsfonds einzahlen, der den Betrieb und die Sicherheit auch nach der 30-jährigen Erprobungsphase finanzieren und sichern solle. Als erster Standort ist eine Anlage des Energiekonzerns Vattenfall bei Cottbus bekannt; dort sind die Vorarbeiten schon weit gediehen. Brüderle: „Diese Technologie darf nicht das gleiche Schicksal erleiden wie der Transrapid oder die Gentechnologie.“
Doch die Bundesregierung hält das Verfahren für unverzichtbar. „Ohne CCS wird es nicht gelingen, die Klimaziele bis 2050 zu erreichen“, konstatierte Brüderle. Denn die Technik ist gar nicht mal für die Kraftwerksbetreiber interessant, sondern für die Industrie. Denn die Stromerzeugung ließe sich vielleicht langfristig tatsächlich CO2-frei gestalten – sei es aus Erneuerbaren oder aus Atomenergie. In vielen Fertigungsprozessen lässt sich aber der CO2-Ausstoß gar nicht vermeiden.
Umso enttäuschter ist das Umweltministerium deshalb von der Industrie und deren Dachverband BDI. Denn die Entsorgung des CO2 aus Stahlhütten, Ziegeleien oder Zementwerken war das eigentliche Ziel der Öko-Beamten. „Von da gibt es aber kein Interesse, keine einzige Anfrage“, maulen Röttgens Mitarbeiter. „Da könnte der BDI doch mal was machen“, der sonst stets das Umweltministerium kritisiere.
Gleich nach der Pressekonferenz verreisten die beiden Minister sogar gemeinsam. Im Tross von Kanzlerin Angela Merkel flogen sie zu den deutsch-russischen Konsultationen nach Jekaterinburg. Die Fahrt zum Flughafen traten sie allerdings getrennt an – und der Streit um das Energiekonzept der Bundesregierung wird sie nach dem Sommerurlaub ohnehin wieder entzweien.