CDU, CSU und SPD Koalitionsspitzen einig beim Baukindergeld, uneinig beim Asyl

Koalitionsspitzentreffen: CDU, CSU & SPD weiter uneinig beim Asyl Quelle: dpa

Es gab viel zu besprechen beim Treffen der Koalitionsspitzen: Asylstreit, Baukindergeld, Reformen in Europa. In einigen Punkten wurde man sich einig – etwa beim Baukindergeld. Der Asylstreit schwelt aber weiter.

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Die Koalition hat bei ihrem Spitzentreffen im Kanzleramt keine Einigung im Asylstreit erreicht. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) sagte am Mittwoch im ARD-„Morgenmagazin“, es bestehe aber weiterhin Hoffnung, dass man eine Lösung finde. „Solange miteinander gesprochen wird und auch über die Frage gesprochen wird, wie geht es weiter, ist immer noch Grund, darauf zu hoffen, dass wir zu einem Ergebnis kommen.“ Vor allem CDU und CSU liegen in Asylfragen über Kreuz. Sogar die Fraktionsgemeinschaft der beiden Parteien und damit auch die große Koalition stehen auf dem Spiel.

Hintergrund des Asylstreits ist die Ankündigung von Innenminister Horst Seehofer (CSU), Asylbewerber, die bereits in einem anderen EU-Land registriert wurden, an der deutschen Grenze abzuweisen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ist gegen diesen „nationalen Alleingang“ und möchte auf dem EU-Gipfel an diesem Donnerstag und Freitag für eine „europäische Lösung“ in der Flüchtlingspolitik werben. Die SPD steht in dieser Frage hinter Merkel.

SPD-Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles sagte im ARD-„Morgenmagazin“ auf die Frage, ob sich ihre Partei auf Neuwahlen vorbereitet: „Das weiß ich noch nicht, (...) das warten wir jetzt mal ab.“ Nahles sagte, ihre Partei warte darauf, dass die Koalitionspartner wieder zur Sacharbeit zurückfänden. „Wir haben eine ausgesprochen angespannte Lage in dieser Regierung.“

Kauder bestritt, dass die große Koalition wegen dieses Konflikts nicht handlungsfähig sei. So hätten sich die Spitzen von CDU, CSU und SPD im Streit um die Details des milliardenschweren Baukindergelds für Familien geeinigt. „Wir haben uns darauf verständigt, dass wir das Baukindergeld jetzt auf den Weg bringen“, sagte er. Die Lösung des Streits ist die zeitliche Begrenzung der Leistung und die Aufhebung einer Deckelung. „Es wird in der Zeit von 01.01.2018 bis 31.12.2020 gezahlt werden, und zwar ohne eine Begrenzung auf Quadratmeterzahlen.“ Es bleibt bei dem Zuschuss von 12.000 Euro in zehn Jahren pro Kind. Kauder sprach von einem schnellen Schub für den Wohnungsbau. Daneben gebe es dann noch die Abschreibungen für den Wohnungsbau und mehr Geld für den sozialen Wohnungsbau. „Die Städtebauförderung wird stabilisiert auf dem Niveau dieses Jahres“, erklärte der CDU-Politiker.

Finanzminister Olaf Scholz (SPD) hatte mit seinem Plan, das neue Baukindergeld für Familien wegen befürchteter Mehrkosten in Milliardenhöhe mit schärferen Auflagen zu versehen, Streit ausgelöst. Die Sorge bestand, dass die zunächst von Union und SPD bis 2021 veranschlagten zwei Milliarden Euro nicht reichen würden. Eine vierköpfige Familie sollte demnach nur noch dann Anspruch auf den vorgesehenen Gesamtzuschuss von 12.000 Euro pro Kind über zehn Jahre haben, wenn die Wohnfläche beim Hausbau oder Immobilienkauf 120 Quadratmeter nicht übersteigt. Innen- und Bauminister Horst Seehofer (CSU) hatte dem zugestimmt. Aus der Unionsfraktion kam Protest. Nahles sprach von einer guten Lösung.

Ökonomen warnen vor "schwerwiegenden, nicht abschätzbaren Folgen"
Die Koalitionäre sollten "das Ziehen roter Linien unterlassen und sich zusammenraufen", sagte der Präsident des Industrieverbands BDI, Dieter Kempf, vor der Wirtschaftspublizistischen Vereinigung Düsseldorf. Er wünscht sich, dass die Koalitionäre in Berlin den Umgang untereinander ändern. Es gebe genügend Zukunftsthemen für das Regierungsbündnis aus CDU, CSU und SPD, zitiert ihn die Nachrichtenagentur Reuters. Dazu gehöre unter anderem die Europäische Union. Der französische Präsident Emmanuel Macron wäre Kempf zufolge froh, wenn er in der Debatte um Reformen in Europa einen starken Partner Deutschland an seiner Seite wissen würde. Quelle: imago images
"CSU und CDU haben sich für ihr Fingerhakeln einen denkbar schlechten Zeitpunkt ausgesucht", sagte Mario Ohoven, Präsident des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft (BVMW). "Deutschland kann sich gerade jetzt keine Regierungskrise leisten." Angesichts des Handelsstreits mit den USA, Kriegen und Krisen in aller Welt sowie der ungelösten Euro-Krise brauche Deutschland Stabilität. "Eine Regierungskrise würde die Konjunkturaussichten weiter eintrüben und damit Wachstum gefährden." Er schätzt, dass Grenzkontrollen die Wirtschaft „15 Mrd. Euro kosten“ würden. Vor zwei Jahren hatte Ohoven allerdings noch gefordert: "Wir brauchen Grenzkontrollen." Denn die Kosten durch Kontrollen seien „ein relativ geringer Betrag verglichen mit den bis zu 700 Milliarden Euro, die uns die Flüchtlinge langfristig kosten können." Quelle: imago images
"Angesichts der vielen großen Herausforderungen von außen rächt es sich, dass die Kanzlerin in den vergangenen drei Jahren zum Thema Migration keine klare Linie in den eigenen Reihen der Union herbeigeführt hat", sagte der Präsident des Verbandes der Familienunternehmer, Reinhold von Eben-Worlée der Nachrichtenagentur Reuters. Falls die CSU nicht nur die Fraktionsgemeinschaft verlasse, sondern auch die Koalition, gäbe es verschiedene Möglichkeiten, auch ohne Neuwahl weiter zu regieren. "Aber alle sollten sich darüber bewusst sein, dass die Konjunktur ihren Höhepunkt überschritten hat, dass Deutschland an Wettbewerbsfähigkeit verliert und dass Handelskriege, europäische Grenzsicherung und die Bekämpfung von Fluchtursachen sehr viel Geld kosten werden", sagte von Eben-Worlée. Quelle: imago images
Lars Feld, Professor für Wirtschaftspolitik und Mitglied des Sachverständigenrat der Bundesregierung Quelle: imago images
"Der Streit um Geflüchtete schafft signifikante wirtschaftliche Risiken", sagte Marcel Fratzscher, Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) gegenüber der Süddeutschen Zeitung. "Ein deutscher Alleingang bei Geflüchteten wäre ein fatales Signal an Europa und könnte dazu führen, dass andere europäische Regierungen eigene Alleingänge starten werden." Schon in der Vergangenheit sei Berlin durch Alleingänge aufgefallen in Europa, etwa bei der Energiewende. "Das darf sich nicht wiederholen." Die Bundesregierung müsse auf Italien zugehen und die neue Regierung in Rom davon überzeugen, eng zusammenzuarbeiten, sowohl bei Geflüchteten als auch bei der Wirtschaftspolitik. Quelle: imago images
"Auch wenn der Handel oft als das größte Risiko für die deutsche Wirtschaft genannt wird, sehen wir die Innenpolitik eher als ein viel größeres Risiko", sagte der ING-Diba-Chefökonom Carsten Brzeski gegenüber dem Handelsblatt. "Die nächsten zwei Wochen könnten die politische Landschaft in Deutschland dramatisch verändern und im schlimmsten Fall sogar zu einem Sturz der Regierung und Neuwahlen führen." Für die Wirtschaft würde dies weitere Verzögerungen bei dringend benötigten Investitionen und Strukturreformen sowie der Stärkung der Währungsunion bedeuten. Quelle: imago images
Handwerks-Präsident Hans Peter Wollseifer, warnte in der "Süddeutschen Zeitung" vor "nicht abschätzbaren, schwerwiegenden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgen", sollte die Regierung zerbrechen. In Deutschland dürfe "macht- und parteipolitisches Taktieren nicht Oberhand gewinnen". Quelle: imago images

Zum Asylstreit sagte Kauder im ARD-„Morgenmagazin“: „Wir haben auf jeden Fall die Zeit am Sonntag und am Montag, miteinander zu sprechen. Die CSU wird ebenfalls am Sonntag tagen, und dann werden wir die Ergebnisse abwarten.“ Der Unionsfraktionschef räumte aber auch ein: „Gut, es ist sehr ernst, das hat man gestern auch in den Gesprächen gemerkt. Da geht es nicht nur um eine Kleinigkeit, da geht es um etwas ganz Zentrales und Wichtiges.“
Die CSU hatte mit einem nationalen Alleingang bei der Zurückweisung von Flüchtlingen an der deutschen Grenze gedroht, wenn es keine Lösung auf europäischer Ebene geben sollte. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt machte im ARD-Morgenmagazin deutlich, er wolle Merkel nicht mehr Zeit auf der Suche nach einer europäischen Lösung bei der Neuordnung der Asylpolitik einräumen. Der Zeitplan sei klar. Wenn man eine europäische Lösung auf der Zeitschiene nach hinten schiebe, sei nichts gewonnen.

„Die Lage ist sehr ernst“, sagte Kauder. Er betonte aber, dass die Debatte die Arbeitsfähigkeit der Regierung nicht einschränke. „Die Koalition ist handlungsfähig.“ Kein einziges Projekt werde verschoben.

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